Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Schloßhof.

Wendelin, der Scherge.

Wendelin. Wie gehts dem Gefangenen?

Scherge. Er sitzt in seinen Ketten, und winselt den lieben langen Tag.

Wendelin. Was hat der Benno für ein Urtheil vom gnädigen Herrn gebracht?

Scherge. Daß er nun nicht mehr zu winseln nöthig haben wird. Ich bringe ihm hier ein schlimmes Essen, ein bitterböses Essen, das ihm nicht sonderlich bekommen wird.

Wendelin. Ich versteh euch nicht.

Scherge. Diese Schüssel mein' ich, sein heutiges Mittagsbrod; morgen wird er keins mehr bedürfen.

Wendelin. Ihr habt es vergiftet?

Scherge. So hat es der Hofmeister befohlen. Es ist lustig, daß es der arme Kerl in aller Einfalt hineinißt und nichts davon weiß, wie es ihm zuschlagen wird.

Wendelin. Ach du mein armer Drago!

Scherge. Ihr bedauert ihn wohl noch? hat er der Gräfin nicht auch Liebespulver gegeben, die sie um ihren Verstand gebracht haben? Nun, ich muß zu ihm, ehe die Köcherei kalt wird. ab.

Wendelin. Wen sollte doch der arme Mann nicht dauern?
Wer wollte wohl in dieser Zeit nicht trauern?
Der fromme Drago muß am Gifte sterben,
Die Gräfin muß im harten Thurm verderben:
Oft hör' ich hier das Kind von unten schrein
Und labte gern die Frau mit etwas Wein;
Sie leidet härter als ein Bettler Noth,
Sie lebt allein von Wasser und von Brod,
Der arme Knabe muß beinah verschmachten,
Doch keiner will auf sein Gewimmer achten;
Ach Gott! und ist vom Grafen doch entsprossen,
So schlimm ergeht es jezt des Glücks Genossen,
Wie gern will ich mein täglich Brod erwerben,
Mit meinem Stand zufrieden ruhig sterben. ab.



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