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Pestalozzi an Anna Schultheß

Anna Schultheß war sieben Jahre älter als Pestalozzi und ward dem Liebesbund nur langsam geneigt. Nach Überwindung vieler Widerstände siegte Pestalozzis Herzensneigung.

(1767–1769)

... Mademoiselle, ich suche vergeblich meine Ruhe wieder. Ich sehe es, meine Hoffnungen sind verloren, ich werde die Strafe meiner Unachtsamkeit mit einem ewigen Kummer büßen. Ich habe es gewagt, Sie anzustaunen, mit Ihnen zu reden, Ihnen zu schreiben, Ihre eigenen Empfindungen zu denken, zu fühlen, Ihnen zu sagen. Ich sollte die Schwäche meines Herzens gekannt und solche Gefahren vermieden haben, wo jede Hoffnung verschwindet, was soll ich nun thun? Soll ich schweigen und im stillen Gram mein Herz verzehren? Nein, ich will nicht schweigen! Es wird Erleichterung für mich sein, wenn ich weiß, daß ich nichts hoffen darf. Aber was hoffen? Nein ich darf nichts hoffen! Sie haben Menalk gesehen, und ihm gleich muß der Mann sein, den Sie lieben können. Und wer bin ich? welcher Abstand!...

Anna Schultheß an Pestalozzi.

... Eben da ich dachte, daß sie wieder anfingen die seligen Stunden, daß mir Menalk auf einige Art ersetzt war, und in meinen einsamen Stunden dem Höchsten für dies Vergnügen feierlich dankte, kamen Sie mit ihrem unerwarteten Vorschlag ... Alter sowohl als andere Umstände ließen mir keinen derartigen Gedanken aufsteigen. Wissen Sie wohl mein Freund, ich habe nur noch drei Jahre, so ist mein Lenz dahin ...

Anna Schultheß an Pestalozzi.

Mein teurer Freund, den ich gewiß nicht ohne die besonders gütige Leitung d«r Vorsehung mußte kennen lernen, den ich nicht angefangen habe zu lieben, bis ich seiner Tugend, seiner Vorzüge, seines edlen Herzens ganz überzeugt war – Freund, Sie halten jede Prüfung aus. Ich will meinen Empfindungen folgen, ich will ihnen trauen, sie sind rein, sie sind auf wahre Verdienste gegründet. Ich will Sie für immer beruhigen, bester unter allen Jünglingen! O mein Gott, mein Vater, stehe mir bei! Ich will jetzt dem allerwichtigsten Stande meiner Bestimmung entgegen gehen. Ich bat Dich oft, Allgütigster, daß Du mein ganzes Leben hindurch mich leiten wolltest. Ich erkenne diese Entschließung als Deine Leitung mit dem gerührtesten dankbarsten Herzen. Es geht dahin, mein Herz und meine Hand einem Manne zu schenken, der sie beide verdient, einem Manne der sich Dir und der Tugend schon früher geweiht. An seiner Seite bin ich glücklich. Er führt mich auf Dir gefälligen Wegen meiner wahren Bestimmung immer näher, ich werde durch ihn vollkommener. Ach Allgütigster und Allmächtigster stehe auch bei ihm und segne seinen Entschluß! Er gehet dahin, sein Herz und seine Hand mir zu schenken. Er erwartet von mir Ermunterung zu jeder edlen That. Ach segne uns beide! Laß es gelingen, den ernsten Vorsatz auszuführen: immer vollkommener zu werden! Siehet die alles durchdringende Macht allzuviel Schwäche zur Ausübung dieses Vorsatzes, so laß uns durch Deine Fügungen den widrigen Ausschlag dieser für uns so wichtigen Sache ohne Murren erwarten. Alles, was Du thust, ist das weiseste, das beste. Und nun mein geliebter, mein edler, mein teurer Freund! Falle auch Du nieder auf Deine Kniee und bete den Allmächtigen an, und erflehe von ihm, daß er uns glücklich mache! Ich will dich lieben, so lange Du der Tugend getreu bist, und Du wirst ihrer nicht ungetreu. Ertrage meine Fehler mit Nachsicht, strafe sie gelinde, aber schweige still dazu, ich werde sie bessern. Empfange mit dem wenigen Guten, so ich an mir habe, die Belohnung für Deine in tiefem Kummer verbrachten Stunden! Ich hatte auch solche, mehr als Du weißt, mit Absicht nicht weißt. Sie werden uns alle belohnt, denn unsere Absichten sind edel. Ich liebte nicht ungeprüft. Komm, wir wollen standhaft unser weiteres Schicksal erwarten; wir wollen bei unserer Liebe tugendhaft sein. Meine Entschließung ist wie die Deine. Werde ich den Schmerz erfahren müssen, Dich zu verlieren, so will ich gar nicht mehr lieben. Nein, Rechtschaffener, ich kenne niemand, der Dir ähnlich ist. Wie konnte ich es thun. – Aber weg mit diesem kummervollen Gedanken! Auch das bestimmte der Höchste. Wir wollen nie über seine Führung murren. Ist es sein Wille, so muß es gelingen. Ich will durch die verwirrten Wege mit Dir gehen! ...


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