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Graf Finckenstein an Rahel

Aus der Korrespondenz der Rahel spricht ein großes, unersättliches, nie auszufüllendes Herz. Von dem Grafen von Finckenstein haben sich etwa fünfzig ähnliche erhalten, wahrhaftiger mutet der Briefwechsel mit Bokelmann und Raphael d'Urquijo an. In den Liebesreigen verschlingen sich später noch Alexander von der Marwitz und Varnhagen, dem letzteren vermählte sich Rahel, 43 Jahre alt. S. Ludmilla Assing, Aus Rahels Herzensleben, Leipzig 1877 u. Briefwechsel zwischen Varnhagen und Rahel, Leipzig 1874.

November 1797.

Donnerstags, den 2., abends um 12 Uhr. O mein Gott, welch ein Brief, mein Engel, mein Leben, mein einziges, einziges Leben! Warum kann ich nicht zu Dir, mit diesem Herzen voll innigen, schmerzlich innigen Dankes, nur auf eine armselige halbe Stunde zu Dir, warum darf ich mich nicht vor Dir hinwerfen, Deine Füße küssen, Dich anbeten, dies tobende Wühlen von Glück und Schmerz auf Deine liebe Brust in tausend, tausend Tränen hinweinen. Dreimal bin ich aus meinem Bett gesprungen, und an die Tür gelaufen, um zu Dir zu gehen, und dann konnte ich nichts als mich hinwerfen und die Hände ringen und wütende Tränen weinen. Aber ja, jetzt fühl' ich den Wert meines Wesens, so geliebt zu werden von Dir edlem großen Wesen; ich kann, ich darf nicht schlecht, nicht kleinlich sein, es soll gewiß alles aus mir werden, was aus mir werden kann, daß Du einmal mit Stolz auf mich hinweisen kannst, einst sagen: seht, den habe ich geliebt. Gott, es soll an mir nicht liegen, wenn etwas aus mir wird. Gott, wie liebe ich Dich, wie unbeschreiblich liebe ich Dich. Warum habe ich keine Worte, um Dir zu sagen wie ich Dich liebe, warum habe ich nur Tränen? Aber ich bitte Dich, bei allem was Dir heilig ist, denk nicht, daß Dein Verlust Deinen Wert bei mir erhöht, ich habe Dich immer, immer so geliebt, wie ich Dich jetzt liebe, alles gedacht, was ich jetzt denke, alles so empfunden, wie ich es jetzt empfinde. Halte mich für schlecht, für unempfindlich, für dumm, glaube, daß ich unfähig bin, dich zu verstehen, aber glaube nicht, daß Dir etwas zurückgewesen ist, daß ich Dich nicht mit all der Liebe geliebt habe, deren mein Wesen fähig ist. Ich kann es nicht ertragen, daß Du das von mir denkst. Oh, ich weiß es, ich habe Dein zartes Wesen oft mit meinen plumpen Händen so schmerzlich angefaßt, ich habe aus falscher Delikatesse oft nicht verstehen wollen, oder doch nicht zu verstehen scheinen wollen, habe Dir so manche Empfindung verschwiegen, die mein Herz zusammenschnürte, besonders wenn ich sah, daß Du mich für unempfindlicher hieltest, als ich war; und das war nicht unedel, ich wollte Dir nicht mehr scheinen, nicht mehr in Dir rege machen, als ich Dir geben konnte; besonders in der letzten Zeit Dir oft weniger scheinen, als ich war, um Dir meinen Verlust, den ich vorhersah, erträglicher zu machen. Jetzt ist der Nebel von meinen Augen gefallen, jetzt weiß ich alles, alles, jetzt fühl' ich, daß ich dich nicht verlieren kann, daß gar von keinem Verlust die Rede sein kann, und daß du mich nicht lassen willst und kannst, macht mein einziges, einziges Glück aus. Oh, wenn doch mein Bild schön wäre, wie der reinste Engel vor deiner Seele stünde, ich fühle, daß es dich glücklich machen müßte, mich kleinlich und halb zu sehen. Ich will dir wenigstens so edel scheinen als ich bin, und nicht geringer und darum sage ich Dir dies alles. Und dein Tuch! wie voll Liebe ist alles, was du für mich tust; denke, wenn du es umtust, daß so tausend Tränen darauf gefallen sind, daß es an meinem Herzen gelegen hat, hat, daß es alle Nacht mit mir schläft, daß ich wie ein Kind weine und mich freue, daß ich es habe. Oh, ich kann nicht mehr schreiben, ich bin ganz matt. Schlaf wohl, der Himmel schütte seinen besten Segen über Dich aus, und gebe Dir einen leichten, lieblichen Schlaf und himmlische Träume.

Rahel an Finckenstein.

Die Nacht nach deinem Weggehen. Du kannst nichts für mich tun? – Du willst doch, ich soll Dir die Wahrheit sagen; nun, so will ich sie Dir einmal auf der Stelle sagen – Du hast den Mut nicht, etwas für mich zu tun. Es gäbe kein Mittel, keine Ursach; von einer simplen Visite wegzubleiben? Dergleichen ist noch nie geschehen? Um der lumpigsten Intrigue! Nachdem Du mich in diesem Zustand gesehen und verlassen hast, fiel Dir nichts ein. Nicht der Gedanke mitten oder vor der Visite zu mir zu kommen? Da Du die Gewalt deiner Gegenwart kennst. – Du führest Deine Brüder ein, oder es sei ein Konzert! Also eine einzige kleine Ausrede, oder incommodité meinetwegen, macht, daß Du Dich über mich beruhigst? Du sahst, wie still auch ich war. Aber das ist einer von den Augenblicken, wo mir das Herz zerdrückt wird, die ich nie vergesse, wo ich mein Los wie in einem Spiegel sehe, und die du nicht merkst. Ich bin noch nicht gewiß, ob ich Dir das schicke, ich glaube, ich tu's. Sagen kann ich so etwas nicht, und heute mußt Du Wahrheit hören. Ein Radziwill, der nie Dein Freund sein kann, nie das Bessere in Dir pflegen, aufregen kann; – und plötzlich schien ich Dir unmöglich: und nur er möglich. Keine Antwort! Nur mündlich.

An denselben.

Berlin, den 4. September 1799

Möchte die ewige Gerechtigkeit mir vergönnen, daß ich vornehmlich die Wahrheit sage, wie ich sie stark in meiner Seele fühle! Einmal habe ich dem, was ich für Recht erkenne, das ungeheuerste Opfer gebracht, welches Menschen zu bringen fähig sind. Nur ich kann es beurteilen, und ich wünsche einen Gott an meiner Seite, der es auch kann: Menschen wissen voneinander nichts. Es ist mir nicht gelungen: dem Schicksal selbst schien es nicht zu gefallen, es nahm es nicht an; und ganz schleuderte es mich auf die Stelle zurück, wo ich Kraft in mir aufgeregt hatte, es bringen zu können. Nie tue ich dergleichen wieder: Das gelobe ich Dir bei dem, was Dir das furchtbar heiligste sein mag! so wie ich es mir gelobt habe. Nur einmal kann es den Göttern gefallen, wenn man sich vernichtet, aus Achtung für das Heiligste; zum zweitenmale kann es nie der Ruf von einem Gotte sein! zum zweitennmale tue ich es nie! – So wahr ich mir meine Existenz nicht ableugnen kann, so wahr als ich es einmal getan habe! Ich werde nie wieder die Erste sein, die sich von Dir trennt, und wenn Himmel und Hölle, die Welt und Du selbst, mir gegenüber steht. Tätig – werde ich nie mehr sein; leiden will ich alles. Dieser Brief ist das letzte Tätige, was je Deine Augen sehen, oder ein Sinn von Dir soll ergründen können. Es ist ein Vorschlag. Es spricht ihn die Vernunft, die Klugheit, die Tugend sogar. Mein Herz, mich selbst, vernehme ich nicht dabei. Dies schweigt, und ich kann ihm selbst nicht nachspüren, wenn ein höheres Interesse spricht. Ich beschwöre Dich beim Glück von Karolinen, – höheres kenne ich Dir nicht, – sei stark und wahr.

Du hast mir gesagt, Fräulein von Berg liebt Dich. Dazu muß sie Hoffnung haben. Sie ist jung, hübsch, liebenswürdig, reich: alles vereinigt sich für sie; ihr Glück wäre das Deinige, und das Glück, die Zufriedenheit beider Familien. Ich habe nichts dem entgegenzusetzen, was man nennen könnte; und ich schweige. Fühlst Du, weißt Du in irgend einer Tiefe Deiner Seele den Wunsch, den Vorsatz, den Gedanken, Dich mit ihr vereinigen zu wollen, so kehre ihn heraus; und tue es gleich. Das bleibt Dir für mich zu tun übrig, dazu fordere ich Dich zum letztenmale auf. In ein, in zwei, in drei Jahren, wäre es niedrig und schlecht. Dann – hielt' ich mich für eine vom Schicksal Angespiene; und stehe nicht mehr für mich selbst; – was Menschen immer können sollten. Dann – bin ich keiner mehr. Untersuche Dich, habe Mut! Stehe nicht mit jedem Fuß auf einem anderen Ufer. Schreite über. Ich kann nicht mehr für Dich handeln. Einmal konnte ich es nur. Noch ist es Zeit. Du bleibst einen oder zwei Tage länger in Drehnow, alles arrangiert sich. Halte es für keine Drohung. Kenntest Du meine Seele! Den Kelch, den mir mein Gott reicht, ich will ihn leeren; selbst nur nehm' ich ihn nicht wieder. Ich habe tief in Deine Seele gesehen, und jedes Wort von Dir senkt sich tief in die meinige, jede leise Zuckung Deines Herzens weiß ich zu deuten. »Wer hätte das denken sollen!« sagtest Du die Nacht vom 1. September; Du dachtest an den Anfang unserer Bekanntschaft, und fühlst Dich geschlossen durch sie: Du bist es nicht. Frei bist Du, wenn Du den Mut hast es zu sein. – Ich habe beim ganzen Brief nicht geweint; keine Träne, kein Wort, keine Nachricht solltest Du von mir hören. Jetzt sprach ich zu Dir wie etwa eine Verwandte von ihrer lieben Angehörigen; ich will für mich sorgen. Es sprach Deine Freundin nicht. Ich will Dich ermahnen, mich nicht so unglücklich zu machen, als es Dir möglich ist. Nicht erst in zwei, drei, vier Jahren tue es. Sei stark! und erschrecke nicht; und verstehe jedes Wort. Mehr habe ich Dir nicht zu sagen. «Oh! Verstehe es! Keinen zweiten Gedanken, keine zweite Alternation weiß ich in meiner Seele aufzubringen. Dies ist das Letzte, und es ist nicht schlecht. Habe Mut. Ich empfehle mich Dir nicht! keinem Gott! Nichts. Kein Gebet ist in meiner Seele. Ein völliger Stillstand. –

Rahel an Bokelmann, in Bordeaux.

Paris, den 20. April 1801.

Lieber, welche Art von Angst! Nichts, keiner von meinen Zuständen könnte mich bewegen, das mit der Feder zu versuchen, was einzig das Herz drückt und foltert; nur die Einbildung, daß Sie gerne Worte von mir sehen, – geschriebene! verhaßte, ja verhaßte! – ich bilde es mir ein, kann nicht einzig dazu treiben. Eine Ermattung, wie ich sie nur wenig kannte, schnitt gestern abend sozusagen mein Leben ab; um 11 Uhr ging ich zu Bette. Ich glaubte, nur ein Totenschlaf könnte solche Totenschläfrigkeit ab- und auflösen; in diesem Gefühl und Gedanken stieg ich zu Bette; aber die ersten Stunden war ein abmattendes Sein, zwischen Schlafen und Wachen, alles was geschah; ich erinnere mich erst jetzt, daß ich mich mit einmal, wie zu geschehen pflegt, bemühte zu schlafen! Aber ich schlief, und sehr gut und erquickend. Aber ich erwachte auch!

– Ich bin ganz gesund, sehe ganz weiß und gut aus, das Wetter ist das schönste; aber welch ein Morgen!

– Das Ganze summiert sich zu Angst zusammen, weiter mag ich nichts sagen: und kann ich nichts hervorbringen. Wie ist Ihnen? keine Antwort, auf keine Frage mehr! Tot und stumm, und boshaft, und fürchterlich die ganze Welt, die ganze besonnte Welt. Ist es Ihnen lieb, daß mir schlecht zu Mute ist? Daran werd' ich alles wissen. Mir war einzig, ganz allein nur dies, lieb; daß Sie Bartholdy'n beneideten und mir das so göttlich sagten; zum Küssen schön. Das schmeichelte mein Herz. Mit einer der schönsten Augenblicke! der steht hoch und hell. In bösen Augenblicken will ich mir ihn vorzuhalten suchen, diesen; selbst wenn Sie mir etwas täten, soll diese liebliche Krone meine Ägide sein. Sie sehen! ich störe ins Leben hinein, und schüttle mein Herz aus der Ruhe zum Kampfplatz, wo noch niemand uns – mich und mein Herz – erwartet; aber ich kenne das Leben. Es geht seinen eignen Gang; es kann keine Rücksicht auf uns nehmen. Wie ist Ihnen? Gestern sah ich ungefähr, wie Ihnen war. War es nicht schrecklich, über alle Maße schrecklich, abscheulich! sich so lassen zu müssen? Kann uns das je wieder zugetan werden? Wir – nie! – Oh, wie grausam ist alles. Um zehn Louisdor darf man hin und herlaufen, und warten lassen, und es sagen; – wir mußten so scheiden. Lieben soll ich sie, die Einrichtung, die Gesellschaft, die Schicklichkeit, diese Schmerzen lieben? rasend müßt' ich sein. – Ob Sie mir wohl bald von unterwegs ein Wort schreiben? Bemühen Sie sich nie, mir zu schreiben. Sie haben so viele Freunde, es bleibt Ihnen – bei Gott, keine Zeit zum Leben übrig: und ich bin zufrieden; ich kenne das. Im Anfang, bis die Reise aus ist, schreiben Sie mir nur, damit ich weiß, daß Sie nahekommen sind. Dann leben Sie. Das ist mein Hauptwunsch. Wenn Sie mich lieben, sehen wir uns wieder; – und ich möchte fast sagen, lieben Sie mich nicht, und wir sehen uns doch wieder, so werden Sie mich schon etwas wieder lieben. Es war garstig von Ihnen, denn es war aus Stolz – und sollten Sie gegen mich stolz sein können; oder glauben Sie nicht, daß ich weiß, ich bin es gar nicht? – Daß Sie mir das Billett nicht noch gaben. Gereut es Sie, was Sie mir in einem tête-à-tête mit Ihrem Herzen schrieben? Hab' ich Ihnen nichts geschrieben? Oder glauben Sie, ich seh' den Wert davon nicht ein, oder ich habe es ganz in bewußtloser Hingerissenheit getan, oder ich könnte eine schwerfällige Konsequenz daran knüpfen? Das alles nicht; es gibt noch etwas; und das finden Sie. Lernen Sie's in meinem Umgang finden. Auch ich hab' es noch nicht gelehrt!! Aber es ist schön! – Ich hab' Ihnen gesagt, ich kann das schreiben, was ich nicht sagen kann. Ich habe es jetzt bewiesen: ich hätte dies wohl nie gesagt. Und so wäre der Vorwurf auf meinem Herzen geblieben. Es ist auch kein schmerzhafter Vorwurf, denn ich seh' Sie sehr freundlich dabei an; und ich seh' Ihr ganzes Gesicht wieder; von den schmerzlichen Vorwürfen könnt' ich doch auch Ihnen keinen machen. Die sind immer zu viel!

Rahel an Urquijo.

Süßer Liebling! Nein, Du weißt doch nicht, wie Du mir gefällst, wie ich Dich liebe! Die tiefste Seele ist mir bei Deinem Anblick erregt, und immer neu, und immer ebenso heftig. Dies macht mein Glück. Du sprichst zu meinem Herzen, Deine Gestalt, Deine Miene rührt es; und es irrte sich nicht: es erkannte einen Engel, den meine ganze Seele liebt. Ein ewiges süßes Schmeichlen, einen ununterbrochenen Zauber, gewährt Dein bloßer Anblick meinen Sinnen. Du gefällst mir immer, Du! Oh! lieblicher Freund, kenntest auch Du dieses Glück!! Die Hälfte besitzest Du, Geliebter; Du liebst mich ja, und vertraust mir nun! Nun wirst Du meine Seele erst sehen: meine reine innige Liebe! wirst meine Worte und Handlungen verstehen, und Deine Geliebte beurteilen können. Du wirst mich gewiß einfach finden; und je tiefer Du erkennst, je mehr eins mit meiner Liebe. Alles was Du bizarr findest, reduziert sich auf eine tiefe Liebe im Herzen, ohne weltliche Absichten. Ich mag sie nicht! – obgleich ich sie auch kenne. – wir sind glücklich, und werden es sein.

Rahel an Urquijo.

Gott hat mir in die Seele gelegt, was Natur und Umstände mir für das Gesicht versagt haben. Ich wußte es; aber ich wußte bisher nicht, daß Gott mir das unaussprechliche Glück gewähren würde, das vollständige, das größte, diese Seele zeigen zu können, demjenigen, für den allein ich allen Reiz mit meinem Blut erkaufen möchte, für den allein ich lebe und schön sein möchte. Wie ich Dich liebe, Deine Seele liebe! Glaube mir, ich erkenne, ich durchdringe sie; keine ihrer Regungen entgeht mir: die meine ist ihrer wert, und ich errate, verstehe sie. Das ist mein Geist, mein Witz; glaube nie, daß ich andern habe, nur diesen! Ich bin geschaffen Dich zu lieben, und das ist alles.

Welch Glück, in diesen Zeiten moralischer Erstarrung, zwei Seelen, zwei Herzen zu finden, so zart und edel, so aufrichtig, unbefangen, einfach! Zwei, denn Du hast meines und Deines gefunden, und ich habe das Deine und meine, welch Wunder, daß Du mich liebst! Ja, ich glaubt es, aber es ist viel! Engel, wie lieb' ich Dich!

Rahel an Varnhagen.

Leipzig, Sonnabend, den 24. September 1808.

Teurer, Geliebter! Wie soll ich Dir nun alles schreiben! Fast tut es mir leid, daß ich mich über Deine Reise zerstreut habe. Gewaltsam entriß ich mich der Bangigkeit, der Sehnsucht, der Angst! Wie anders war es, als ich dachte! Ich glaubte, ich würde das Vermissen gleich mit Schmerz fühlen. Gott bewahre! Ich saß im Wagen, fuhr durch die Wälder, über die Felder; und war wie mit Dir! Ja! Ja, ich war zu lange, zu ernst, zu innig, zu verwebt und unbewußt mit Dir, um nur irgend etwas, es sei Gedanke, Genuß, wirkliche oder geistige Ansicht von Dir trennen zu können! Ich sah Deine Blicke, Deinen Haarschimmer, Deine Mienen schwebten mir vor – ich fühlte Dich nah, meine Hände fühlten Deine! Kurz, Du warst ganz da! und nur wenn ich mich meinem Gram fragte, mußte ich mir erst sagen, Du seist nicht da! Geliebter Geliebter! Wie sehr bin ich eingenommen von Dir, wie erwacht im Schreiben meine Liebe, meines Herzens Andringen an Dich! Ja! lieber, guter Junge, ich fühl's; noch nie war ich mit so einem würdigen Ächten vertraut! Oh! wie ist das anders, wie befestigt das das Herz! wie sicher macht es, wie fest stehen: wie ist Trennung selbst unterstützt! – aber das dauerte nur den ersten Tag. Wie war ich erschreckt! Deinen geistigen, verständigen, sinnvollen Umgang in den Poren, mich so verschlagen zu sehen! Auch Deine Liebe, Deine Nähe, in jedem Sinn so gewohnt! Wir waren uns sehr nah, nicht wahr? sehr innig! nie, nie, nie kann das vergehen! Heute fühlt' ich's. Später werde ich Dir sagen, wie so. Wie wahr waren wir miteinander. Wie immer liebend Du, wie liebreich, wie ich auch liebte, ich; wie fühlte ich Deinen Wert durch; wie fühlt' ich, daß Du wie ein Prinz mußt behandelt werden!

Einlage in einen Brief vom 3. Dezember 1808.

Dies wird Weihnachtheiligabend erbrochen.

Hier, mein lieblicher, geliebter Freund, nimm diesen Rubin, den ich schon lange von meiner Mutter habe, zum Weihnachten; tausend Liebesküsse von mir sind darauf! Du kannst ihn verlieren, weglegen, zerbrechen, aber seine Farbe verliert er nur mit seiner völligen Zerstörung. Du bist mein Liebling, und ich bleibe ewig Deine Rahel.


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