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Das schwärmerische Schmachten der Wertherzeit gelangt in diesen Dokumenten eines merkwürdigen Brautstandes zwischen 1770 und 1773 zum Ausdruck. Ein stetes Gehemmtsein, ein Schwanken, bei aller Liebe, prägt sich besonders in Herders Briefen aus. S. Aus Herders Nachlaß. Bd. 3. Herders Briefwechsel mit seiner Frau. Frankfurt a. M. 1857.
Frankfurt gegen den 20. April 1771.
Haben Sie meine letzte scheidende Bitte erfüllt, liebstes Mädchen, und sind ruhig und heiter gewesen? O Gott! da ließ ich Sie im Winkel hinter meinem Bette stehen, mit weinenden geschwollnen Augen, wo Sie doch vor meiner Ankunft in eben dem Kämmerchen sich auf meine Ankunft so freueten! Bin ich denn als ein Mörder oder Uebelthäter bei Ihnen gewesen, um Ihnen die Ruhe und Heiterkeit der Seele, in der Sie so leben und weben, zu rauben? Lassen Sie mich den Gedanken nicht denken, sanftes, heiteres Mädchen. Ich sehe Sie vielmehr in dem Bilde, wie Sie mir immer erscheinen und mit mir gehen, und in dem Sie mir zuerst erschienen sind, wie eine leichte, vergnügte Unschuldsgöttin, die hier auf Erden sichtbar geworden. Das ist, liebste Karoline, Ihre Naturgestalt der Seele, und die würdigste der Menschheit: in der wandeln Sie mit mir, mir ungesehen zur Seite, und behüte der Himmel, daß dies Unschuldsbild mir je von der Seite verschwinde! In der denke ich Sie mir auch jetzt, dachte Sie, da ich wegfuhr, einschlief und aufwachte – und, holdes Mädchen, warum sollte ich nicht immer Sie mir so denken können? Betrachten Sie doch nur selbst, wie eitel alle Erwartungen sind, wenn man mit zu starker Theilnehmung auf sie rechnet. Was hatte ich mir, was wir uns alle, meine ganze Leidenszeit in Straßburg über, für Gedanken und Bilder gemacht, wie meine Zeit in Darmstadt hingelebt werden sollte, und wie ist sie's? Wie freuten wir uns aufs Wiedersehen, und bildeten uns ein, uns einander schon so zu kennen, daß wir auf diese sichere Vorschlüsse rechnen könnten; und nun sagen Sie, ist in der Welt, liebste Freundin, eine gezwungnere, verschloßnere, herzensverstummtere Freundegesellschaft gewesen als die unsrige? Vielleicht mit allem guten Willen – ich will nichts untersuchen –; aber der Effect ist doch immer derselbe, daß Tage vorbei sind, die gewiß auf anderer Art hätten durchlebt werden können. Meine Seele ist noch verstimmt und widerwillig. O sehen Sie, mein liebes Mädchen, wie viel man verliert, wenn man so sicher rechnet. Lassen Sie den Schicksalsfaden leise laufen, wie er läuft, ohne ihn reißen und aufhalten zu wollen: so geht er desto sichrer seinen Gang, und findet sich wieder in unsre Hand, vielleicht wenn wirs am wenigsten gedenken und hoffen. Mein Trost kann Ihnen vielleicht kahl scheinen; auch würde ich ihn nicht so geschrieben haben, wenn nicht wahrhaftig das verlebte Evenement eben in Darmstadt mir noch zu nahe vorschwebte. Liebste Freundin, wie tausendmal empfindlicher muß es sein, wenn eben dergleichen Irrthümer, da man sich zu kennen glaubte, zusammenkommt, sieht und nicht kennet, in irgend einer Beziehung des Lebens statt haben, die nicht so leicht zu trennen ist als der Cirkel in Darmstadt? – Aber sehen Sie, freundschaftliche, edle Seele, wie sicher und untrüglich die schönere Art von Teilnehmung und Umgang ist, die wir uns so heilig versprochen: die Nahheit und Freundschaft unsrer Geister und Herzen! Allerliebstes Mädchen, da sehe ich Dich als eine kleine Göttin, als eine Unschuldsgrazie an, die mir auf meinem Lebenswege wie Erscheinung begegnete, um meine Muse, meine Gesellschafterin, meine unsichtbare Freundin zu sein, und mich zu dem zu erheben, was ich sonst durch mich selbst nicht geworden wäre. Ein einsamer Mensch verfällt sehr leicht, und ein Mensch von starkem Charakter kann um so tiefer fallen, je höher er sich erheben konnte: aber wenn ihn ein Engel umwandelt, so unschuldig und gütig und voll und gesund wie die blühende Natur, so fällt er nicht, so hat er ein wohlthätiges schönes Wesen vor Augen, der er den kleinsten Antheil seines Tagewerks weihet, die ihn mit sich selbst eins zu sein lehret, und ihm gleichsam immer das Ziel vor Augen hält, wohin er sich vervollkommne. Liebste Freundin, und das Bild nehme ich von Darmstadt mit, und bloß dazu, um das mitnehmen zu können, bin ich nach Darmstadt auch jetzt zum zweitenmal gekommen, zu nichts anders, wie ich aus dem Erfolg sehe. Ich habe Sie von so viel neuen und schönen Seiten und so innig, innig, innig kennen gelernt, daß Ihr ganzes Bild mir gleichsam so substanziirt und verkörpert ist, um gewiß nicht mehr als bloßes Traumbild, was wieder ein anderes Traumbild zerstöre, mir vor Augen zu schweben. Kehren Sie sich, meine liebste vortreffliche Freundin, an alles Zuckerwerk und Näscherei von Empfindungen nicht, mit dem man sich im Uebermaße eben so sehr und noch ärger den Magen verdirbt als mit den offenbarsten Völlereien. Die Natur hat Ihnen, liebste Freundin, so viel Stärke und Festigkeit der Züge gegeben, Sie haben so viel Reelles in Ihrem Charakter, daß Sie zu wohl sehen, der Mensch ist zu etwas Besserem auf der Welt da, als eine Empfindungspuppe oder ein Empfindungströdler zu sein. Die schönste Puppe ist noch immer Kinderspiel und der schönste Trödelkram von Empfindungen aus aller Welt Ende ist höchstens ein Zimmer der Erholung und kaum der Bestimmung. Ein Zug, eine Situation, in der ich Sie mir, bestes Mädchen, als ein handelndes wohltätiges Wesen der Menschheit, als reelle Freundin, Gesellschafterin, Gattin, Mutter, würdiges Frauenzimmer gedenke, rührt mich tiefer und ewiger als hundert feine Empfindungsworte schöner Magellonen, die mein Auge nicht gesehen hat: und die zu sehen ich keine Wallfahrten übernehme. Und wie viel solche süße, allerliebste Züge, solche Ahndungen eines himmlischen Lebens habe ich aus Ihrer Seele erwischt! O Gott, wäre ich nur Ihrer Liebe würdig! – Doch ich wills, holdes, sanftes Mädchen, zu werden suchen; denn was kann jeder taube Beklagungsgrund sonst fruchten? Unsre Briefe sollen die Geschichte unsres Herzens, unsrer Gedanken und unsres Bestimmungskreises enthalten. Das wird uns auf die edelste Weise zusammenhalten, und wir werden für einander leben, indem wir so abgetrennt sind. Das wird eine süßere Gesellschaft sein, als wenn wir bei einander wären und durch fremde Mienen und eine Beklemmung des Herzens gestört würden, um das nicht sein zu können, was man sein will. Hier sind wir frei: mein Geist besucht Ihr Kämmerchen, und sucht Sie in dem meinigen, lieset und denket mit Ihnen, und theilt mit Ihnen ohne Rückhalt jede seiner Bestimmungen. Muß das nicht edler, besser machen? Und wollen Sie nicht in diese freudige Aussicht mit mir einstimmen? Thun Sie es, liebstes Mädchen, und schreiben Sie ja bald und genau, wie Sie sich seit gestern bei meiner Abreise befinden. Ich muß schließen, weil ich muß. Hier ruhe ein Kuß auf Ihr himmlisch sanftes Auge und Ihren armen zerküßten Mund. Ihr ganzes himmlisches Bild steht vor mir, und ich umarme es mit der inbrünstigen Thräne, die Ihr ganzes schönes Herz fühlt. Leben Sie recht wohl. Unser Scheiden ist kein Scheiden, als uns zum Besten.
Darmstadt gegen Ende April 1771.
Ja, mein ewig Geliebtester, ich habe Ihre letzte Bitte erfüllt, ich bin seit Samstag so gelassen und heiter, als ich die Tage nach unserm ersten Abschied, da wir uns kaum kannten und staunten, und ich eine Stärke da fühlte, die Berge versetzt hätte, gewesen bin; ich fühle sie jetzt wieder! und zehnmal lebhafter als jemals. Ach! der süße Gedanke, daß mir mein Herder mit seiner ganzen schönen Seele gut ist, daß er mich mit allen meinen Fehlern doch lieb haben kann, daß er mein Engel sein will, das erhöht mehr als alle Erdenglückseligkeit! Siehe, edel redlichster Freund, dies hebt mich über Trennen und Abschiednehmen und zehen Berge, die zwischen uns sind. Ach wenn Du das fühlest, wie sehr meine ganze Seele, meine ganze Empfindung nur in Dir lebt, daß sie nimmermehr von Dir gehen kann, wenn Sie mir dies reine, lautre göttliche Gefühl, das nur Seelen vereinigt, zutrauen, ach, mein Allerliebster, mein Einziger, dann küsse ich Deine Knie.
Aber lassen Sie mich auf die bittre Abschiedsstunde zurückgehen; dort an Ihrem Bette, wo Sie vielleicht zuweilen an mich gedacht und geträumt haben, haben Sie mich verlassen. Dachten Sie nicht, daß ich mich dahin legen werde, wo Sie gelegen? Ja, ich thats, und wie alle Thränen verweint waren, dann fühlte ich (o lassen Sie mir hier ein wenig Sinnlichkeit!), wie süße der Ort, wo Sie geschlafen. Ich wünsche mir es jetzt tausendmal in mein Kämmerchen oder mich in jenes Kämmerchen. Doch gut; ich durfte nicht länger als eine Stunde da liegen, Ihnen nachweinen, Sie umarmen und segnen; ich wurde nach Hause gerufen und fand meine Schwester um Sie weinen; ich hätte ihr beinahe in diesem Augenblick meine ganze Glückseligkeit erzählt, so gut war ich ihr; aber ich war stumm und bliebs Abend und Morgen darauf, bis Leuchsenring kam und mir sanft verwies, daß es thöricht und fast lasterhaft wäre, traurig zu sein. Mein Gott, dachte ich, welche niedre kleine Idee wird mein bester, ewiggeliebtester Freund, noch in der letzten Stunde von mir mitgenommen haben! wie sinnlich und körperlich und schwach wird er mich denken! Aber Sie thun mir unrecht, gute, liebste Seele! Es war nur der erste finstre Augenblick unsrer Trennung, der so ganz auf mich fiel. Ach, jetzt fühle ich es, daß unsre Seelen nicht getrennt werden konnten, und mit der größten Gelassenheit einer menschlichen Seele bete ich die Vorsehung an, die mir in meinem ganzen kleinen Leben immer fühlbar war, und wird auch jetzt nicht über uns walten? Komm, edle, himmlische Seele! wir wollen unserm guten Gott danken, daß er uns zusammengeführt hat; er weiß es am besten, warum wir jetzt getrennt sind – und sollt' ichs nicht auch schon halb wissen? Ich weiß es, ich bin noch nicht das, was ich für Dich, für Deine Gesellschaft sein sollte; jetzt habe ich Zeit, Munterkeit, Jugend, und alles noch nachzuholen. Welches Bild ist geschickter, mich zu Ihnen hinaufzubilden, aufzumuntern aus dem Seelenschlaf, der lang genug geschlafen worden, als eben Dein liebenswürdigstes, holdes Bild, das – o Gott, ich kanns nicht sagen, wie ichs anbete und umarme! – Aber verhehle mir keinen Zug daraus, mein Allerliebster; auf der ganzen Welt habe ich keinen Freund, wie Sie, und darf ich mirs frei sagen? keinen andern, für den ich mich ausbilde. Ach! wäre ich hierin nicht ganz unglücklich!
Ich hoffe, daß Sie die böse Darmstädter Luft ganz weggeathmet haben: mir blutet noch das Herz, wenn ich an diese Tage, die wir wahrhaftig ganz anders verdienten, denke. Alles, was ich von Leuchsenring stückweise und wie Funken herausgeschlagen, war dieses. Er hätte in Ihren ersten Umarmungen nicht die Wärme gefühlt, die er gehofft, und in Leyden so sehr an Ihnen gesehen, und dies mußte ihn natürlicher Weise zurückziehen. Er glaubt, daß Sie sich beide in dem Ideal, das Sie sich von einander gemacht, ein wenig geirrt, und daß Sie auf einem gewissen Punkt niemals zusammen kämen. Soll ich Ihnen noch mehr sagen? Ja, ich darf: Du bist ja meine Seele, der Vertraute meines Herzens, und es ist nicht eben so, als wenn ich mirs selbst sagte? Zum voraus sage ich Ihnen aber, daß er unrecht hat: er glaubte nämlich, daß Sie sich auch anders gegen mich hätten betragen können, und er habe bemerkt, daß Sie mehr in Ihrer Gelehrsamkeit als Empfindung lebten. Ich versicherte ihm heilig, daß ich völlig, völlig mit Ihnen zufrieden wäre, und daß mich allein meine Schwäche in Ihrer Gesellschaft niederschlage. Mein Gott, warum haben Sie sich hier nicht gegen einander erklärt? und warum hab' ich mit eine unselige Ursache sein müssen, die Saiten aufzulösen, und Leuchsenring versichert mich, daß es jetzt zu spät wäre, sich zu erklären; wenn Sie aber gewollt und ihn darum gefragt hätten, dann hätten Sie sich alles sagen können. Doch es sei, die Zeit mags erklären, wes herzverschlossene Freunde nicht thun wollten, und ich weiß gewiß auf Ihrer Seite zum Vortheil. Machen Sie inzwischen keinen Gebrauch von dieser Entdeckung, die mir nachtheilig sein könnte; ich weiß, daß er uns beide aufrichtig liebt. –
Leb wohl, ewig wohl, edle, himmlische Seele! ich bin bei Dir, wo Du auch sein magst, in Deinem Reisewagen, den ich mit der bittersten Wehmuth ansehen und hier bleiben mußte. Gott im Himmel segne Dich! Sei nur ruhig meinet wegen! Ich bin so heiter und gelassen, als ichs in meinem Leben nicht gewesen. –
Bückeburg den 27. Juni 1772.
Welche reiche, große Ernte an Briefen kommt mir heut, süßes Mädchen, auf meine so lange, lange Theurung! und von welchem Inhalt! Wo soll ich anfangen, wo soll ich endigen, über alle Ihre Liebe, Unschuld, Zutrauen und Zärtlichkeit des Herzens! O Gott, wie ists, wenn die Unschuld spricht! Und wie hab' ich je, wie kann ich je ein solch Herz verdienen. Wisse also, mein liebstes Mädchen, mein Stillschweigen ist nie Entfernung oder Zweifel oder Kälte des Herzens gewesen, sondern (ich schreibe aus der Tiefe meines Herzens) hat nie anders als von Armuth, Ehrlichkeit, Mißtrauen auf sich selbst und wahrer Hochachtung für Sie hergerührt. Zuerst, must ich sagen, wars Betäubung. Wo hätte ich denken sollen, Sie in Darmstadt zu finden und den Eindruck mitzunehmen? Ich war also anfangs ganz aus mir geworfen, ein Vogel ohne Nest, oder, wenn Sie comischer übersetzen wollen, ein Hase ohne Stätte. – Was konnte das Resultat sein? Leuchsenring kam dazwischen. Und was mußte ich mir nun von dessen Sprache denken? Und mußte ich nicht immer, schon als ein ehrlicher Mann, auf die leichte Möglichkeit horchen! Wie, wenns von Ihnen Ueberraschung gewesen wäre? und Sie zurückkämen? gekommen wären? Welche Infamie, ein so edles, weibliches Herz auch nur mit einem Zwirnfaden widrig fesseln zu wollen! Hier darauf in meiner Hochwürdigkeit – wie fand ich mich deplacirt! wie fremde war mir alles! wie erstaunend bezeugten Sie gleich von Anfange Widrigkeit für diesen Ort, auch nur bei dem kleinsten Anschlage! Endlich und vorzüglich und einzig: wenn ich nichts in der Welt besitze, so ist mir die Ehrlichkeit alles, ein Weib, die ich schätze und liebe, nicht unglücklich zu machen. Erste Unehrlichkeit also, sie in ein Bett einzuführen, das noch nicht gebettet, das von allen Seiten noch dürres Stroh ist.
Liebste Freundin! Die Eile, mit der ich schreiben muß (es ist Sonnabend spät!), und die Fülle des Herzens, aus der ich schreibe, machen meinen Brief so rüde und uneingefaßt; aber, meine Flachsland, wenigstens ist der glatte Kieselstein, den ich Dir so uneingefaßt gebe, ein Stein treuer Hand. Auch ich weiß wahrhaftig nicht, wie und was der Himmel noch aus mir machen wird? aber Offenheit und Ehrlichkeit sollen allein die Beziehungen sein, liebste Freundin, die mich ewig an Sie ketten sollen – und welcher ehrliche Mann kann mehr sagen? was Sie zu Ihrer Schwester, das sage ich zu Ihnen, mein liebes Mädchen: mein Herz kennt außer Ihnen nichts und soll in der Welt nichts kennen. Du mein liebstes Weib, oder ich ewig allein! Da stehen Sie also! hier ich! nur oben ist der, der das Ja spreche.
Wie warte ich auf die Stunde, liebstes Mädchen, da ich mit Ihnen nächstens mehr sprechen kann! Unsere Herzen sind entsiegelt! Keine Hand, die sie je wieder verstopfe. Wie vieles muß ich sagen!
Ich muß morgen zu Baum (ist ein Waldlusthaus des Herrn) und weiß noch von nichts! Montag denke ich nach Pyrmont! Wo es indessen sei, ich schreibe die erste Viertelstunde! Ohne Schmink und Schimmer, in Einfalt des Herzens, Redlichkeit und Wahrheit.
Schreiben Sie mir doch näher den Zustand mit dem Geheimrath, Landgrafen und Moser.
Darmstadt, den 26. September 1772.
Ich lehne mich an Deine redliche Brust und Herz, und kann nichts als weinen. Heute Deinen dritten Brief, Engel meines Lebens! Ich zerfließe fast in Thränen. Ach was bin ich, armes Mädchen, daß Du mich so lieb hast! was wird aus mir werden, wenn ich einmal bei dir sein werde, auf Deinem Schooß, an Deiner Engelsbrust – Dich selbst hören, lieben, über alles in der Welt lieben werde! wie kann ich, wie werd' ich das fassen! Du, Du, mein Herder, wirst mir Leben und Seeligkeit und Himmel und neue große Seele geben – aber ich Dir nichts – als gute, treue, ganze Liebe. Wie bange wird mir oft über mein Nichts! Du machst Dir ein ganz andres Bild aus mir, als Du finden wirst, und wie wirds dann sein? Ich denke immer furchtsam und freudig schauernd an unser Wiedersehen. Ewiges Band von treuester Liebe – edlem Leben und Würdigkeit! O Gott, bin ich das werth? werth eines solchen himmlischen Lebens? Es geht über alles mein Denken und Hoffen! Ich kann nichts davon reden; es ist nichts, und Deine Briefe, edelster Jüngling, sind alles, was Himmel und Elysium heißt. Hier sind meine leere, schwache verlangende Arme, die ich tausendmal des Tags nach Dir ausstrecke und um Deinen Hals werfe und die jeden Baum, der mir Schatten und Freude gibt, für Dich, mein Einziger auf der Welt umfassen. O wie wird mirs sein, Dich wiederzusehen, Dich selbst zu umfassen – Dein ganzes, edles, erhabenes Herz in meinen Armen! Wie wollen, werden und können wir einst zusammen leben, wenn Du mich erst durch Deine Gegenwart und Aufmunterung neu geschaffen hast! Gott wird Dein edles Herz belohnen! ich kann nichts als niederknien und für Dich beten. Aber meine Kräfte will ich anwenden, Dich zu lieben; nichts Süßeres ist für mich auf der Welt. O ihr goldenen Träume, wann werdet ihr erfüllt? wann können Sie sich einmal aus Ihrer traurigen Oede und Lage (mein Herz bricht mir, wann ich an Ihren einsamen Zustand in Bückeburg denke) losreißen, um uns nur wenigstens einige Tage zu sehen, zu sprechen! Wie viel hätten wir uns zu sagen und – sehen mußt Du mich noch zuerst und Dein Herz prüfen, ob ich Dir denn auch noch gefallen kann, wenn ich sichtbar um Dich bin. Ach Gott, das erwarte ich wie ein Todesurtheil. Können Sie künftiges Frühjahr herkommen, uns nur zu sprechen, liebster, einziger Freund? von unsrer künftigen glückseligen Hütte, von unsrer Liebe, von unserm ewig treuen Bande, was hätten wir da zu sprechen, und holten neuen Muth und Hoffnung in unsre Arme und Herz! Wenn Du es möglich machen kannst, so komme, holder, süßer, einziger Freund, nach dem trüben Winter zu mir. Ach wie lang wird mir der Winter werden! zumal Dich so einsam zu denken! O wär er doch vorbei, und wir könnten zusammen in einem neuen Leben wandeln! Doch wirst Du auch künftiges Frühjahr kommen können?
Was soll ich sagen? Du wartest auf einen Wink, auf den Aufschluß meiner Seele? Was soll ich sagen, Engel meines Lebens? weißt Du denn nicht, daß Du handeln kannst, wie Du willst, Lieber, daß ich nur ganz nach Deinem Willen, nach Deiner Einrichtung lebe – daß ich in einer armen, niedrigen Hütte schwarzes Brod mit Dir esse und gesundes Wasser mit Dir trinken will, und eben so glücklich und vielleicht glücklicher sein werde als im Glanz der Welt. Ach warum sind wir nicht näher beisammen, damit mein Herder nicht fragen müßte: ob mein Herz ihn verstände? Guter Gott, laß mich doch nie so sinken, daß ich die Großmuth und edle Seele meines Herders verkenne! Rede, rede, Engel Gottes, was Dein Herz verlangt, wünscht, hofft, will – Du weißt, daß ich mit Ruhe und Zufriedenheit Deinen Ausspruch höre, wenn es uns auch noch Jahre lang (aber das verhüte Gott!) entfernte. O hätte ich Deinen Lebensplan einzurichten und das Vermögen dazu, die Wolke, die Dich umgibt, sollte heute zerfließen, und ich würde heute zu Dir fliegen und Deine Trösterin, Pflegerin und – gutes Weibchen werden – aber leider, mich ist alles Gute zu thun in der Welt versagt! Hoffen wir und werden nicht müde, uns zu lieben; wie groß und köstlich wird einmal unser Leben sein! mein Lohn unendlich groß! – –