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Schiller an Lotte

Der Briefwechsel zwischen Schiller und Lotte (1788–1805, herausg. v. W. Fielitz, Stuttgart 1905) ist schönstes Zeugnis eines glücklichen deutschen Liebes- und Ehelebens.

3. August, Montag.

Ist es wahr, theuerste Lotte? darf ich hoffen, daß Caroline in Ihrer Seele gelesen hat und aus Ihrem Herzen mir beantwortet hat, was ich mir nicht getraute, zu gestehen? O wie schwer ist mir dieses Geheimnis geworden, das ich, solange wir uns kennen, zu bewahren gehabt habe! Oft, als wir noch beysammen lebten, nahm ich meinen ganzen Muth zusammen, und kam zu Ihnen, mit dem Vorsatz, es Ihnen zu entdecken – aber dieser Muth verliess mich immer. Ich glaubte Eigennutz in meinem Wunsche zu entdecken, ich fürchtete, dass ich nur meine Glückseligkeit dabey vor Augen hätte und dieser Gedanke scheuchte mich zurück. Konnte ich Ihnen nicht werden, was Sie mir waren, so hätte mein Leiden Sie betrübt, und ich hätte die schöne Harmonie unserer Freundschaft durch mein Geständniß zerstört, ich hätte auch das verloren: was ich hatte, Ihre reine und schwesterliche Freundschaft. Und doch gab es wieder Augenblicke, wo meine Hofnung auflebte, wo die Glückseligkeit, die wir uns geben konnten, mir über alle Rücksichten erhaben schien, wo ich es sogar für edel hielt, ihr alles Uebrige zum Opfer zu bringen. Sie konnten ohne mich glücklich seyn – aber durch mich nie unglücklich werden. Dieses fühlte ich lebendig in mir – und darauf baute ich dann meine Hofnungen. Sie konnten sich einem andern schenken, aber keiner konnte Sie reiner und zärtlicher lieben, als ich. Keinem konnte Ihre Glückseligkeit heiliger seyn, als sie es mir war und immer seyn wird. Mein ganzes Daseyn, alles was in mir lebt, alles, meine theuerste widme ich Ihnen, und wenn ich mich zu veredeln strebe, so geschiehts, um Ihrer immer würdiger zu werden, um Sie immer glücklicher zu machen, Vortrefflichkeit der Seelen ist ein schönes und ein unzerreißbares Band der Freundschaft und der Liebe. Unsre Freundschaft und Liebe wird unzerreissbar und ewig seyn, wie die Gefühle, worauf wir sie gründen.

Vergeßen Sie jetzt alles, was Ihrem Herzen Zwang auflegen könnte, und lassen Sie nur Ihre Empfindungen reden. Bestätigen Sie, was Caroline mich hoffen ließ. Sagen Sie mir, daß Sie mein seyn wollen, und dass meine Glückseligkeit Ihnen kein Opfer kostet. O versichern Sie mir dieses, und nur mit einem einzigen Wort. Nahe waren sich unsre Herzen schon längst. Laßen Sie auch noch das einzige fremde hinwegfallen, was sich bisher zwischen uns stellte, und nichts die freye Mittheilung unserer Seelen stören.

Leben Sie wohl theuerste Lotte. Ich sehne mich nach einem ruhigen Augenblick Ihnen alle Gefühle meines Herzens zu schildern, die in dem langen Zeitraum, daß diese Einzige Sehnsucht in meiner Seele lebt, mich glücklich und wieder unglücklich gemacht haben. Wie viel habe ich Ihnen noch zu sagen?

Säumen Sie nicht, meine Unruhe auf immer und ewig zu verbannen. Ich gebe alle Freuden meines Lebens in Ihre Hand. Ach, es ist schon lange, daß ich sie mir unter keiner andern Gestalt mehr dachte, als unter Ihrem Bilde. Leben Sie wohl, meine theuerste.

Schiller an Lotte und Caroline.

Leipzig den 8. August, Montag Abends.

Dieser heutige Tag ist der erste, wo ich mich ganz glücklich fühle. Nein! Ich habe nie gewußt, was glücklich sein ist, als heute. Ein einziger Tag verspricht mir die Erfüllung der zwei einzigen Wünsche, die mich glücklich machen können. Liebste, theuerste Freundinnen, ich verlasse eben meinen Körner – meinen und gewiß auch den Ihrigen – und in der ersten Freude unseres Wiedersehens war es mir unmöglich, ihm etwas zu verschweigen, was ganz meine Seele beschäftigte. Ich habe ihm gesagt, daß ich hoffe, – bis zur Gewißheit hoffe, von Ihnen unzertrennlich zu bleiben. In seiner Seele habe ich meine Freude gelesen, ich habe ihn mit mir glücklich gemacht. O ich weiß nicht, wie mir ist. Mein Blut ist in Bewegung. Es ist das erstemal, daß ich diese so lang zurückgehaltenen Empfindungen gegen einen Freund ausgießen konnte. Dieser heutige Morgen bei Ihnen, dieser Abend bei meinem theuersten Freund, dem ich alles geblieben bin, wie ich es war, der mir alles geblieben ist, was er mir je gewesen – soviel Freude gewährte mir noch kein einziger Tag meines Lebens. Körner kündigt mir noch an, daß er bereit sei, Dresden zu verlassen, und Jena zu seinem Aufenthalt zu wählen. Innerhalb eines Jahres kann ich hoffen, auch von ihm unzertrennlich zu werden.

Welche schöne himmlische Aussicht liegt vor mir! Welche göttliche Tage werden wir einander schenken! Wie selig wird sich mein Wesen in diesem Zirkel entfalten! O ich fühle in diesem Augenblick, daß ich keines der Gefühle verloren habe, die ich dunkel in mir ahnte. Ich fühle, daß eine Seele in mir lebt, fähig für alles, was schön und gut ist. Ich habe mich selbst wiedergefunden und lege einen Werth auf mein Wesen, weil ich es Ihnen widmen will.

Ja Ihnen sollen alle meine Empfindungen gehören, alle Kräfte meines Wesens sollen Ihnen blühen! In Ihnen will ich leben und meines Daseins mich erfreuen. Ihre Seele ist mein – und die meinige ist Ihnen. Lassen Sie mich für meine Freunde mit angeloben. Auch sie sind Ihnen, und Sie schenke ich meinen Freunden. Wie reich werden wir durch einander sein! Aber bestätigen Sie mir beide, daß meine Hoffnung mich nicht zu weit geführt hat, sagen Sie mir's, daß ich Sie ganz verstanden habe, daß Lotte mein sein will, daß ich sie glücklich machen kann. Noch mißtraue ich einer Hoffnung, einer Freude, von der ich noch gar keine Erfahrung habe; lassen Sie meine Freude bald auch von dieser Furcht ganz rein sein. Sie können nicht handeln wie gewöhnliche Menschen, Sie brauchen also auch gegen mich nichts, als Wahrheit, wir dürfen alle diese Umständlichkeiten überspringen, und unsre Seelen frei und rein vor einander entfalten.

Ich kann nicht mehr schreiben. Heute nicht mehr, denn meine Seele ist jetzt nicht fähig, ruhige Bilder aufzufassen. Es schmerzt mich, daß ich Ihnen so gar nicht schildern kann, wie mir ist. Antworten Sie mir ja ohne Aufschub, und wenn nicht gleich eine Post geht, durch einen Expressen. Sie haben dazu noch einen andern Grund, denn ich muß wissen, ob Sie und die Dachröden gesund genug sind, die Reise nach Leipzig zu machen. Auf den Freitag Mittag sind Körners frei, und diesen Tag können Sie also wählen. Sie müssen meine Freunde sehen – und ich muß Sie bald wieder sehen.

Diesen heutigen Brief werden Sie Mittwoch früh haben. Schicken Sie einen Expressen, so habe ich Mittwoch Abends Ihre Antwort. Nur wenige Zeilen, nur so viel als ich brauche, um meiner Freude ganz gewiß zu sein.

Ich habe hier niemand gesprochen, als Körner. Seine Frau und Schwägerin sind in einer Gesellschaft, wo sie nicht loskommen können. Fast ist mir's lieb, so bin ich ganz allein bei meiner Freude. Adieu!

Schiller.

Meine Adresse: Prof. Schiller im Joachimsthal wohnhaft.

Lotte an Schiller.

Lauchstädt, 5. August, Mittwoch.

Schon zwei mal habe ich angefangen, Ihnen zu schreiben, aber ich fand immer, daß ich zu viel fühle um es ausdrücken zu können. Karoline hat in meiner Seele gelesen; und aus meinem Herzen geantwortet. Der Gedanke zu Ihrem Glück beitragen zu können steht hell und glänzend vor meiner Seele. Kann es treue, innige Liebe und Freundschaft, so ist der warme Wunsch meines Herzens erfüllt, Sie glücklich zu sehn. – Für heute nichts mehr, Freitag sehn wir uns. wie freue ich mich unsren Körner zu sehn! und Sie lieber in meiner Seele lesen zu laßen, wie viel Sie mir sind. Hier ist der Brief den ich Ihnen lezt bestimmte. Adieu! ewig

Ihre treue
Lotte.

Lotte an Schiller.

L. den 11ten Früh gegen 11. Dienstag.

Ich muß Ihnen ein Wort sagen. Sie fehlten mir so sehr, und es macht mir wohl Sie sehen zu laßen, daß ich Ihrer eben in diesen Momente dachte. Es ist mir so sonderbar zu Muthe wenn ich denke was alles hier unter uns vorgefallen ist; ich ahndete es nicht! Und noch oft ists mir wie ein traum, daß ich nun weis daß Sie mich lieben, daß Sie es nun klar fühlen können, wie meine Seele in der Ihrigen nur lebt. Ich möchte Sie wären hier, und ich könnte es Ihnen sagen, nicht durch worte, sondern in meinen Augen könnten Sies lesen. – Wo sind Sie jezt? in welcher Gegend? ich denke Sie mir nahe bei Jena. Line und ich blieben gestern ganz allein. – Da wurde ich unterbrochen weil ich an meine Mutter schreiben mußte, daß wir nun bald kommen. – Wir lagen auf unse Sophas, sprachen wenig, und überließen uns unsern Gedanken. Ich schrieb auch noch an Knebel, ohne etwas zu denken, und sagte auch der Stein einige Worte. Auch unser Papa kam noch, und sagte schöne Sachen. Caroline kam nach Hause, und trug uns ihre Begebenheilen vor, unter andern hat sie von der Schüzen gehört, daß sie sich sehr nach uns erkundigt habe, heute werden wir sie sehen glaube ich. – Es ist mir eigen zu Muthe mich wieder unter so viele Menschen zu sehen, die mir so gar nichts sind. – adieu jezt lieber.


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