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Beethoven an die »unsterbliche Geliebte« Therese Brunswick

Nach den Forschungen von Miriam Tenger scheint es festzustehen, daß Beethovens »unsterbliche Geliebte« die Gräfin Therese Brunswick war. Der Brief ist in den Juli 1806 zu setzen.

Am 6. Juli, morgens.

Mein Engel, mein Alles, mein Ich – nur einige Worte heute, und zwar mit Bleistift – mit Deinem, erst bis morgen ist meine Wohnung sicher bestimmt, welcher nichtswürdige Zeitverderb in d.g. – warum dieser tiefe Gram, wo die Notwendigkeit spricht. – Kann unsre Liebe anders bestehen als durch Aufopferungen, durch nicht alles Verlangen, kannst Du es ändern, daß Du nicht ganz mein, ich nicht ganz Dein bin. – Ach Gott, blicke in die schöne Natur und beruhige Dein Gemüt über das Müssende. – Die Liebe fordert alles und ganz mit recht, so ist es mir mit Dir, Dir mit mir – nur vergißt Du so leicht, daß ich für mich und für Dich leben muß, wären wir ganz vereinigt, Du würdest dieses Schmerzliche ebensowenig als ich empfinden – meine Reise war schrecklich, ich kam erst Morgens 4 Uhr gestern hier an, da es an Pferden mangelte, wählte die Post eine andere Reiseroute, aber welch schrecklicher Weg, auf der letzten Station warnte man mich, bei Nacht zu fahren, machte mich einen Wald fürchten, aber das reizte mich nur, – und ich hatte Unrecht, der Wagen mußte bei dem schrecklichen Wege brechen, grundlos, bloßer Landweg ohne – – solche Postillione, wie ich hatte, wäre ich liegen geblieben unterwegs – Esterhazi hatte auf dem andern gewöhnlichen Wege hierfür dasselbe Schicksal mit acht Pferden, was ich mit vier – jedoch hatte ich zum Teil wieder Vergnügen, wie immer, wenn ich was glücklich überstehe. – Nun geschwind vom Innern zum Äußern, wir werden uns wohl bald sehen, auch heute kann ich Dir meine Bemerkungen nicht mitteilen, welch ich während dieser einigen Tage über mein Leben machte – wären unsre Herzen immer dicht aneinander, ich machte wohl keine d.g. Die Brust ist voll, Dir viel zu sagen – ach – es gibt Momente, wo ich finde, daß die Sprache noch gar nichts ist. – Erheitre Dich – bleibe mein treuer einziger Schatz, mein Alles, wie ich Dir, das übrige müssen die Götter schicken, was für uns sein muß und sein soll. –

Dein treuer Ludwig.

Abends, Montags, am 6. Juli.

Du leidest, Du mein teuerstes Wesen – eben jetzt nehme ich wahr, daß die Briefe in aller Frühe aufgegeben werden müssen. Montags – Donnerstags – die einzigen Tage, wo die Post von hier nach K. geht. – Du leidest – ach, wo ich bin, bist Du mit mir, mit mir und Dir werde ich machen, daß ich mit Dir leben kann, welches leben!! so!! ohne Dich – verfolgt von der Güte des Menschen hier und da, die ich meine – ebensowenig verdienen zu wollen, als sie verdienen – Demut des Menschen gegen den Menschen – sie schmerzt mich – und wenn ich mich im Zusammenhang des Universums betrachte, was bin ich und was ist der – den man den Größten nennt – und doch – ist wieder hierin das Göttliche des Menschen – ich weine, wenn ich denke, daß Du erst wahrscheinlich Sonnabends die erste Nachricht von mir erhältst – wie Du mich auch liebst – stärker liebe ich Dich doch – doch nie verberge Dich vor mir – gute Nacht – als Badender muß ich schlafen gehn – ach Gott – so nah! so weit! ist es nicht ein wahres Himmelsgebäude, unsre Liebe, aber auch so fest, wie die Feste des Himmels. –

Guten Morgen am 7. Juli.

Schon im Bette drangen sich die Ideen zu Dir, meine Unsterbliche Geliebte, hier und da freudig, dann wieder traurig, vom Schicksale abwartend, ob es uns erhört – leben kann ich entweder nur ganz mit Dir oder gar nicht, ja, ich habe beschlossen, in der Ferne so lange herumzuirren, bis ich in Deine Arme fliegen kann, und mich ganz heimatlich bei Dir nennen kann, meine Seele von Dir umgeben ins Reich der Geister schicken kann – ja leider muß es sein, Du wirst Dich fassen um so mehr, da Du meine Treue gegen Dich kennst, nie eine andre kann mein Herz besitzen, nie – nie – o Gott, warum sich entfernen müssen, was man so liebt, und doch ist mein leben in W., so wie jetzt, ein kümmerliches Leben. – Deine Liebe macht mich zum glücklichsten und unglücklichsten zugleich – in meinen Jahren jetzt bedürfte ich einiger Einförmigkeit, Gleichheit des Lebens – kann diese bei unserm Verhältnisse bestehn? – Engel, eben erfahre ich, daß die Post alle Tage abgeht – und ich muß daher schließen, damit Du den B. gleich erhältst – sei ruhig, nur durch ruhiges Beschauen unsres Daseins können wir unsern Zweck, zusammen zu leben, erreichen – sei ruhig – liebe mich – heute – gestern – welche Sehnsucht mit Tränen nach Dir – Dir – Dir, mein Leben – mein Alles – leb wohl – o liebe mich fort. – Verkenne nie das treuste Herz Deines Geliebten

ewig Dein
ewig mein
ewig uns.


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