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Hebbel an seine Frau Christine.

München, den 22. Februar 1832.

Meine teuerste Christine!

Weißt Du, was mich diese drei Tage aufrecht gehalten hat? Einzig und allein der Gedanke an Dich oder vielmehr das Gefühl von Dir! So bist Du mir niemals nah gewesen wie diesmal. Mir war wirklich, als ob die Mütze, die Du mir noch ganz zuletzt mit rührender Emsigkeit stricktest, elektrische Funken ausströmte, ich glaubte zuweilen von Deinen eignen Fingern berührt zu werden, was mir immer so wohl tut! Mit Deinem Kaffe ging ich so sparsam um, daß ich erst auf der Station vor München die letzten Tropfen trank! Ich grub mich hinein in Dich, sah Dein teures Angesicht über mich geneigt, faltete die Hände und schloß die Augen! Das war ein Bild, das mir, wie gemalt, vorschwebte, obgleich ich selbst ein Teil davon war; es gibt ja auch im Wachen solche Traumzustände, worin sich alles durcheinander schiebt. Diese einzelnen Momente meiner Reise soll man gern zu meinen Freuden rechnen, denn süßere habe ich nie gehabt, nur nie sie selbst als solche! Dann rief ich so halblaut vor mich hin: Du guter, guter Pinscher! und in diesen Ausruf ging mehr von meinem Herzen hinein, als in tausend Gedichte! Das glaube mir, und darin liegt der Grund, warum bedeutende Dichter so selten oder nie auf Wesen, die zu ihnen gehören und von denen sie sich in ihrem eigenen Bewußtsein kaum noch geschieden fühlen, ein Gedicht machen. Sie können sich ja auch da nicht verleugnen, sie müssen ja auch in einem solchen Fall nach der höchsten Vollendung der Form streben, da sie, wenn sie das nicht wollen, ja beim Brief oder beim simplen Wort stehen bleiben können, und die Form erkältet alles Subjektive, da sie verallgemeinert! Auch habe ich persönlich ein Gefühl dabei, als ob ich auf mich selbst dichtete, da es wahrscheinlich keine Phrase ist, daß Mann und Weib eins sind! Bei Liebenden ist das etwas anderes, sie sollen erst eins werden und gleichen einem edlen Wein, der in zwei verschiedenen Pokalen funkelt; es ist wenigstens äußerlich noch eine Trennung.

Heute bist Du zu Tisch bei der Feuchtersleben, gestern warst Du im Kunstverein. Wie freut es mich, daß ich das weiß! Schreib mir alles, was Du machst und tust, das Geringste interessiert mich jetzt mehr, als Sonne, Mond und Sterne! Es ist zehn Uhr, ich muß gehen. Ob ich was ausrichte? Gleichviel! Wenn nicht, so bin ich um so eher wieder bei Euch und das entschädigt für alles! Ich hoffe, Dein Lebenszeichen an mich ist schon unterwegs! Den Freunden herzliche Grüße, dem Titele, was beiliegt, Dir Gruß, Kuß und Umarmung!

Dein
Friedrich.


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