Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Friedrich Gentz an Elisabeth Graun

Friedrich von Gentz' Chamäleonsnatur bewährte sich auch in ihren Liebesneigungen. Die Liebe war Gentz mehr ein glänzendes Spiel als Enthusiasmus, so fragmentarisch man darüber aus seiner Korrespondenz unterrichtet wird. S. Schlesier, Briefe und vertraute Blätter von Friedrich von Gentz, Mannheim 1838.

Berlin, den 20. Januar 1787.

Aus dieser großen, furchtbaren Einöde der Welt hebe ich mein Haupt und meine Stimme einmal zu Ihnen auf, Theure, erste, einzige, unvergeßliche Freundin, und sehe mit Thränen, die mich fast vom Schreiben hindern, auf den unermeßlichen Zwischenraum, der uns trennt.

Uns? – Nein! Uns trennt nichts. Unsre Seelen hängen zusammen, und keine Ewigkeit zerreißt dies himmlische Band. Aber die Masse von Staub, mit der sie verbunden wurden, und die Umstände, in die sie geworfen – oft geschleudert sind, o meine Graun! die sind mächtiger, scheinen mächtiger zu sein, als wir. Als wir? Sollte das sein?

Glauben Sie nicht – bei dem Schimmer von Glückseligkeit, worauf Sie vielleicht noch hoffen, glauben Sie nicht in einer unglückseligen Stunde der Verblendung, daß ich Sie vergesse, und daß ich glücklich bin. Ich bin es nicht, ich werde es nicht sein. Ohne Sie glücklich sein – ich würde rot werden vor Scham, wenn der alberne Gedanke mich ergriffe. Ich konnte und sollte nur mit Ihnen glücklich werden.


Angebetete, göttliche Frau! Sie allein, Sie hätten der Schutzengel meines Lebens sein müssen, war es mir vergönnt mit Ihnen – abscheulicher Gedanke, jetzt! nein! nur bei Ihnen, nur unter Ihren Augen meine Tage hinfließen zu sehen, ich weiß es, dann wäre ich glücklich gewesen. Meine köstlichsten Gefühle nähren und stärken, meine moralischen Ideen realisieren, meine herzliche Liebe zur Tugend beleben und halten, das konnten nur Sie! – Ich werde nie glücklich sein.

Es vergeht kein Tag, keine Stunde keines Tages, wo ich nicht an Sie, vortrefflichste Freundin, mit Wärme und Lebhaftigkeit dächte. Aber was hilft's? Ich sehe, ich höre Sie nicht, ich weiß nicht einmal, wie Ihr Schicksal mit Ihnen umgeht, wenn Sie todt wären, wäre ich nicht unglücklicher.


Wären Sie immer bei mir gewesen – ehemals, ehe ich Sie kannte – so hätte ich mir die Demüthigung erspart, ein Mädchen zu lieben, die nicht werth war, daß ich Ihr Freund war, weit unter mir in allen wahren Vorzügen, die mich elend gemacht hat, da sie nicht einmal verdiente, mich glücklich zu machen. Wären Sie jetzt bei mir, so würde ich nicht so oft meines Rangs in der Schöpfung vergessen, und aus Verzweiflung meine Freundschaft – und Gott gebe, nur nicht meine Liebe – verschleudern, weil ich sie nicht nach Würden verschenken kann.

3. Februar.

Getrennt von Ihnen, mir selbst, meinen Schwachheiten, meinen Leidenschaften, den glühenden Phantomen meines unruhigen Kopfs, den Thorheiten meiner Gesellschafter, dem Drang, dem Geräusch der Welt überlassen, schweift meine unglückliche Seele in tausend Labyrinthen falscher Freuden, betrügerischer Hoffnungen, elender Zeitvertreibe, chimärischer Pläne umher, und sehnt sich, von Ihnen und von der Zufriedenheit gleich weit entfernt, nach der Glückseligkeit und – nach Ihnen.


 << zurück weiter >>