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Scheffel an Emma Koch-Heim

Scheffels ganzes Leben ist von der Liebe zu Emma Koch-Heim begleitet. Von der Ablehnung seiner Werbung, die in die Ausarbeitung des Ekkehard fiel, scheint der zweite Teil dieses Romans seine verzichtende Färbung erhalten zu haben, er bewahrte sich jedoch für die Dauer seines Lebens die Seelenfreundschaft zu der Geliebten. S. Boerschel, Joseph Viktor von Scheffel und Emma Heim. eine Dichterliebe. Berlin 1906.

Offener Brief des Dr. Scheffel an seine schöne Cousine Emma zu Zell.

Karlsruhe, 20. Oktober 51.

– Aus diesem Grunde ist es schwer, wenige Tage nachher etwas Vernünftiges zu schreiben.

Ich möcht' ein Lied ersinnen,
Das jenem Abend gleich
Und kann den Klang nicht finden
So dunkel, mild und weich.

Daher ist's wohl am geeignetsten, ich schließe jetzt diesen bereits unverhältnismäßig lang gewordenen Brief. Ich bitte mich dem verehrten Elternpaar und der strahlenden Schwester Ida zu empfehlen, – selbst aber in allen Wechselfällen des Lebens die große Wahrheit nie zu vergessen, daß es leichter ist, einen zerrissenen Strumpf wieder zu flicken, als ein zerrissenes Herz. Somit Gott befohlen!

Joseph Sch.

Karlsruhe, den 31. Dezember 1851.

Mitternacht.

Hochpreisliche Cousine!

Eben läuten die Glocken, und mit Petarden und Pistolenschüssen wird das neue Jahr begrüßt, und möglicherweise befinde ich selber, ohne zu wissen wie und warum, mich bereits im Jahre 1852, von dem so mancher manches hofft, träumt – und sicherlich nicht findet.

Bei solchen Zeitabschnitten pflegt der Mensch in sich zu gehen; er fragt sich: wozu bist Du eigentlich auf dieser Welt – diesem Chaos von Verwirrung? – Dergestalt habe auch ich, am Schluß des Jahres, mich ernstlich gefragt – und bin mir klar darüber geworden, daß ich nicht um schnöden Jubels oder Tanzes willen zur Zeit existiere –, wiewohl ich zu Bruchsal auf der Reserve, und zu Karlsruhe auf dem Museum sattsam Gelegenheit gehabt hätte, mich eines Narrentanzes zu erfreuen;
                 sondern
                        sondern –
daß ich zur Zeit, in dieser ersten, ahnungsvollen, bedeutsamen Stunde des neuen Jahrs wohl keine geeignetere Aufgabe zu erfüllen habe, als meiner stolzen Cousine Emma zu diesem verhängnisvollen Jahr meine Glückwünsche zu Füßen zu legen.

Dies tue ich hiemit.

Der Himmel möge Dir viel' gute Tage bescheren und Dich, wie der alte Hebel sagt, in lauter Zuckerbrot einwickeln. Und wenn Du im Lauf des Jahrs Deinen Vetter Joseph auch vergessen und, wie's im Geschäftsstil heißt, ad acta verweisen wirst, so muß er sich's halt gefallen lassen ...

Behüt Di Gott im neuen Jahr.

Sich zu Huld und Gnade empfehlend

Joseph Eginhard Scheffel.

Liebe teure Emma,

Ich danke Dir von Herzen, daß Deine Erinnerung an lichte Tage und glückliche Stunden gedenkt. Wir werden noch viele und glücklichere verleben, wenn Du einmal Deine schöne Einsamkeit und ein trauliches Nest, um zu ruhen, gefunden ... Denn auch meine Seele fliegt zu Dir, mehr als Du ahnst und glaubst. Einstweilen ist das Schicksal zu nehmen, wie es kommt, und ich spreche mir die Hoffnung aus, daß wir uns bald und lang und innigst wiedersehen mögen.

Der Mai, der seither die Reben geschädigt hat, beginnt freundlicher zu werden. Ich erhole und kräftige mich zusehends und die hiesige Stille tut mir gar wohl. Erfreu mich bald wieder und sag mir, daß Du lieb hast

Deinen alten Vetter Josephus.

Maulbronn, 5. Mai 70.

Liebste,

Da läßt sich nicht mehr viel schreiben – ich habe nicht geglaubt, daß, wenn man sich lieb hat, man sich lieber haben kann – bleib mir gut – ich schicke tausend Küsse zum Abschied, morgen wird heimgereist – schreib mir recht bald freundlich nach Karlsruhe.

Thun, 5. Oktober 74.

Joseph.

Geliebteste,

»Mir fehlt noch immer die Stimmung zu einem Brief für Dich.« Auch darin kreuzen sich meine Gedanken mit den Deinen – Dein Bild wandelt mit mir, täglich, stündlich, unvergeßlich – wie vor 20 Jahren, da ich Dir den Lenauschen Spruch schrieb

Träumend will der Blick sich senken,
Durch die tiefste Seele geht
Mir ein süßes Dein Gedenken
wie ein stilles Nachtgebet.

Darum auch heute nur einen Gruß und eine Blume, die ich fand als meine Gedanken bei Dir und am See waren ...

Joseph.


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