Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Die Kapelle. Morgen.

Hidulfus, Siegfried, Schmerzenreich.

Siegfried. Hier, wo die Bilder schön die Pfeiler schmücken
Vom Sankt Laurentio und Sebastian,
Soll man auch Genovevam bald erblicken,
Sie wird den Wundermännern zugethan.
Mag mir mein letzter Wunsch, Herr Bischof, glücken,
So bin ich ganz ein seelerfreuter Mann,
Dann fehlt mir nichts in dieser Welt hienieden
Zu meinem Seelenheil und meinem Frieden.

Hidulfus. Sprecht aus, was ihr nur immer mögt begehren,
Wenn es nicht Gottes Satzung widerspricht,
So will ich es mit Freuden euch gewähren.

Siegfried. Damit in Zukunft mir kein Wunsch gebricht,
So wünsch' ich Gott beständig zu verehren,
Zu wandeln in der Andacht reinem Licht,
Drum will ich dort ein stilles Kirchlein gründen,
Wo mir gegönnt, mein fromm Gemal zu finden.

Dort will ich ein einsiedlisch Leben führen
Und meinen Staat dem Sohne übergeben,
Ich will fortan Gebete rezitiren
Und nach dem Himmelsregimente streben;
Kein irdisch Glück soll die Begierde rühren,
In Vater, Sohn und Geist will ich nur leben;
Und dieser Sohn sei noch bevor ich sterbe,
Mein rechtsbestätigter und einz'ger Erbe.

Schmerzenreich.
So schaden, Vater, willst du mir im Theilen?
Du nimmst den Himmel für dein Eigenthum,
Ich soll dafür beim Irdischen verweilen,
Mir bleibt ein wenig Erde nur zum Ruhm.
Doch ich will auch die kranke Seele heilen,
Ich folge dir zu deinem Heiligthum,
Da wollen wir uns in Gebeten üben,
So lang' uns noch die Wallfahrt vorgeschrieben.

Hidulfus. Die hohe Frömmigkeit treibt mir die Zähren
In meine Augen, es gescheh' also.
Ich will die Bitt' euch beiden gern gewähren,
So führt ein strenges Leben still und froh;
Doch muß das Land des Schützers nicht entbehren,
Oft drängen es die Heiden wild und roh;
Drum muß Matthias euren Platz besitzen
Und Landesrecht die heil'ge Kirche schützen.

sie gehn alle ab.

Der heilige Bonifacius tritt ein und beschließt.
So gingen sie zum wunderthät'gen Bilde,
Das ihnen, als sie kamen, gab den Segen.
Das Paternoster nehmend statt den Degen
Ruht Siegfried dort, in Gottes Andacht milde.

Sie wohnten unter seinem heil'gen Schilde.
Sie aber ging auf lichterfüllten Wegen
Der schönen Dulderkrone dort entgegen,
Das Land verehrt sie im gemalten Bilde.

Die Heil'gen sind es, die den Himmel stürmen,
Das Paradies sich neu zu eigen machen,
Das uns verloren hat Adam und Eva:

Nun beten Fromme, wann sich Wetter thürmen,
Im harten Kampfe mit dem alten Drachen:
Ora pro nobis sancta Genoveva!

 


 


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