Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Joseph von Görres an seine Braut

Görres Briefe an seine Braut Katharina von Lasaulx hat Maria Görres herausgegeben (S. Josef von Görres, 1. Bd. Familienbriefe, München 1858).

Am l. Germanial, 7. 8. (22. März), morgens 2.

»... Wenn Dich alles verläßt, dann wirf Dich an mein Herz, dem Du alles bist, das in Dir seine Welt findet, und Du sollst Dich mit Deinem Geschicke wieder aussöhnen.« O Liebe, was diese Stelle meinem Gefühle so unbeschreiblich wohltut, wie ich mich an ihr erwärme, daß ich Deine Abwesenheit vergesse, und nur Sinn für mein Glück behalte, ein solches Glück gefunden zu haben. Was wäre ich, wenn mein Geschick nicht zu allem übrigen auch diese erste und größte aller Wohltaten hinzugefügt hätte, wenn es mich einsam gelassen hätte mein Leben hindurch, oder zerpflückt vor ihrer Blüte die Liebe, deren Wurzel es mit allen meinen Jugendfreuden verflocht. Unter zehn Millionen Fällen bringt der Zufall nur einmal drei Sterne einander so nahe, wie sie im Orion stehen, sind mehr Treffer bei der Annäherung verwandter Seelen? Nein, nur Du warst für mich, so wie Du da lebst und webst, so bedurfte ich Deiner, zerreiße dies Band und mein Herz fällt auseinander, es ist aus mit ihm. Ich berechne mit Schaudern, was dann aus mir werden könnte, ein kalter, kalter Menschenhasser mitten unter Schutt und Graus auf der Brandstätte seines ehemaligen Glückes. Aber nicht wahr, das kann nicht so werden, mein Leben ist nicht abgeteilt in eine helle glänzende und eine dunkle schwarze Schattenseite? Bei Dir werde ich mich bewahren vor Erkältung und Überdruß, an Deinem Herzen finden, was alles außer mir sonst mir versagt. Aber ich weiß ihn auch zu würdigen, diesen Schatz, ich bewahre ihn dort, wo keine Zeit und kein Zufall ihn mir zu rauben vermag, wenn ich so manchmal sinne, womit ich Dir für Deine Liebe danken soll, dann fällt mir gar nichts ein als Gegenliebe, gar nichts sonst, alles andere ist nichts. Noch denke ich mir manchmal lebhaft, wie ich Dir Dein künftiges Leben erheitern, wie ich alles von Dir abwenden werde, was Deinem Herzen wehetun könnte, wie ich in diesem Herzen ein Eden der angenehmsten, wohltätigsten Gefühle hervorrufen will, um mich dann in Deiner Freude zu freuen, und in Deiner Zufriedenheit zu leben. Da verliere ich mich dann in diesen schönen Bildern, und nur mit Unmut sehe ich mich von irgend einem rauhen Akzente in meiner Freude gestört, und an die Kluft erinnert, die noch zwischen jetzt und künftig liegt. –

Die wahre Liebe ist unermeßlich und deswegen unzerstörbar für alle Zeit. Einen kleinen Raum im Herzen einnehmen, das mag sie, aber nie, nie ganz sich daraus verlieren, und ich möchte nicht angefangen haben zu lieben, wenn ich je aufhören könnte. –

Auf Wiedersehen!


 << zurück weiter >>