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Ernst Moritz Arndt an Johanna Motherby.

Montag, 26. April.

Heute endlich wieder als ein Mensch gelebt. Ich verschloß mich und ließ niemand herein, sondern arbeitete bis 3 Uhr in einem frisch fort; dann schüttelte ich den Staub von den Füßen und trieb mich ins Grün. Es war ein schöner warmer Tag und Gewitterwolken schienen am Himmel zu hängen; es kam aber kein Wetter. Ich nach meiner Fasanerie und ließ mich von Busch zu Busch ergehen und die Blüten rauschen und die Vögel singen und die Gedanken spielen, und sie spielten in manchen Busch hinein und unter manchen schattigen Baum und bekränzten sich mit Liebe und Freude und umhalseten sich mit anderen süßen Gedanken, die aus der Ferne kamen; und sie sprachen viel Süßes und wußten viel Süßes, und zuletzt stand das wehmütig lächelnde Bildchen, das Furina heißt, vor mir, und winkte und weinte wie eine rosige Frühlingswolke nach dem Regen, und mir schwoll das Herz fast über. Und ich kam endlich wandernd an die Stelle, wo ich zuerst bei meiner Ankunft in Dresden im Fasanenhain gelagert hatte und die kleinen blauen Blümelein für Furina gepflückt; und ich mußte mich wieder dahin legen und träumen, und jetzt standen keine zarten Blümlein da, sondern grobe; deswegen konnte ich keine pflücken; und ich sah in das Blau des Himmels und entschlief endlich und träumte einen süßen Traum; und Kosaken erweckten mich durch ihren Lärm, und ich in mein Haus und fand zu Hause den alten feierlichen und furchtsamen Goethe und andere, die meine Wirte besuchten, und verbrachte so den Abend. Und nun sitze ich hier und finde, daß das Leben ein schales Ding ist ohne Liebe und Träume. Schlafe und träume süß, meine Furina!

Freitag, 30. April.

Es ist Nacht, ich komme eben von einem geheimen viertägigen Ausflug zu Hause; oh, wie denke ich an die, welche oft unter der Linde sitzt und dort in den Westen schaut. Gott behüte Furina und lasse ihr ewig die süße Qual der Sehnsucht! Schlafe süß, schlafe wohl!

Sonnabend, 1. Mai.

Die heilige Walpurgis ist heut' nicht mächtig genug gewesen; es ist kalt, und ein kalter Regen fällt vom Himmel, und kalte und heiße Gedanken kreuzen sich wie Blitze und feurige Drachen durch meine Seele; denn mein Herz ist in Erwartung großer Dinge, und auch große Freude habe ich erlebt: Schlachten wollen sie bald halten, und ein Brief, ach! nur ein Briefchen, ein Zettelchen, doch ein so süßes, ist von dem kleinen schwarzlockigen Täubchen gekommen, das unter der Linde träumt – dem muß das Herz wohl brennen zwischen Eis und Flammen. Oh, heute kann Furina wohl nicht unter der Linde träumen und sich sonnen; hier ist es schon kalt, wie wird es in Königsberg sein? Furina, kleines, buntfarbiges, lebendiges Wesen – oh, werde nie ein wechselndes Wesen – süßeste kleine Furina, würdest Du doch auf ein paar Stunden, nein auf eine Nacht, eine verborgene, kosende und küssende Nacht, zu mir gebracht! sähest Du doch, wie ich geträumt habe mit Dir heute und gestern und alle Tage, wie ich Dich auf den Armen getragen, ... wie ich nicht bloß alle Wagen der leichten Phantasie, sondern auch die knarrenden der Wirklichkeit für Dich bespannt habe – oh, Du würdest Dich wohl ein wenig freuen. Oh, das süße kleine Briefchen! es ist doch so treu und verständlich; habe Dank! süßesten Dank, daß Du meiner gedenken willst! oh, denke auch mein so, wenn Du mal lange von mir nichts hörst, wenn ich im Gewimmel des Lebens in Arbeiten und Gefahren hin und her geworfen werde; auch wenn ein geschwindes Schicksal mich wegraffen sollte – auch dann, kleine Lieblingin, denkt mein mit liebender Wehmut, und dann erzählt den Menschen zuweilen, wer ich gewesen bin, und wie Du mich lieb gehabt hast.

16. Juni.

– – – Ja, liebes Seelchen, heute wieder bist Du sehr viel bei mir gewesen, selbst bei den dürren Arbeiten, die ich getrieben habe; wie oft habe ich die Arme ausgereckt und gedacht, säße sie doch neben dir, plauderte und kosete sie doch mit dir, ach! nur ein paar Stündchen! Oh, die hohe Sehnsucht und der süße Wahnsinn und das Vergessen aller Dinge und Untergehen aller Gefühle in einem, es geht doch nichts darüber. – Eben habe ich die Augen gesenkt ... und mir wird ganz wunderbar zu Mute. Oh, bliebest Du ewig, süßer Taumel! Auch das grüne Bändchen liegt neben mir und ein kleines weißes darum, das ich einst gestohlen habe; die beiden umschlingen jeden Tag meine Brust als liebe und fromme Gedanken. Mußt mich auch lieb haben, Furina, recht lieb, kleines flatterndes Täubchen. –


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