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Heinrich Stieglitz an seine Braut Charlotte Willhöfft

Charlotte Stieglitz gehörte zu jenen Frauen, die einen Helden zum Manne haben wollen und die unglücklich werden, wenn der Erwählte sich als das Gegenteil entpuppt. Um Heinrich dichterisch zu befeuern, aufzurütteln, erdolchte sie sich – am 29. Dezember 1824 –, ohne daß durch das Opfer der Gatte seinem Philistertum entrissen worden wäre. S. Theodor Mundt, Ch. St. ein Denkmal. Louis Curtz, Briefe von H. Stieglitz an s. Braut. Leipzig 1839.

Zeitz, am 14. September, abends 11 Uhr.

Niemand wacht mehr als die kleine Grille
Und Dein Jüngling, ewig nahe Dir.

Zum ersten Male, Du teures, teures Mädchen, begrüß' ich Dich schriftlich aus der Ferne; mein Herz hat Dich tausendmal begrüßt; Du warst immer bei mir, wie Du immer in mir bist; bald saß ich neben Dir in der Laube, bald begleitete ich Dich in den Garten, und dann warest Du wieder bei mir, wie ich an meinem Homer mich setzte. Du begrüßtest mit mir die ersten Hügel, Du hast mich angeblickt, als Ruhe und Mahl den müden Wanderer erquickten; und so segnet auch jetzt Dein Kuß meine Ruhe, Geliebteste. Schlummere süß, Du Traute.

Hof, den 17., mittags, nahe der weiten wüsten Brandstätte.

Wie ich besser geworden bin und ganzer und inniger, voller und reicher in jedem Gefühl, das sagt mir jeder Augenblick, jegliches Anschauen, jede Empfindung. Meine Sehnsucht war heftiger zu Dir geworden, als ich nicht mehr das Gegengewicht anstrengender Bewegung hatte; ich saß in dem rollenden Wagen festgebannt und hing mit unendlichem Verlangen an Deinem Bilde. Aber wie ganz anders dies Verlangen als jedes frühere, wie einig mit mir selbst, wie reich an Wonne selbst die Sehnsucht; so muß ein reiner Geist sich nach dem Lichtglanz des Sternes sehnen, dem er zugehört, so ist das Sehnen nach Wahrheit, nach Licht; da ist kein Zwiespalt, kein Sturm; wie eine leichte Frühlingswolke vor der Sonne schwebt dies Gefühl vor dem inneren Leben vorüber; ich fühle Deine Nähe und hell wird es wieder und freudig. Du Alleinige! Derselbe.

Donnerstag abends um neun.

Freundin meiner Seele!
Innigst geliebte Charlotte!

Draußen regnet's; die Leute klagen, es sei kalt; in mir ist's warm, Du glühst in meinem Innersten, ew'ge Frühlingssonne.

Gestern abend, nachdem ich Deinen lieben Brief erhalten, ging ich mit dem Parsen hinaus zu Werder, der sich eine Wohnung im Tiergarten gemietet hat, so recht in einem Blütenmeere (ich hab' ihm versprechen müssen, auch mit Dir einmal hinauszukommen); unser Stern blickte freudig nieder wie zum ew'gen Seelenbunde; hattest Du ihm Grüße aufgetragen? – Damit Du armes Kind Zeit habest, Dich in Dein Schicksal zu finden, daß Du nicht lange mehr Heinrichs Bräutchen sein sollst, schick' ich diesen Brief schon morgen ab. Sei nur nicht gar so traurig, willst Du? – Lottchen, heute über sieben Wochen sind wir zusammen auf der Reise; fürchtest Du Dich nicht, so ganz allein mit mir zu sein, ohne Mütterchen, ohne irgend einen Beschützer als den grausamen Mann, der sein liebes, holdes, treues Bräutchen verstoßen will? Ja, Charlotte Willhöfft, treue, liebe, teure Seele, Dich verstoß ich, um Charlotte Stieglitz mein zu nennen. O des wunderbaren, sel'gen Wechseltausches, Seel' in Seele, Seel' um Seele! Zürne mir nur immer, Du Geliebteste; ich lösche Deinen Zorn mit sel'gem Wonneüberguß von unzählbaren Millionen Küssen. Grüße mir Charlotte Willhöfft, meine herrliche Freundin, noch sechs Wochen lang jeden Abend und flüstere ihr beim Schlafengehen in die Seele, daß ich sie am 9. Juli zu umarmen gedenke, so herzinnig, daß keine Spur mehr von Charlotte Willhöfft übrig bleibt, wird sie darum zürnen? – – –

Am Morgen des 10. Juli.

Nicht mehr Du dann, wie ich nicht ich mehr. Du bist ich, und ich bin Du, und eins im andern ewig. Hörst Du's? Ewig.

Nun aber auch für heute genug; mein Herz pocht zu gewaltsam.

Und nun an Deinem Herzen, du mein Seelenmädchen, gute Nacht, und halte Dich nur ja recht wohl und munter; auch sorge ich dafür, daß in voller Jugendfrische Dir entgegeneile Dein in jedem Pulsschlag glücklicher, geliebter Heinrich.

Charlotte Willhöfft an Heinrich Stieglitz.

... Ach, daß ich auch nur eine Seele hier hätte, die meine Freude zu teilen vermöchte! Aber nein, niemand ist hier, gegen den ich mich auch nur auszusprechen wagte, wenn es mir so recht warm ums Herz ist. Höre, Heinrich, es ist etwas ganz Eigenes auf die Länge der Zeit, wenn man sich selbst so ganz verleugnen, so ganz aufgeben muß an Menschen, von denen man weder gekannt, noch verstanden wird ... Oh, es ist aber auch ein Himmel, diese Liebe! Wie schön liegt jetzt das Leben vor mir! Ich fühle eine Aufgabe, die ewig neuen Reiz für mich haben wird, nach der ich mich schon frühe, beinahe zu frühe gesehnt! Ich bin mir jetzt eigentlich erst recht klar geworden, wovon ich in meinem vierzehnten und fünfzehnten Jahre schon oft in meiner Einsamkeit träumte; ich wollte eine Aufgabe im Leben lösen, und zwar keine geringe; sonst, das ist wahr, wollte ich lieber sterben, und konnte mich dann selbst glühend danach sehnen, aber auch nur dann. Ja, von großer, hoher Liebe habe ich doch wohl schon damals geträumt, darum dieser zu frühe Ernst; denn wenn ich um mich her sah, konnte ich ja nicht an die Möglichkeit dieser Erfüllung glauben, und dennoch trug ich diesen Gedanken oft mit mir herum; ach, es war wohl ein Ahnen kommender Seligkeit!

Charlotte Stieglitz an Heinrich Stieglitz.

Leipzig, 20. November 1828.

Guten Morgen, mein Heinrich!

Laß mich Dich erst anders wiedersehen, ehe Du viel von mir verlangst; ich fürchte, meine unbegrenzte Liebe könnte Dich diesmal schmerzlich verwunden. Es ist hart, sehr hart zu sehen, daß der, den man über alles gern glücklich wissen möchte, sein eigener Feind ist, sich beständig selbst quält, damit der Traum von ewiger Jugend ja noch bei Zeiten vernichtet wird. Wehe Dir und mir, daß Du Dich zum Dichter berufen glaubtest, wenn Du in der Anwendung aller Deiner Kräfte nicht schon Befriedigung findest! – in Freudigkeit mußt Du schaffen, und was dawider, das ist vom Übel! Stellst Du Dir aber eine Aufgabe über Deine Kräfte, so erscheint mir dies sündlich, denn nach Vollendung derselben wird der Geist wahrscheinlich krank zusammensinken und der Körper dazu. Lebe wohl!

Deine Charlotte.

An denselben.

Unglücklicher konntest Du nicht werden, Vielgeliebter! Wohl aber glücklicher im wahrhaften Unglück! In dem Unglücklichsein liegt oft ein wunderbarer Segen, er wird sicher über Dich kommen! Wir litten beide ein Leiden, Du weißt es, wie ich in mir selber litt; nie komme ein Vorwurf über Dich, Du hast mich viel geliebt! Es wird besser mit Dir werden, viel besser jetzt, warum? ich fühle es, ohne Worte dafür zu haben, Wir werden uns einst wieder begegnen, freier, gelöster! Du aber wirst noch hier Dich herausleben, und mußt Dich noch tüchtig in der Welt herumtummeln. Grüße alle, die ich liebte und die mich wiederliebten! Bis in alle Ewigkeit!

Deine Charlotte.

Zeige Dich nicht schwach, sei ruhig und stark und groß!


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