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Die heilige Hildegard auf dem Bussen.

Auf der Burg, die einst den alten Schwabenberg an der obern Donau, den Bussen, krönte, hauste vor mehr als 1000 Jahren Gerold, Herzog von Schwaben, der des Reiches Sturmfahne wider Mauren und Ungarn, Welsche und Avaren vorantrug. Von seiner Schwester Hildegard, die mit dem mächtigen Heldenkaiser Karolus vermählt war, weiß die Sage manches zu erzählen. Einst war sie auf ihrem Heimatberg zu Besuch, während ihr Gemahl und ihr Bruder gegen die Feinde des Reiches im Felde standen. Da versuchte ihr Kammerherr Taland, der Stiefbruder ihres hohen Gemahls, ihrer Tugend nachzustellen. Die edle Frau verwies dem Falschen mit strengen Worten öffentlich sein schnödes Beginnen. Das verdroß den stolzen Mann, Er schickte Briefe an seinen Bruder, den Kaiser, und verleumdete Hildegard. Karl schenkte ihm Glauben und sandte Befehl, die pflichtvergessene Frau, auf welche Weise es auch sei, aus der Welt zu schaffen.

Taland beeilte sich, des Kaisers Willen zu erfüllen. In der Nacht rissen seine Knechte die Unglückliche aus dem Schlummer, schleppten sie die steile Höhe des Berges hinab an die Donau und warfen sie über die Brücke, die hier über den Strom führt, in die Fluten hinunter. Nach vollbrachter Tat kehrten sie auf die Burg zurück und meldeten dem Gebieter, daß sein Gebot vollzogen sei.

Hildegard aber war in ihrer Jugend von ihrer treuen Dienerin Rosina im Schwimmen wohl unterrichtet worden. So gelang es ihr, sich heil und gesund ans Ufer zu retten. Fliehend eilte sie hinweg, um ihren Feinden zu entgehen. Sie gelangte unerkannt nach Buchau. Dort fand sie im Kloster ein Unterkommen. Niemand wußte um ihre Herkunft. Durch ihr tugendhaftes Leben gewann sie bald den Ruf einer Heiligen, und Kranke kamen von nah und fern, um von ihr geheilt zu werden. Denn sie war kundig wie keine im Kräuter- und Heilwesen.

Taland, ihr Todfeind, war indessen zur Strafe für seine Bosheit von unheilbarem Aussatz betroffen worden. Als er nun von den Wundertaten hörte, die durch die fromme Klosterfrau in Buchau geschahen, da kam er auch nach Buchau und suchte Hilfe bei der Heiligen. In ihrer Klostertracht erkannte er Hildegard nicht. Sie aber erkannte ihn wohl und wies ihn zuerst streng von ihrem Angesicht. Erst als er einem Priester reumütig seine böse Tat gebeichtet hatte, war sie bereit, ihm zu helfen. Sie reichte dem Büßenden eine Salbe, die nur sie zu bereiten verstand, und in kurzer Zeit war Taland von seinem Aussatz genesen. Kaiser Karl, der Gemahl der verstoßenen Hildegard, war hocherfreut über die Heilung seines Stiefbruders und kam selbst nach Buchau, um der wundertätigen Klosterfrau seine Huld und Gnade zu beweisen. Hildegard erschien tief verschleiert vor dem Herrscher. Er jedoch begehrte, sie unverhüllt zu sehen. Da erkannte Karl die totgeglaubte Gemahlin. Schluchzend fiel er ihr zu Füßen und bat um Verzeihung. Den bösen Stiefbruder aber verbannte er auf eine Insel im Wendenmeer. Er selbst lebte noch manches Jahr glücklich mit der wiedergefundenen Gemahlin.

Zum Danke gegen Gott, der ihre Unschuld an den Tag gebracht hatte, stiftete die fromme Hildegard ein Kloster im Algäu. Eines Tages, als sie dort weilte, stritten ihre halberwachsenen Söhne darüber, welcher von ihnen dem Vater in der Regierung des Reiches folgen werde. Hildegard ließ für jeden der Söhne einen Hahn bringen und befahl, daß die Hähne miteinander kämpfen sollten. Wessen Hahn siege, der sollte der künftige Herrscher des Reiches werden. Ludwigs, des ältesten, Hahn trug den Sieg im Kampfe davon; und er war es auch, der nach seines Vaters Tod das Szepter im Frankenreiche führte.

(F. H.)


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