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Schubart an seine Frau

Die gewaltsamen erschütternden Ergüsse Schubarts stammen aus der Zeit seiner Gefangenschaft auf dem Hohenasperg. Herausgegeben wurden sie von Rudolf Krauß (Euphorion, Bd. VIII. 1901).

Hohenasperg den 19.ten Jener 83.

Beste,

Dein Geburthsfest ist mir so heilig, daß ich es immer mit Dank und Flehen vor dem Thron Gottes zubringe. Mit Dank, daß er Dich, Du Liebe, unter so tausendfältigen Drangsalen zu meinem und unserer Kinder Trost gesund erhielt; – Mit Flehen, daß Dich der gute Gott ferner bewahre, wie seinen Augapfel.

Morgen trittst Du Dein 40tes Lebensjahr an. Zwanzig Jahre davon sind mein, durch Jammer, Elend, Todesklage und blutige Thränen verdunkelt. Doch dem Höchsten sei Preiß – auch mancher Paradißtag verklärte diese 20 Jahre. Gesunken an Deine Brust, zerflossen im Gefühl der Liebe, mit einem Auge schimrend von Zärtlichkeit, die Arme fest um Dich geschlungen fühl ich die Seeligkeit der Ehe und lobe Gott den Herrn! – O, Engel, welch ein himlischer Augenblik, wenn Du meine Kinder in ein Kissen wikeltest, und sie mir mit einem Auge voll Mütterlichkeit in die Arme gabst!! – Weib meines Herzens, du weißt es nicht, wie ich Dich da liebte! wie ich oft meine Thränen verbarg, die für Dein Leben – o Du Einzige! – gen Himmel schrieen. Blut schreit laut – aber Thränen der Liebe schreien noch lauter. Was Rache heischt, vergeht; was Lohn der Liebe von Gott verlangt, bleibt ewig. – Engel, an Deinem Geburthsfeste sei es Dir geschworen: ich habe Dich immer geliebt! Geliebt, wie man lieben kann! – Du hast mich als einen wilden Jüngling geheirathet; aber der wilde, brausende Jüngling hätte für Dich geblutet. – O, mein Engel, die Religion Jesu hat nun diese Empfindungen geheiligt, verstärkt, dem Himmel angenähert; wenn ich jezt um Dich wäre – mit Dir aus Einer Schüssel speiste – aus Einem Glas tränke; wenn ich jezt entschlummerte an Deinem Busen, mit der Zähr' im Auge, die aus Jesusliebe rann; – wenn Du Deinen natürlichen, launischen, – ach! – Gott weiß! alle – Menschen in seinem Weibe umarmenden Schubart, dessen Stolz es ist, ein Unterthan Jesu zu seyn, bei Dir hättest; – sollt' es Dir nicht angenehm – nicht Lebenswonne seyn? – Weib – ich bitte Dich; weile bei dem Worte Weib; – Du weißt, was ich damit verbinde. – Und nun Freundinn – und nicht mehr Weib – nicht mehr Weib – nur Freundinn; – Ha, Engel, Tod liegt in diesem Rahmen. –

Aber, wie kann ich Dein Fest mit so traurigen Empfindungen entweihen? – Ach, Du kennst ja Deinen heftigen, feurigen Mann – Du weißt, wie er liebt, wie er leidet, wie er spricht und schreibt – wie sein Geist siegt, wenn Güte, Wahrheit, Größe ihn berührt!!

Liebe Helene, ich habe viel gesündigt; auch viel an Dir gesündigt; aber, wenn Gott die Thräne des Büßers sammelt, wenn er sie aufbewahrt, sein künftiges Diadem damit zu schmücken; wenn es schön, nach dem Sinne Jesus schön ist, zu verzeihen, wenn Thränen der Buse fliesen und Aendrung folgt; – was kannst Du mir an Deinem Tage anderst schenken, als vollkommene Vergebung, und mit dieser – vollkommen Liebe.

Ach, Weib! – Weib!! – wie ich nach Liebe dürste, so dürstet keiner.

W Du mir Zeit lebens, sonderlich in meiner Drangsal, Gutes erwiesest – das lohne dir der Allmächtige!! –

Man hat mich undankbar ausgeschrieen; aber, Gott weiß! ich bin es nicht. Jede Wohlthat, jede kleine Berührung des guten Herzens rührt mich. – Du solltest's oft gesehen haben, wie ich Deine Briefe – Deine Geschenke küßte, die Du mir zusandtest – und wie ich da zum Himmel hinauf sah, und vor Weinen kaum Deinen Namen aussprechen konnte!! – O, Dein Mann ist dankbar; Jesus wird dies einst sagen – am Tage des Weltgerichts. –

Und nun leg ich meine Hand auf Dein Haupt und segne Dich an Deinem Feste:

Dich seegne Jova,
Der Dich schuf,
und mir gab zum Weibe!!
Dich seegne Jesus!
Der sein Leben – auch für Dich –
Blutete aus vielen Wunden!! –
Dich seegne der Geist der Gnade! –
Sein Säuseln bringt Dir
Frid' ins Herz! –
und Ruh! –
und Glauben! –
und Hofnung –
und – Liebe?

Ach, Liebe, hast Du schon, vergiß Deinen armen, leidenden Mann nicht, der viel gesündigt, aber sich nie Deiner Liebe unwürdig gemacht hat. – Vielleicht sterb' ich bald, dann feir' ich Dein Fest im Himmel – und meine größte Wonne sei's – Dich zu erwarten!! – Ich weine bitterlich, Weib – mein Herz schwimmt in Blut – mein Blick dämret – Du bist ferne! – Ferne ist meine Liebe und einsam jammert am Tage ihrer Geburt

Ihr leidender Schubart.

N. S. Verzeih mirs, daß ich so schlecht schrieb; meine Gedanken eilen so, wenn ich an Dich schreibe. – Ach, umarme meinen Ludwig, meine englische Julie und bring Ihnen die Thräne des leidenden – einsam jammernden Vaters.


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