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Immermann an seine Braut Marianne

Nur ein kurzes Liebesglück war Immermann, nachdem er lange in Elise von Ahlefelds Bann gelegen, beschieden, die Spanne von 1838 bis zu seinem Tode 1840. S. Karl Immermann, Sein Leben und seine Werke. Berlin 1870.

2. Januar 1839. Als Du vor mir standest, gegen Abend, meine geringen Verse in der Hand, in so lieber demütiger Unbehilflichkeit – da war es um mich geschehen. Mein ganzes Wesen war eine sanfte Flamme, wie ein Blitz durchzuckte es mich, in diesem Mädchen ruht der ganze Lohn und Preis deiner vielen Mühen und Arbeiten.

Ich habe endlich so viel Stimmung wieder gewonnen, um am Münchhausen von neuem arbeiten zu können. Es ist nun das vorletzte Buch daran, worin ich die Sachen unter den Bauern und mit meinen jungen Liebesleuten zu Ende führe. Es muß, soll das Ganze etwas taugen, dieses Buch der Gipfel und das Meisterstück werden, und ich bin so bewegt, und in solcher Verfassung schreibt man so schlecht. An der Liebesszene arbeite ich mit einem Feuer, wie nie, oft aber springe ich auf, weil ich nicht weiter schreiben kann, und strecke die Arme in die leere Luft aus.

In mir ist eine wunderbare Mischung der Gefühle gegen Dich, ich habe die ganze Glut des Liebenden, und doch auch etwas von der uneigennützigen Zärtlichkeit des Vaters zu Dir. Was ist's doch ein Glück um so eine einfache, offene, fromme Liebe! Wie macht sie das Herz so ruhig und sicher und stark. Oh, bleibe recht, recht ruhig in dem Bewußtsein, daß Du der gute Engel eines Menschen geworden bist. Ich stand recht nahe dem Untergange, wachte oft mit einem schrecklichen Gefühl der Gleichgültigkeit auf, sah ein frühes Altern vor mir, eine trockene Zukunft. Denn über mein Talent habe ich immer sehr bescheiden gedacht, und die Zweifel sind nie ganz von mir gewichen, ob ich eine dauernde Wirkung in der Literatur hervorbringen werde. Worauf schaute ich nun hin? Woran sollte ich mich halten? Aber wenn ich eine liebe Frau haben werde, dann werde ich freilich wissen, wofür ich arbeite und sorge.

l0. März 1839. Am Sonntagabend hast Du einen Triumph gefeiert. Nämlich ich las in der zwecklosen Gesellschaft das Buch von Münchhausen, worin die Liebesszenen zwischen Lisbeth und dem Jäger vorkommen und die der eigenste Abdruck meines Gefühls für Dich sind. Ich hätte sie nicht schreiben können, wenn Du mir nicht inzwischen geworden wärest. Sie erregten ein wahres Entzücken, die empfänglichen Gemüter in dem Zirkel konnten sich über diese Offenbarung der Liebe gar nicht zufrieden geben, und da ich vor Tische nicht ganz hatte zu Ende kommen können, so forderte mich ein kleiner Kreis nach Tische auf, weiter zu lesen. Ich fing um Mitternacht an und las bis eins, und alles war hingegeben an die Darstellung.

Das hat mir unendliche Freude gemacht, denn es bewies mir, daß die Stimme meines Busens Recht gehabt hat, wenn sie rief: »Marianne schafft mich erst zu dem, was ich auf Erden werden kann, sie schafft mich auch erst recht zum Dichter.« – In der süßesten Gestalt vollendet sich meine Versöhnung mit Welt und Leben, der kalte Spott zieht wie ein gebannter Schatten in den Tartarus und der Fluch wird von meinem Haupte genommen.

Wie ich beglückt bin, das alles Dir zu Füßen zu legen! – Anmut, Schönheit und Frieden bringst Du mir zu, die fehlten mir, die fehlten auch meiner Poesie bisher, welche sonst Witz, Scharfsinn, Tiefe, Vernunft genug hatte. Aber mein Leben war zerspalten, wie hätte das höchste Ergebnis des Lebens, die Dichtung, ganz und harmonisch sein können?


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