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Bismarck an seine Braut

An
Fräulein von Puttkammer
Hochwohlgeboren

Reinfeld bei Zuckers
Hinterpommern.

Jerichow. Freitag, 29.1.47.

Angela mia

Ich bin glücklich hier eingetroffen, habe alles abpatrouilliert, und mich zu meinem Kummer überzeugt, daß ich wie gewöhnlich zu früh gekommen bin. Das Elbeis liegt noch fest und alles ist in bester Ordnung. Ich ergreife eine müßige halbe Stunde in einem sehr schlechten Wirtshaus, um Dir auf sehr schlechtem Papier zu schreiben, wenn auch nur wenig Worte. Meinen Bruder und Malwine habe ich flüchtig gesehen, und beide entzückt über die mit mir vorgegangene Veränderung gefunden. Gestern abend in Berlin habe ich Bernhard besucht, ohne ihn zu Hause zu finden, und mich dabei mit Schrecken überzeugt, daß ich außer den vielbesagten Würsten auch die Briefe der Tante aus Versin nicht bei mir habe, und ohne Ahnung bin, wo sie sich befinden. Sind sie vielleicht in Reinfeld geblieben, so schicke sie doch gleich. Ich habe Bernhard schriftlich auseinandergesetzt, ein wie schlechter Kommissionär ich bin, und glaube, daß mich die Tante als solchen nicht mehr benutzen wird.

Sobald das Wasser (was übrigens noch gar nicht gekommen ist) verlaufen sein wird, fliege ich wieder nach Norden, die Blume der Wildnis, wie mein Vetter sagt, aufzusuchen. Sobald ich in Schönhausen zur Ruhe bin, schreibe ich Dir ausführlicher, für jetzt nur dies Lebens- und Liebeszeichen, die Rosse stampfen, wiehern und bäumen vor der Tür und ich habe heut noch viel vor. Die herzlichsten Grüße an Deine, oder j'ose dire, unsre Eltern. Sans phrase der Deinige von Kopf bis zur Zehe. Küsse lassen sich nicht schreiben. Leb wohl.

Bismarck.

Schönhausen, 21. Febr. 47.

Johanna, Du bessere Hälfte meiner oder unserer! Deinen Brief vom 18. empfing ich heut, und sage Dir zuerst meinen innigen Dank, für die herzliche Liebe, die mich aus ihm anspricht. Liebe kennt keinen Dank und erwartet keinen, sagt jemand, Dank ist ein kaltes Wort. Schadet nicht, ich fühle Dankbarkeit gegen Dich, und liebe Dich doch. Ich empfing Deinen Brief heut nachmittag, und konnte mich nicht gleich hinsetzen, Dir zu antworten, weil ich einer langweiligen Einladung genügen mußte, und meine Abreise bis 3 aufgeschoben hatte, um die Post erst zu erhalten. Eben komme ich zurück, kalt, naß und geärgert durch die faden Leute, aber ein paar Zeilen muß ich heut noch schreiben. Ich beantworte Deinen Brief seiner Reihenfolge nach. Deichhauptmann zu sein, ist allerdings in diesem Jahr sehr fatal, wenn man eine Braut in 70 Meilen Entfernung hat. Seit vorigem Sonntag ist Tauwetter, seit einigen Tagen erwartete man das Aufgehen des Stromes, und noch ruht er. Dabei erhielt ich vor einigen Stunden eine Stafette, daß das Eis bei Dresden und in Böhmen seit 2 Tagen in Gang ist; eine gefährliche Sache, wenn es sich oben eher löst als hier, die uns viel Übles bringen kann. Morgen, spätestens Dienstag muß es nun hier in Gang kommen. 14 Tage ist der kürzeste Termin, in dem das Stück ausgespielt haben kann, mitunter dauert es 6, meist 3 bis 4 Wochen. Meine sentimentalen Tiraden in bezug auf arme Leute und Reisekosten werden wahrscheinlich Redensarten bleiben, und meine Tugend wird nicht auf die Probe gestellt werden, da der Dienst mich vermutlich nicht viel vor Mitte März freilassen wird, abgesehen von allen verschiebbaren Terminen. Jedenfalls will ich mich bemühen, daß der auf den 20. angesetzte Ritterschaftskonvent frühergelegt wird. Sage mir, mein Engel, Du schreibst mit so vieler Ernsthaftigkeit über Portoskrupel; bin ich oder bist Du der Pommer, der keinen Scherz versteht? Glaubst Du wirklich, daß mich das etwas angeht, wieviel Porto ein Brief kostet? Daß ich einen weniger schreiben würde, wenn es zehnfach wäre? Diese Idee stimmt mich ungemein heiter, wenn das Dein Ernst war, wie ich nach der Fassung beinah glaube; und wenn ich Karrikatur zeichnen könnte, so würde ich Dir mein Profil so sarkastisch-sardonisch-ironisch-satirisch an den Rand malen, wie Du es noch nie gesehen hast. Du erinnerst vielleicht, daß ich mich in Zimmerhausen schon über Deinen Mut gewundert habe, mich, den Halbfremden, anzunehmen in der Eigenschaft, dans laquelle mé voilà; daß Du mich aber so wenig kennst, daß Du mich, den geborenen Verschwender, für geizig hältst, zeigt, daß Du Dich mir in blindem Vertrauen hingegeben hast, in Vertrauen, wie es nur eine Liebe geben kann, für die ich Dir Hände und Füße küsse. Du mein Herz, wie wenig kennst Du die Welt! Warum verklagst Du Deinen letzten Brief so sehr? ich habe nichts darin gefunden, was mir nicht lieb und lieber gewesen wäre. Und wäre es anders, wo solltest Du künftig eine Brust finden, um zu entladen, was die Deine drückt, wenn nicht bei mir? Wer ist mehr verpflichtet und berechtigt, leiden und Kummer mit Dir zu teilen, Deine Krankheiten, Deine Fehler zu tragen, als ich, der ich mich freiwillig dazu gedrängt habe, ohne durch Bluts- oder andere Pflichten dazu gezwungen zu werden? Du hattest eine Freundin, zu der Du zu jeder Zeit flüchten konntest, von der Du nie abgewiesen wurdest; vermissest Du die in diesem Sinne, in dem Bedürfnis? Meine liebe, liebe Johanna, muß ich Dir nochmals sagen, daß ich Dich liebe; san phrase, daß wir Freud und Leid mit einander teilen sollen, ich Dein Leid, Du das meine, daß wir nicht vereinigt sind, um einander nur zu zeigen und mitzuteilen, was dem andern Freude macht, sondern, daß Du Dein Herz zu jeder Zeit bei mir ausschütten darfst, und ich bei Dir, es mag enthalten was es wolle, daß ich Deinen Kummer, Deine Fehler, Deine Unarten, wenn Du welche hast, tragen muß und will, und Dich liebe wie Du bist, nicht wie Du sein solltest oder könntest? Benutze mich, brauche mich, wozu Du willst, mißhandle mich äußerlich und innerlich, wenn Du Lust hast, ich bin dazu da für Dich, aber »geniere« Dich nie und in keiner Art vor mir, vertraue mir rückhaltlos, in der Überzeugung, daß ich alles, was von Dir kommt, mit inniger Liebe, mit freudiger oder geduldiger, aufnehme. Behalte nicht Deine trüben Gedanken für Dich und blicke mich mit heitrer Stirn und fröhlichen Augen an dabei, sondern teile mir in Wort und Blick mit, was Du im Herzen hast, mag es Segen oder Leid sein. Sei niemals kleinmütig gegen mich, und erscheint Dir etwas in Dir unverständig, sündhaft, niederdrückend, so bedenke, daß all dergleichen in mir tausendmal mehr vorhanden ist und ich davon viel zu sehr und innig durchdrungen bin, als daß ich dergleichen bei andern geringschätzig betrachten sollte, bei Dir mein Herz aber anders als mit Liebe, wenn auch nicht immer mit Duldung, wahrnehmen könnte. Betrachte uns als gegenseitige Beichtväter, als mehr wie das, die wir nach der Schrift »ein Fleisch« sein sollen.

Den 22. früh.

Soeben werde ich jählings den süßesten Träumen entrissen, mit der Nachricht, daß das Eis sich in Bewegung setzt; an und für sich eine sehr günstige. Das Wasser steigt stündlich 1 Zoll und wird vermutlich so und etwas langsamer, wenn keine Eisstopfung eintritt, beibleiben, bis es 10 Fuß bis 12 höher steht als jetzt. Wie lange es dann in solcher Höhe bleibt, davon hängt es ab, wann ich Dich sehe. Denn ich werde am Ende doch zu Dir kommen müssen, sobald die Elbe mich losläßt, trotz Kreistag und allem, Du wirst mir sonst blässer und blässer bis zur Unsichtbarkeit. Zu dem Ritterschafts-Konvent muß ich aber hier sein. Ich kann nur noch während gesattelt wird ein paar Zeilen schreiben, und das tut mir herzlich leid, da ich gestern abend so sehr lehrreich gewesen bin, so wollte ich Dich heut noch recht streicheln, bis Du behaglich geknurrt hättest, aber wer weiß, wann ich wieder schreiben kann in den ersten Tagen, und da will ich den Brief, so kurz er ist, nicht noch aufhalten. Bemühe Dich nicht, eine steife glatte Hecke zu werden von Hause aus. Die kann kräftig und grün nur dann dastehen, wenn sie wild hinauswächst und vom Gärtner mitten durchs Leben beschnitten wird, und das werde ich ja doch nicht über mein Herz gewinnen; wachse beliebig als Waldrose; das häßliche Moos und die allzuscharfen Dornen wollen wir uns beide bemühen schmerzlos oder doch vorsichtig zu entfernen. Leb wohl, die Eisschollen spielen mir den Pappenheimer Marsch zum Ruf, und der Chor der berittenen Bauern singt »Frischauf, Kameraden«. Warum tun es die Klötze nicht wirklich? wie schön wäre das und wie poetisch. Es weht mich wie frisches Leben an, daß dies langweilige Warten vorbei ist und die Sache vorgeht. Heut nacht »steh ich in finstrer Mitternacht«, und Du »schickst ein fromm Gebet zum Herrn, wohl für den Liebsten in der Fern«. Mit Jakobi 5. 16 hast Du ganz recht, es war damals nur so eine augenblickliche schiefe Idee von mir, und ich gedenke Deiner, wenn ich bete, Je t'embrasse.

Dein Knecht B.

Von Moritz noch immer Kein Wort.

Schickt mir doch das Kuvert von dem Brief, der 5 Tage gegangen ist, ich will mich in Berlin darüber beschweren.


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