Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Felsenthal.

Heinrich. Ist hier auch nur wenig Gras für das arme Vieh. Die Winde gehn kalt, die Blätter fallen ab, es wird ein früher Winter. singt.

    Wie fern liegt dies Thal
    Von der Welt Herrlichkeit,
    Hier wohnen zumal –

Wen führen sie denn gebunden herbei? – Großer Gott! es ist der Golo! entflieht.

Golo geführt, Matthias, Kunz, zwei andre Ritter.

Matthias. Hier ist die Stätte, wie man mir gesagt,
Nun halt dich fertig, schnöder Bösewicht.

Kunz. Den ganzen Weg hieher hat er gebrüllt,
Wie ist er nun so plötzlich still geworden?

Matthias. Hast du noch was zu sagen, eh' du stirbst?

Golo. Euch nichts; doch laßt mich vorher beten.

Matthias. Das sei vergönnt.

Golo knieend.
    Dicht von Felsen eingeschlossen –
    O vergieb mir große Güte, –
    Wo die stillen Bächlein gehn, –
    Warum bist du fern geblieben?
    Wo die dunkeln Weiden sprossen –
    Wie kann ich mich so gar nicht, gar nicht finden!
    Allmächtiger! vergieb mir meine Sünden! –
    Dicht von Felsen eingeschlossen –
    Und immer immer das Lied mir wiederkehrt –
    Wo die dunklen Weiden sprossen.–
    Und mich in meiner Andacht stört –
    Wo die Bächlein –

Allmächt'ger Gott! Wo bin ich hingerathen?
Da stehn die Weiden! Sieh, dort schleicht der Bach,
Da sind die Felsen, schließen eng uns ein.
Gelobt sei Gott! – Wünsch' ich bald mein Grab zu sehn! –
Wie hat dies Lied prophetisch mir geklungen!

Matthias. Nun, bist du bald mit Beten fertig?

Golo.                                                                     Gönnt
Mir Raum, ihr hättet auch wohl Noth, euch ab
So böser Schuld zu thun. Nun tödtet mich
Und schenkt ein Grab mir unter diesen Weiden.

Matthias. Nein, unbegraben soll dein Körper liegen,
Den Raben und den wilden Thieren Beute.

Golo. Nein, nur ein Grab! das Lied hats so versprochen.

Kunz. Er ras't, ich hab' ihn nieder schon gestochen.

Golo. O nur ein Grab! ich wünsche ja nicht viel.

Matthias. Er stirbt, hier hat die Rache unser Ziel,
Hat er noch gute Freunde in der Welt,
So sei von denen ihm ein Grab bestellt. gehn.

Golo. Erlöser, löse mich aus dieser Quaal –
Dort im fernen einsam grünen Thal. – stirbt.

Heinrich kommt zurück.

Heinrich. Ach großer Gott! Was haben sie angerichtet? Wie schlimm ist es dir, mein lieber Golo, ergangen? Du bist immer so gut gegen mich gewesen, dir hab' ich alles zu danken, und ich kann dir nun dafür nichts weiter, als ein ehrlich Begräbniß schenken. Aber ich will dich begraben, und auf deinem Erdhügel weinen, und oben zu deinem Andenken einen jungen Baum pflanzen. Lieber Himmel, wer hätte das denken sollen! –



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