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Carl Maria von Weber an die geliebte Caroline

Zeugnisse der Herzensirrungen und des Liebesglücks des berühmten Komponisten des »Freischütz«. Caroline Brandt, Sängerin an der Prager Bühne, verhielt sich gegen seine Neigung erst sehr spröde. S. M. M. von Weber, Carl Maria von Weber, Ein Lebensbild, Leipzig 1864 u. Reisebriefe, Leipzig 1886.

Den 31. August 1815. Nachts 2 Uhr.

Meine teure, geliebte, unvergeßliche Lina!

Müde und ermattet von der Last der Arbeit, die mich zwingt, die Nächte zu Hilfe zu nehmen, und niedergedrückt von tiefer schmerzlicher Empfindung ergreife ich die Feder, um Dir zum letzten Male meine Gute Nacht! aus weiter Ferne zuzurufen, das Du vielleicht wenige Stunden vor meiner Ankunft in Prag erst erhältst. Es ist nicht jener tobende, gewaltsam zerfleischende Schmerz wie den 7. Juni abends, aber desto tiefer, inniger und sicherer, verzehrend – nagt dies Gefühl an mir. Aber nein! Heute soll keine trübe Erinnerung, keine bittere Ahndung der Zukunft Dich kränken. Dieser Abschied soll freundlich wie ein guter Engel, der zu Gott um Dein Wohl fleht, Dich umschweben. Mit Wonnegefühlen zaubere ich mir die seligen Stunden zurück, die ich durch Deine Liebe genoß, wo kein feindseliger Dämon sich zwischen uns drängte, Du alle Deine unendliche Lieblichkeit, jenes entzückende kindlichfrohe Wesen entfaltetest, und mein Ernst dem Vollgefühl einer glühend erwiderten Liebe wich, und ich ahndete, daß nur solche Augenblicke das höchste im Leben sind, daß sie festzuhalten nur wenigen vergönnt ist und daß ein solches Übermaß des Glückes – könnte es dauernd sein – töten muß. Unvergeßlich und ewig teuer wird mir Deine Sorgfalt für mich sein, stets sehe ich Dich mir entgegen schweben, wenn ich der Last des Tages entrinnen soll. Mit tränend frohen Augen kann ich mich unserer, wahrhaft oft Kinder ähnlichen Possen und Scherze erinnern. Ja, geliebte Lina, nichts soll mir diese schönste seligste Zeit der Vergangenheit verbittern, und sollten mich einst selbst die Folgen daran ganz zusammendrücken, so sollen sie mir doch als lichte Sterne nachleuchten, und gerne will ich mich des entschwundenen schönen Lichts dankbar erinnern und erfreuen – – O mein ewig teures unvergeßliches liebes Leben, habe Dank für so manche schöne Rose, die Du in mein Leben geflochten, für Deine innige Liebe, für Deinen Schmerz. Verzeihe dem Übermaß meiner Liebe, wenn sie oft zu heftig Dich ergriff, oft bitter und hart die Wunden noch mehr zerriß, die sie hätte sanft und duldend heilen sollen. Vergib allen Kummer, den ich über Dich gebracht habe, und der mich so unendlich schwer drückt, obwohl ich bei Gott das Bewußtsein habe, nicht ein Stäubchen davon mit Willen, oder irgendeine zweideutige Handlungsweise, erregt zu haben. Grolle mir nicht um das schöne Dir gestohlene Jahr Deines Lebens, ich wollte Dir gern zehn der meinigen dafür geben, könnte ich Dir es zurückerkaufen. Laß mich Dich noch einmal in Gedanken, die ich aussprechen noch darf, aufs innigste und heißeste an diese Brust drücken, an dieses treue Herz, das nur Dich denkt, nur Dich dachte und ewig denken wird. Sei heiter, sei froh, und bist Du dies einst, so gedenke in glücklichen Stunden Deines armen Carls, der unveränderlich bis zum letzten Hauche Dich liebte und in dem Du unvergeßlich leben wirst, bis einst die Zeit und sein Gefühl ihn reif gemacht haben, hinüber zu gehen. Leb wohl! – – –

Dresden, am 25. Mai 1817.

Mein vielgeliebter Mucks und Schneefußl

Ich muß heute mit einem schweren Bekenntnis zu Dir kommen, welches Du wohl nie von Deinem Karl erwartet hättest, und doch befiehlt mir meiner eigenen Ruhe wegen mein ehrliebendes Gefühl, Dir alles zu entdecken. Ja, liebe Lina, ich kann es nicht länger bergen, daß mich seit ein paar Tagen eine andere unwiderstehliche Neigung abgehalten hat, Dir zu schreiben. Ein Mädchen, dessen Liebreiz ich Dir hier nicht zu erzählen imstande bin, hat mich ganz gefesselt, und mit zwei Worten sei es gesagt, sie ist sogar meine Braut. Doppelt frevelhaft erscheint dieses Vorgehen, weil sie auch Braut eines andern ist. Aber dies alles hilft nicht nur nichts, sondern kettet mich unbegreiflicherweise nur noch fester an sie. Ja! ich muß Dir alles entdecken. Nur sie lebt in meiner Phantasie, jeden Augenblick schwebt ihr Bild mir vor. Mit glühender Liebe umfasse ich sie, auch ihre Gegenliebe scheint mir gewiß, denn sie geht mit mir schlafen und verläßt mich keinen Augenblick. Ja, sie hat ihres Vaters Haus verlassen, um mir ganz anzugehören. Gibt es größere Beweise von Liebe? Ich erkenne es aber auch. In ihrer Blöße ist sie zu mir gekommen, ich will sie mit meinem Herzblut nähren, und kleiden mit dem Besten, das ich habe. Sie hat eine unwiderstehliche Neigung zum Theater, und ich will ihr dazu verhelfen, obwohl ich alle Gefahren kenne, die ihr da drohen. Ob, meine geliebte Agathe, wirst Du mir treu bleiben, rufe ich oft aus!

Du kennst nun meine ganze Schuld – richte, aber verdamme mich nicht, wer kann für sein Gefühl, und wenn sie mich ganz umfangen hält, kann ich dann Briefe schreiben? Oh, ich bitte um Verzweiflung! Alle Tränen, die ich für sie weine, fallen wie Schwerenoten aufs Papier – Oh!! Oh! – Nun!??

Etsch, etsch, etsch!! Ich sollte mich sehr wundern, wenn Du nicht eine halbe Stunde lang ein ängstliches Gefühl gekriegt hättest! Nun, gib mir nur Haue, es tut nichts, Du tust mir nicht weh, und dann hast Du doch gewiß gelacht! – Ja, es ist wahr, Mukkin, die verdammte Jägers Braut spukt mir recht im Kopfe, und wie es mir immer geht, wenn ich so eine Riesenarbeit vor mir sehe, so verliere ich anfangs allen Mut und verzweifle fast daran, es zustande zu bringen, und komme mir wie ein Ochs vor, dem nichts einfallen will. Es geht aber dann doch immer am Ende, und diese so oft bewährte Erfahrung tröstet mich. Die Oper ist wirklich trefflich geworden durch die neue Bearbeitung. Kurz, gedrängt, schönes Finale und andre Ensemble-Stücke, und nun glaube ich, daß in dieser Gattung noch keine existiert. Gott gebe seinen Segen dazu. –

An dieselbe.

London, den 20. März 1820. 10 Uhr morgens.

Oh, Du garstiger Mops! Du fauler Schreiber, was helfen mir alle Deine Talente als Finanzminister, wenn du nicht schreibst, ist das wohl recht? Acht Tage sind nun verflossen, ohne einen Brief von Dir. Ich sollte zwar eigentlich noch nicht schelten, denn vielleicht kommen zwei miteinander, aber ich fürchte, Du hast das Ersparungs-System eingeführt und willst nur alle Wochen einmal schreiben. Ach! lieber Gott, tue das ja nicht, ich brauche wirklich zu allen meinen Freuden hier wirkliche Erheiterung und Stärkung, und das kommt alles nur von Haus. Ich kann mir wohl denken, daß Du auch nicht viel Stoff zum Schreiben haben wirst, aber jede Küchenklatscherei von zu Haus interessiert mich mehr, indem sie mich zu Euch versetzt, als um mich herum wirklich wichtige Dinge ...

1/2 5 Uhr nachmittags.

Da ist einer! Heisa! Sooft an das Haustor geklopft wurde, saß ich erwartungsvoll, denn jeder Stand hat hier seine eigene Art zu klopfen, daß man gleich weiß, wer es ist. Endlich höre ich zwei Schläge, – der Briefträger, – Geld zur Erde werfen, – was man immer tut, um zu prüfen, ob es echt ist,– und endlich Schritte auf meiner Treppe, – richtig, Musje Nr. 6 von der Mukkin. Da wird der »Oberon« gleich bei Seite geschuppst, der Brief einmal verschlungen, einmal gelesen und nun gleich beantwortet...


Ich segne Euch von Grund des Herzens, Ihr Teuren, Vielgeliebten. Gott erhalte euch gesund und heiter, ich bin es gottlob auch, und nur die Sehnsucht nach Euch betrübt mich, doch wird auch diese Zeit vorübergehen und wir uns nie wieder trennen.

Ewig in treuester Liebe

Dein Dich über alles liebender Carl.


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