Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Schlachtfeld.

Feldgeschrei, die Mohren ziehn sich zurück, Getümmel.

Zulma gewaffnet, mit Schwerdt und Schild.
    Sie weichen! sie fliehn!
    Die Mohren weichen
    Der Christen Streichen,
    Ich seh die Monde ziehn!

    O Quaal, o Schmerz!
    O Allah höre,
    Wie ich beschwöre, –
    O brichst du Herz?

    Laß Blitze zücken,
    Wirf Donner von oben, –
    Soll'n wir dich loben,
    So laß es uns glücken.

Abdorrhaman kömmt.
Zurück in die Schlacht! – Zulma ab. Ihr feigen Sklaven
Dich Derar laß ich um 'nes Kopfes kürzen,
Du bist es, der den großen Tag verliert!

Ein Haufen Flüchtiger tritt auf.

Abdorrhaman.
Wer seid ihr? seid ihr jene Sarazenen,
Vor deren Tritt der Orient erbebte?
Ein feig Gewürm, 'ne niederträchtge Heerde,
Die vor dem blanken Schlächtermesser fliehn.
Brüll'n möcht' ich, so fühl' ich mein Herz erglühn,
Ich könnt' euch all' mit diesem Arm vernichten,
Allein mich mitten unter die Feinde flüchten!
Mir her den halben Mond! ich will ihn tragen
Und so mich in den dicksten Haufen wagen,
Wer Muselmann noch ist, der folgt mir nach. – ab.

Alle. Allah, Allah, Mahom, Allah, ihm nach! alle ab.

Otho. Hier lieg', bis ich dich weiter fördre.
Fühlst du dich matt?

Günther.                         Zum Tode matt!
Der Abdorrhaman wüthet wie ein Teufel,
Nicht Menschenkraft vermag zu widerstehn.

Otho. Sie soll ihm widerstehn, so lang ich Blut
In meinen Adern spüre. Welch Geschrei?

Ein Hauptmann flüchtig.

Hauptmann. O heißer Tag! o blutge Stunde!

Otho.                                                                   Was giebt's?

Hauptmann. Der Aquitanien ist ganz geschlagen,
Die Christen färben roth die grüne Flur.

Otho. Auch Heidenblut soll sie besprengen, leb' ich.

Siegfried mit einer Schaar.

Siegfried. Zu Karl, zu Karl, der Hammer ist im Gedränge!

Otho. Wir alle gehn zur Hölle, wenn er fällt!

alle ab.

Günther. Ich bleibe – matt mein Herz – leb wohl, du Welt. stirbt.

Trompeten, Feldgeschrei, Sarazenen mit christlichen Fahnen, Derar an ihrer Spitze. Aquitanien gefangen.

Derar. Triumph! Allah sei Dank!

Alle.                                               Triumph! Allah!
Allah gepriesen und sein großer Prophet!

Aquitanien. O führt mich fort und tödtet mich alsbald.

Alle. Triumph! Allah gepriesen! Mahom Dank! –

alle ab.

Karl Martell.

Karl. Ich muß hier Athem schöpfen! blutge Stunde!
Gedenk nicht meiner Sünde! geh o Herr
Nicht mit mir in's Gericht! – Auf, meine Geister,
Geht neu gestärkt zum Waffenwerke wieder.

Siegfried kommt.

Siegfried. Der Herzog Aquitaniens ist gefangen
Und seine ganze Schaar auf Flucht begriffen.

Karl. Ich sah sie wohl, die jugendliche Eil.
O Himmel, regne Kraft auf uns hernieder,
O heilge Mutter Gottes, deiner Fahnen
Erbarme dich und lenk du uns zum Ziel.

Otho kommt mit einem Haufen.

Otho. Nun rennt ja alles toll und wild zusammen,
Man weiß nicht, welchem Haufen man sich fügt,
Die Fahnen fliehn, die Christen sind verworren,
Wär's Sünde nicht, mein Schwerdt stieß ich ins Herz.

Karl. Frisch auf, mein Landsmann, sei nur wohlgemuth,
Ich kehre jezt an meinen Posten wieder,
Der Herzog Aquitaniens ist gefangen,
Befreie du ihn uns, mein wackrer Otho.

Otho. Das soll geschehn, wenn ich nicht kämpfend sterbe.

alle ab.

Abdorrhaman im Kampfe mit einem Franken.

Abdorrhaman.
Die Stunde deines Todes ist gekommen.

Franke. Prahl nicht zu früh, dies ist ein fränksches Schwerdt.

Ein Franken-Hauptmann.

Hauptmann. Dies ist der oberste der Mohren! gutes Glück!

Abdorrhaman.
Bleib' fort, bis ich's mit diesem ausgefochten!

Hauptmann. Ergieb dich uns, so magst du leben bleiben.

Abdorrhaman.
Dies Wort hat meine Zunge nicht gelernt.

sie fechten.

Zulma tritt auf und sticht den Hauptmann von hinten nieder.

Abdorrhaman.
Nun bin ich frei, du folg' ihm hin zur Hölle.
        der Franke fällt.
Du hast mir, Knabe, guten Dienst gethan,
Drum nenn' mir deinen Namen, daß ich danke.

Zulma, das Visir öffnend.
Kennst du mich nicht?

Abdorrhaman.                   Ihr Sterne! ist es Zulma?
Wo kömmst du her? Was hast du unternommen?
Was willst du hier? geh schnell in mein Gezelt!

Zulma. Dir nimmer von der Seite will ich gehn,
Deswegen bin ich dir so weit gefolgt,
Mit dir den Sieg, wo nicht den Tod zu theilen!

Abdorrhaman.
Ich kann nicht fechten, weiß ich dich gefährdet.

Zulma. Bewachend folg' ich jedem deiner Schritte.

Abdorrhaman.
Komm hier aus dem Getümmel! beim Propheten,
Ich weiß nicht, ist es wahr, ist es ein Blendwerk?

sie gehen.

Otho und Aquitanien kommen.

Aquitanien. Wie soll ich dich belohnen, tapfrer Degen,
Du hast mein Leben mir zurückgegeben,
Ja mehr als Leben, meine Ehr' gerettet,
Die ich im Felde wieder lösen will.

Otho. 's ist gern geschehn; es kann nochmal geschehn.

Aquitanien. Nein, meine Jugend soll mich nicht verführen,
Dein Schwerdt noch einmal in Gefahr zu bringen.

Otho. Da kommt der tapfre Karl.

Karl kommt.

Karl.                                               Die Feinde weichen!
Seid ihr zurück, mein allzurascher Herzog?

Aquitanien. Ja ich verdiene den gerechten Tadel,
Doch schwör' ich hier bei meiner Eltern Adel,
Ich schwör' es hier bei diesem guten Schwerdt,
Bei allem, was dem Ritter lieb und werth,
Bleibt nur das Leben meinem Leib getreu,
So wasch' ich heut noch meine Ehre neu.

Karl. Horch! die Trompeten rufen uns ins Feld,
Es gilt nicht mindres als die halbe Welt!

ab mit Aquitanien.

Otho. Ich bleibe, denn da tobt der Hund verflucht,
Den ich schon in der ganzen Schlacht gesucht,
Den Prahler, der als Bote gestern stand,
Heut wird er mir zum Schlachten abgesandt!
Hierher, hieher, du feiger Renegat,
Du willst dem Tod' entfliehen, doch zu spat.

Derar. Ihr schnöden Christenhunde, Mahom zeigt,
Daß seiner Macht des Nazareners weicht.

Otho. Schweig still mit deiner Zung' im Lästerrachen,
Das Schwerdt muß hier dem Streit ein Ende machen.

Derar. Gepriesen sei Mahom!

Otho.                                         Der Lügen Vater,
Du Leutverführer, Schelmenzunft-Berather, –
Jezt hör' du Thor, wie man mit Recht soll flehn:
Herr Christ, magst mir in meinem Streit beistehn.

sie fechten, Derar fällt.

Otho. Siehst wohl, daß dies die rechte Art zu beten?
Sie hilft uns gern, ungläubge Feinde tödten.
Er ist gestorben und mag nicht mehr hören,
Es hilft nicht viel dem Tauben Wahrheit lehren. geht ab.

Abdorrhaman und Aquitanien im Gefecht.

Aquitanien. Dich hab' ich mir von allen ausgesondert,
Du mußt dein Leben mir als Beute lassen.

Abdorrhaman.
Erbebe, Christ, denn viele deiner Freunde
Hat heute schon dies grimme Schwerdt gefressen;
Die Haufen fliehn, es wankt der halbe Mond,
Mahom ist uns entgegen, sich entgegen,
Doch dieses Blut, das mir im Herzen wohnt,
Verkauf ich nur für deines Herzens Blut!

Aquitanien. Ich muß, ich muß dich Stolzen überwältgen,
Es regen sich zehn Geister mir im Busen.

Abdorrhaman.
Sollt' ich mein großes, thatenreiches Leben,
Den Ruhm der Welt und meine großen Plane,
Die schöne Zukunft einem Jüngling opfern?

Aquitanien. Durch deinen Tod werd' ich berühmt, ein Mann.
Jezt ist die Stunde meiner Prüfung da,
Bin ich in Christ bestanden, bin ich wohl.

Abdorrhaman. Soll denn nur Schmach die Sarazenen decken,
Soll Mahoms Glaube wieder untergehn?
Nein Prophet, nein, ich will auf dich vertrauen,
Auf dein Verheißen meine Wohlfahrt bauen,
Magst du auf Sieg, auf Tod herniederschauen.

Aquitanien. Gedoppelt fühlst du alle deine Schläge,
Es träuft dein Blut zu deinen Füßen nieder,
Du bist schon überwunden, sei gefangen.

Abdorrhaman.
Nie sollst du so den Muselmann erblicken,
Eh will ich ja im eignen Blut ersticken. – er fällt.

Aquitanien. Du bist ein Held, ich schone deines Lebens.

Abdorrhaman.
Lös mir den Helm vom matten Haupte ab.

Aquitanien. Ich thu' es gern, – fühlst du dich nun erquickt?

Abdorrhaman zieht den Dolch.
So finde neben mir, du Christ, dein Grab.

Aquitanien ersticht ihn.
Nein, diesmal ist die Bosheit nicht geglückt,
Unedler Krieger, gern hätt' ich geschont,
Die eigne Tücke hat dir so gelohnt.

Karl Martell mit Siegfried, Otho und einem Theil des Heeres.

Karl. Weit in den Bergen ist des Feindes Heer
Zerstreut, sie wenden nach Hispanien um.

Aquitanien. Hier, großer Feldherr, liegt ihr wilder Führer,
Das Haupt der Sarazenen, Abdorrhaman.

Karl. Weiß man, wer diesen Ungestümen schlug?

Aquitanien. Durch ihn ist meine Ehre nun gelöst.

Karl. So dank' ich dir im Namen unsers Landes,
O junger Held, denn dieser war es, der
Den Willen aller dieser Heiden lenkte.
Schön hast du durch die That den Tag geschmückt,
Denn wenn sie sich von neuem auch versammeln,
Fehlt ihrer Unternehmung doch das Herz.
O glorreich, Sonne, scheinst du jezt hernieder,
Der Herr hat wundervoll für uns gestritten,
Man preise ihn durch laute Freudenlieder,
Man bring' ihm Dank, und laßt uns kindlich bitten,
Daß er uns stets beschirme, lieben Brüder,
Daß nie der Glaube weich aus unsrer Mitten
So grimmig auch des Feindes Bosheit dräut:
Gelobt sei Jesus Christ.

Alle.                                       In Ewigkeit!

Zulma eilt herbei.

Zulma.
    Wo ist er verborgen?
    Ich kann ihn nicht finden,
    Ich klage den Winden
    Die Angst und Sorgen!

    Wohin ich nun blicke,
    Nur Feinde und Leichen,
    Doch darf ich nicht weichen,
    Ich finde denn dich, mein Glücke.

Sie sieht den Leichnam.

O Abdorrhaman!
Bist du's? entstellt? unkenntlich?
Ist dies dein Ruhm? sind dies die Plane,
Ist dies die Herrlichkeit der goldnen Zukunft?
Ist dies die Liebe, die du mir gelobt?
Du Allah, dies dein uns verheißner Schutz?

Sie fällt ohnmächtig nieder.

Karl. Steht, Freunde, diesem jungen Krieger bei,
Er scheint von edlem Stande nach der Tracht,
Der Todte mag vielleicht sein Bruder sein.

Aquitanien. Er scheint kein Jüngling, sieh, mein Fürst, die Fülle
Der schwarzen Locken und die Mädchenwangen,
Den zartgeschloßnen Mund wie Rosenknospe,
O Himmel, sieh den schönsten Busen, der
Sich aus dem losgeschnallten Harnisch hebt,
Mein Sinn ist wie geblendet.

Karl.                                               Wundervoll!
Ein schwaches Mägdlein stritt an seiner Seite?

Zulma. Ich bin sein Weib, o nehmt ihn nicht hinweg!
Ich will hier neben ihm ersterben, hier
An seiner Seite soll man mich begraben.
Geliebter, hast du keinen Blick für mich?
Nicht einen Laut des holden Grußes mehr?
O schienen deine Augen doch zwei Sonnen,
Aus denen die Natur ihr Leben sog,
Aus denen Frühling auf die Erde kam;
Und sind sie nun geschlossen? Wild verödet
Steht rings die Welt, die Wonne ist entflohn
Kein Frühling kömmt mit jungen Rosen wieder,
Die Liebe ist erstorben und verwelkt,
Der Stern des Abends wird nun nicht mehr funkeln,
Er ist verlöscht, er ist hinweggeweint,
Der sonst so freundlich auf uns niederblickte.

Aquitanien. Gieb dich zufrieden, schönes Mohrenmädchen,
Die Jugend findet Hülfe leicht und Trost!

Zulma. Zufrieden bin ich, ist dies Herz erkaltet,
Ist meine Jugend mit dem Staub gemischt,
Kein Trost soll diese Schmerzen mir entweihn;
Wo ist dann Trost, wenn aller Trost erstorben,
Wo Jugend, wenn die Jugend ist verblüht,
Wo Hülfe, wenn der Himmel nicht mehr hilft?
Ihr steht und seht den blutgen Leichnam hier,
Und mich, die ob dem blutgen Leichnam klagt,
Nur als ein selten unerwartet Schauspiel,
Doch könnt, Ungläubgen, ihr es nicht empfinden,
Wie mir das Herz zerspringt, die ich die Rolle
Vor euren Augen spiele, könnt nicht wissen
Was er mir war, ach! ihr habt ihn ja niemals
Gekannt, habt seine Schönheit nie gesehn,
Nie seinen liebevollen Blick empfunden;
Ihr saht ihn nur als Feind und nur sein Zürnen.
O Macht des Himmels! Warum spricht die Zunge
So eitle Worte, warum athm' ich noch?

Siegfried. Sie will von neuem kraftlos niedersinken.

Aquitanien. Beruh'ge endlich dich, mein schönes Mädchen,
Den du verloren magst du wiederfinden,
Zwar nicht in ihm, doch einen andern Freund.

Zulma. O schweigt!

Aquitanien.             Ermuntre dich, ich biete dir
Mein Herz, mich hat die Schönheit überwältigt.
Was schaust du mich so an? Nicht diesen Blick,
Den wilden aus den schönen großen Augen,
Nein, laß mich Lieb' in ihrem Glanze lesen,
Steh auf und folge mir in mein Gezelt.

Karl. Es ziemt sich nicht, o Herzog, daß du hier
Im Angesicht des Heeres so dich zeigst,
Und die Begier nicht mäß'gen kannst; so groß
Du vorher warst, so klein erscheinst du jezt.

Aquitanien. Und wer den Namen eines großen Mannes
Erringen will, muß der Natur verläugnen?
Soll er jedwed' Gefühl der Brust entreißen?

Karl. Wir alle kommen gleich geformt zur Welt,
Doch unterscheidet das den edlen Mann
Vom Pöbel, daß er seiner Meister wird,
Daß er den Ruhm die höchste Würde achtet
Und ihm die niedern Lüste unterwirft,
Ja, daß er auch den Ruhm vergessen kann,
Wenn Pflicht die strengen Worte zu ihm spricht.

Aquitanien. Du sagst es wohl und hast es nie geübt.

Karl. Mein Herz im Busen ist vor dir verborgen,
Doch traue meinem Wort, das annoch gilt,
Ich habe mehr als einmal mich bemeistert.

Aquitanien. So sei in andrer That mein Vorbild immer,
Doch hier will ich dem eignen Sinne folgen.

Karl. So lockt der Sinn dich nur zur Sünde hin,
Du meinst es wohl, doch hast du nicht Gewinn,
Es schändet dich als einen Christen rein
Verbunden mit dem Mohrenweibe sein.

Zulma. Ihr Thoren! wollt ihr euch um mich entzwein
Und keiner fragt nach meinem eignen Willen?
Nie soll dich Jüngling meine Gunst erfreun,
Nie werd' ich deinen frechen Wunsch erfüllen;
Ihn will ich finden, er wird Stärke leihn
Dem schwachen Arm, die Sehnsucht mir zu stillen,
Seht diesen Dolch, er soll mich zu ihm führen,
Der Geist ist frei, den Leib will ich verlieren.

sie ersticht sich.

Siegfried. O wunderbares, unglückselig Weib!

Aquitanien. Wie rasch hast du das schönste Werk zernichtet,
Das noch mein junges Auge je gesehn.

Siegfried. Sie lebt' als Heidin und ist so gestorben,
Doch ist die Treu zum Manne nicht zu tadeln.

Ein Bote kommt.

Bote. Wer ist der Herzog hier von Aquitanien?

Aquitanien. Was hast du ihm zu sagen, denn ich bins.

Bote. Kehrt um, mein Fürst, mit euren tapfern Schaaren,
In eurem Lande, eurem Herzogthum
Hat sich ein giftiges Gewürm' erzeugt,
Empörung flammt von ein' zur andern Gränze.

Aquitanien. Mich ruft die Pflicht zurück, du großer Held.
Bald soll mein tapfres Volk, an ihrer Spitze
Ihr Herzog, dies unzeitge Feuer dämpfen. geht ab.

Otho tritt auf.

Otho. Wohledler Fürst, ein Mann ist angekommen,
Der deiner Gegenwart geheim begehrt.

Karl. Wer ist er?

Otho.                   Weder Namen noch Geschäft
Will er wem anders kund thun, als dir selber.

Karl. So laß ihn kommen, daß ich mit ihm rede.

Ein Unbekannter tritt auf.

Unbekannter. Bist du der Karol, zubenamt Martell?

Karl. Derselbe.

Unbekannter.   Nun so laß allein uns sein,
Ich komm' als Freund, du kannst mir wohl vertrauen.

Karl. Nie fürchten werd' ich je den einzeln Mann.
Ihr übrigen verlaßt uns.

alle übrigen gehn ab.

Unbekannter.
So hör' mich, Karl, von Heldenblut entsprossen,
Denn große Dinge will ich dir verkünden,
Die Kunst hat mir die Pforten aufgeschlossen,

Und was ich sag' sollst du wahrhaftig finden,
Denn Sterne können niemals Lüge sprechen,
Wer sie verhöhnt, belastet sich mit Sünden:

An dem wird sich Natur und Himmel rächen,
Wer furchtlos dies Gemüthe in sich hegt,
Denn um ihn wird das Glück zusammen brechen.

Was in den Himmelskreisen sich bewegt,
Das muß auch bildlich auf der Erde walten,
Das wird auch in des Menschen Brust erregt,

Natur kann nichts in engen Gränzen halten,
Ein Blitz, der aufwärts aus dem Centro dringet,
Er spiegelt sich in jeglichen Gestalten,

Und sich Gestirn und Mensch und Erde schwinget
Gleichmäßig fort und eins des andern Spiegel,
Der Ton durch alle Creaturen klinget.

Drum wer die Weisheit kennt, kennt keinen Zügel,
Er sieht die ganze Welt in jedem Zeichen,
Zur Sternenwelt trägt ihn der kühne Flügel.

Nur von der Gottheit muß er niemals weichen,
Sonst sinkt er aus der Kunst in irdisch Bangen
Und Satans Kraft mag ihn alsdann erreichen.

Doch mich trieb nie ein eiteles Verlangen,
Die reine Brust erhob sich zu den Sphären
Und reinen Sinns küßt' ich des Himmels Wangen.

Drum mag ich mich und andre auch belehren,
Und immer tiefer in den Abgrund spähn,
Und wahrer wird sich Wahrheit stets bewähren.

Dich sah ich längst schon in den Zeichen stehn,
Auch diese blutge wundervolle Schlacht
Und daß der Heide mußte untergehn.

Doch war es so verhängt von jener Macht,
Daß starben nicht ehrsüchtige Gedanken,
Die dir geboren wurden in der Nacht,

So fandst du Tod in diesen blutgen Schranken,
Und bald vergaß dich dann die junge Welt,
Wie viele Tapfre schon, die niedersanken.

Doch jezt ist dir der Ruhm gewiß, o Held,
Die fernste Nachwelt wird dich ewig preisen,
Besingen dieses schöne Siegesfeld.

Ich seh vor mir die künftgen Zeiten kreisen,
Und weit hinab schaut des Propheten Blick,
Ich will dich von der Zukunft unterweisen.

Dir blüht, Martell, das allerschönste Glück,
Bleib nur der Bahn getreu, auf der du bist,
So treibt vom Ruhm dich keine Macht zurück.

Du hast gekämpft als Feldherr und als Christ,
Hast deutsches Land dem Heidenthum entzogen,
Wodurch du selber ein Apostel bist.

Das Glück bleibt dir auch immer noch gewogen,
Und in dem jungen Pipin, deinem Sohn,
Hast du den Herrscher Deutschlands auferzogen.

Nach deinem Tod besteigt Pipin den Thron,
Gereift sind dann die glanzgekrönten Zeiten,
Er nimmt das goldne Diadem zum Lohn.

Der Papst wird selbst ihm seinen Schmuck bereiten,
Der Bischof Bonifacius wird ihn krönen,
Das deutsche Volk verehrt den Eingeweihten.

Dann wird er die Vasallen selbst belehnen,
Vor ihm war nie die Macht so hoch gestiegen.
In fernen Landen wird sein Name tönen.

Sein Sohn, dein Enkel, wird noch höher fliegen,
Nach deinem Namen wird er Karl genannt,
Italia wird er, Sachsen auch besiegen.

Durch ihn erkennt den Christ das ganze Land,
Der Himmel freut sich seiner edlen That,
Der Preis des Großen wird ihm zuerkannt.

Ich seh, wie fremde Botschaft sich ihm naht
Aus fernem Orient, Freundschaft ihm zu bringen,
Er lebt, regiert beglückt und endet spat.

Ihm muß es noch im großen Rom gelingen,
Des Occidentes altes Kaiserthum
Aus der Vergessenheit heraufzubringen.

Ich hör' den Ruf in Peters Heiligthum,
Wie ihn der heilge Vater Kaiser heißt,
Ihm giebt des treuen Gottesknechtes Ruhm.

Der Orient ihn, der Occident ihn preis't,
Und alle Völker sich der Größe neigen,
Und er des Glücks bescheidentlich geneust.

Doch hier muß meine Zung' und Rede schweigen,
Was dann erfolgt, ist mir verborgen blieben,
Kein Stern will sich der fernern Zukunft zeigen,
Doch steht die Schrift am Firmament geschrieben. geht ab.

Karl. Welch Lied, das wie ein Geisterspruch erklungen,
Das meinen Geist zur Himmelssphär' entrückt?
Der Ton ist in das tiefste Herz gedrungen,
Wie ist mein Sinn und mein Gemüth entzückt!
Es war, als wenn sich Seraphim umschwungen,
Mit Blitzen ward mein Inneres durchblickt: –
O welche Wonne, welchen Seelenfrieden,
Welch' Herrlichkeit hast du mir, Gott, beschieden! geht ab.



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