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Louise Adelgunde Victorie Kulmus an Gottsched

Die Briefe der Gottschedin, in Danzig geboren, sind reizende Zeugnisse der Rührseligkeit und des schöngeistigen Wesens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. S. Briefe der Frau Louise Adelgunde Victoria Gottsched, geb. Kulmus, Dresden 1771, 1. Teil.

Danzig, den 22. Septbr. 1734.

Mein allertheurester Frend!

Vergangenen Sonnabend habe ich das wichtigste Schreiben, welches ich noch von Ihren Händen erhalten, mit Vergnügen erbrochen und mit der reinsten Freude, die ein redliches, ein zärtliches Herz empfinden kann, gelesen. Fünf freudenlose Jahre haben mich durch mancherley Widerwärtigkeiten zu dessen frohen Empfange bereitet. Diese langen Prüfungen haben mich die Beschaffenheit meiner Liebe, und die gerechten Gründe dazu, in ihrem ganzen Lichte sehen lassen. Diesen habe ich nun auch die Freymütigkeit zu danken, womit ich nicht allein Ihre, mir ewig theure Zuschrift erhalten, sondern mit welcher ich auch diese Zeilen aufsetze. Ich habe nichts von alledem zu fürchten, was Sie, mein einzig Geliebter, zu erwägen mir anrathen. Ist es meinem Herzen schon damals unmöglich gewesen, den Eindruck zu vergessen, so Sie bey Ihrem Hierseyn auf selbiges gemacht, da ich, ohne eine sträfliche Treulosigkeit zu begehen, meine Neigung noch ändern konnte; wie sollte es sich künftig eines Wankelmuths schuldig machen? Eines Fehlers, der nicht anders, als mit der Verknüpfung des schändlichen Lasters begangen werden könnte, und der mich selbst in meinen Augen verächtlich machen würde? Das beständige Andenken an meinen einzigen und besten Freund, wird mich alle Augenblicke an meine Pflichten erinnern. Ich bin niemals durch Zwang zur Tugend genötigt worden; man hat mir ihre Vortreflichkeit und ihren Werth sehr lebhaft vorgestellt; ihr zu folgen aber, hat man meiner eigenen Wahl überlassen. Indessen ist mir dieselbe immer so unendlich schätzbar vorgekommen, daß ich sie aus eigenem freyen Willen erwählet. Ich hatte mir fest vorgesetzt, alles Ungemach, was ihr und ihren treuen Nachfolgern oft zu begegnen pfleget, lieber zu ertragen, als daß ich auf eine lasterhafte Art glücklich zu seyn, hätte erwählen sollen. Die Tugend führet die, so sich ihr überlassen, und ganz zu eigen geben, auf den besten Weg; sie zeiget ihnen Glückseligkeiten, die, wenn sie nicht so sehr in die Augen fallen, dennoch von längerer Dauer sind, als alle flüchtige scheinbare Güter dieser Welt. Ich nehme hierbey unsre Freundschaft zum Zeugen. So herrlich hat zuletzt das Ende derselben werden müssen. Unsere Wünsche sind erfüllt. Jetzt liegt es nur noch an mir, Ihnen, mein auserwählter Freund, ein Herz völlig zu übergeben, das Ihnen die Vorsehung schon zugedacht hat, und welches durch mancherley Proben Ihrer Liebe würdig gemacht worden ist. Ich bin fest überzeugt, daß wir beyde von Gott selbst einander bestimmt sind. Ich schlüße dieses sowohl aus der wunderbaren Art, die unsere Bekanntschaft veranlasset, als auch aus dem geheimen freudigen Verlangen, damit ich immer gewünschet, Ihnen auf ewig anzugehören.

Nun, im Namen Gottes, verspreche ich mich Ihnen, mein theuerster und bester Freund, auf mein ganze Leben mit dem festen Vorsatz, Sie über alles in der Welt zu lieben, und Ihnen treu zu seyn bin in den Tod. Bei der Fortsetzung Ihrer Liebe wird mir alles Leiden erträglich seyn, und in meinem Gemüthe keine Veränderung verursachen können. Nächsten Posttag sollen Sie ebenfalls ein sichtbares Zeichen zur Bestätigung dieser unserer Verlobung erhalten, weil ich heute nicht damit habe fertig werden können. Ich habe Sie nicht einen Posttag über die Gewißheit meiner Gesinnungen unruhig lassen wollen. Gott lasse den Segen meiner und auch Ihrer theuersten Eltern auf uns ruhen, so werden auch unsere äußerlichen Glücksumstände der inneren Zufriedenheit unserer Gemüther gemäß sein. Ich bitte mir die beständige Fortsetzung Ihrer Liebe aus; die meinige verspreche ich Ihnen nochmals bis in mein Grab, und mit welchem Vergnügen unterschreibe ich mich heute zum erstenmal meines innigst geliebten Freundes

verlobte Braut und ewig treue Freundin Louise Adelgunde Victoria Rulmus.

Danzig, den 1. März 1735.

Liebster Freund,

Sie haben Recht, daß Sie unsere Liebe eine philosophische Liebe nennen. Sie ist von den so oft gewöhnlichen Bündnissen, welchen man zwar auch diesen Namen beizulegen pfleget, sehr unterschieden. Unsere Herzen waren einig, und wir hatten nicht an die äußeren Zeichen unserer Verlobung gedacht. Um andrer willen, bestätigten wir unsere Verbindung auf die gewöhnliche Art; wie oft kann die genaueste Beobachtung der feierlichsten Zeremonien den Bruch vieler Bündnisse doch nicht verhindern? wie oft geschieht es, daß diese, der erstern ohngeachtet, vor geistlichen und weltlichen Gerichten für nichtig erkläret werden? Wir sind dergleichen Zufällen nicht unterworfen. wo die Herzen für einander geschaffen sind, sollte da wohl eine Trennung möglich seyn? Von Ihnen, mein tugendhafter Freund, hoffe ich das beste, und von mir versichere ich alles. Ich mag mich nicht einmal mit der traurigen Möglichkeit eines Unbestandes beunruhigen. Ich erwarte Sie mit Ungedult. Werden Sie auch alle meine, mit einer gewissen Oeconomie gemachten Anstalten billigen? Alle überflüssige Pracht, die nur allzu oft bey dergleichen Festen verschwendet wird, halte ich für ganz unnöthig. Zu meiner wohleingerichteten Haushaltung gehöret nothwendig eine vernünftige Sparsamkeit, und man kann nicht zeitig genug anfangen vorsichtig zu handeln. Wie viele verschwenden bey dergleichen Gelegenheit in wenig Stunden eines ganzen Jahres Einkünfte. Unser Hochzeitstag soll nicht mehr als 100 Thlr. kosten. Mein Aufwand für ganz unentbehrliche Dinge beläuft sich nicht viel höher. Wir haben eine weite Reise zu thun, und dabey ganz unvermeidliche Ausgaben, wir müssen auf unsere Einrichtung in Leipzig denken, und dieses sind nöthige Erfordernisse, bey denen keine Ersparniß stattfinden kann. Ich habe es also bey denen entbehrlichen und eingebildeten Notwendigkeiten abzubrechen gesucht. Nicht mehr als achtzehn Personen sollen Zeugen von unserm Feste, die ganze Stadt aber von unserm Glücke seyn.

Im Fall Ihre würdigen Eltern Ihres Alters und Ihrer schwachen Gesundheit wegen nicht dabey zugegen sein können: so erbitten Sie uns Ihren Segen, den Gott seinem treuen Knechte für das Wohl seiner Kinder nicht versagen wird. Endlich wird nach langem Warten der glückliche Augenblick kommen, da ich Sie mit der reinsten Zärtlichkeit umarmen, und Ihnen mit der vollkommensten Freude versichern kann, daß ich kein irdisches Glück sonst kenne, als ganz die Ihrige zu seyn,

Kulmus.


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