Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Siegfried, Otho.

Otho. Was ist dir lieber Kriegsgefährte Siegfried?
Die alte Munterkeit ist dir entschwunden,
So sitzest du und nagst dein Herze ab;
Hast schlimme Botschaft aus der Heimath kriegt?

Siegfried. Nein Otho, keinen Grund mich zu bekümmern,
Doch kümmerts mich am meisten, daß ich traurig
So ohne Grund bin, das bedeutet Unheil.

Otho. Was da von Unheil! ich bin auch verdrüßlich,
Es macht, weil wir wie träge Thiere hier
Im Lager nisten, keine Kriegsthat üben,
Das macht mich auch muthlos und schwer im Denken;
Doch tummelten wir uns im freien Felde,
Die Fahnen hoch im Fluge uns voran,
Trommeten in dem Rücken hinter drein,
Der Klang von Schilden und von Schwerdtern um uns,
Die Trommel in der Ferne laut gerührt,
Die Rosse wiehernd, wir mit Feldgeschrei,
O Siegfried, alle Schwermuth wär entwichen,
Wir tobten trunken in dem Krieger-Fest.

Siegfried. In meinem Herzen ist ein wunderlicher
Tumult, es will da irgend was heraus,
Und ängstet sich, ich weiß nicht was es ist.
Wie einer liegt lebendig eingegraben,
Herauf von unten dumpf nach Hülfe winselt.

Otho. Still! – Horch, ein Lärmen auf dem rechten Flügel!

Siegfried. Es ist der Wachen Rufen, die sich lösen.

Otho. Mir klingts wie Feldgeschrei in meinen Ohren. –
Sieh da, was soll die Flamme doch bedeuten,
Die dort empor von unsern Zelten leuchtet?

Siegfried. Wachtfeuer sind es in des Mondes Schimmer.

Otho. Gott helf mir meiner Sünd', das Lager brennt!
Ich seh den Rauch, ich seh die Flamme fressen,
Ich höre schon die Kriegesinstrumente;
Auf Siegfried! horch, wie sich der Lärm erhebt,
Wie er empor wächst gleich des Meeres Flut
Und näher sich und näher wälzt.

Siegfried.                                             Die Heiden
Sind aus der Stadt gebrochen.

Hauptleute und Reiter durcheinander.

Hauptleute.                                   Auf, ihr Kriegsmann!
Es sind die Mohren aus der Stadt gefallen,
Zu'n Waffen alle! zu den Waffen! Auf! ab.

Karl Martell mit Gefolge.

Karl. Die Hunde sind ins Lager eingebrochen,
Die Zelte stehn in Brand, sie morden wüthend
Die unbewehrten Christen; auf! wer deutsch denkt,
Ermannt euch, all mir nach dem Feind entgegen! ab.

Siegfried. Komm, Freund, die Schwerdter fasten ist nun aus.

Otho. Bei Gott, ich bin lebendig zu dem Streit,
Es boßt mich, daß sie uns so wehrlos fanden.

Siegfried. Nicht wehrlos, wenn wir noch die Arme rühren. ab.

Karl Martell.

Karl. Wir gehn zu Grunde! blutig dräut der Himmel.
Laßt schnell die Mannschaft mit den Aexten rücken,
Die Lanzenträger vor, die schnellen Reiter,
Und links am Fluß die mit den Hellebarten.
Daß Gott erbarm, die Nacht ist fürchterlich,
Es rasen Feind und Freunde durcheinander;
Es schwimmt die Kreuzesfahn' in Christenblut,
Sie sei das Segel, das uns heimwärts bringt. ab.

Getümmel, Geschrei, Flucht der Christen.

Einige christliche Hauptleute treten auf.

1. Hauptmann. Flieh fort, wer fliehen kann.

2. Hauptmann. Wohin? in den Fluß? dem Feind entgegen?

3. Hauptmann. Ich liege hier, die Wunde in der Brust ist tödtlich. fällt.

1. Hauptmann. Leb' wohl, Freund.

Otho herein.

Otho. Wo weilt ihr? Wollt ihr fliehn? Zurück, wo der Feind steht! Kommt, Gesindel, in Gottes Namen und zeigt, daß ihr Edelleute, daß ihr Christen seid! Tobt, stürmt, schlagt die Trommeln, daß man unser feiges Winseln nicht hört! – Du auf da!

1. Hauptmann. Er ist todt.

Otho. Dann mag er bleiben, dies dient ihm zur Entschuldigung. Wir alle müssen so aussehn wie er, oder die Feinde zu seines Gleichen machen. ab.

Ali von der andern Seite mit Gefolge.

Ali. Sie sind in unsre mächt'ge Hand gegeben!
Sieh, wie der Strom vom Feuerbrand erglänzt,
Man sieht dort unten Christ und Mohren kämpfend.
Heut wird der Mond das Kreuz verdunkeln. Karl
Tobt wie ein wüthend Thier, doch ist er schwach.

Hauptmann. Horch, innerhalb der Mauern gehn die Glocken!

Ali. So steh mir Allah bei, was soll's bedeuten?

Hauptmann. Dort hinter'm Walle sprüht ein Feuer auf,
Ich seh sie oben auf den Zinnen kämpfen,
Wir sind verrathen, unsre Wachen drinnen
Sind von den Christen angefallen.

Ali.                                                           Mahom,
Was machst du? Soll dein Bund vergehn? beim Himmel,
Nun muß der Muselmann den herbsten Grimm,
Den Feuerzorn den Christen entgegenspeien
Ins Antlitz und ihr Blut mit Lüsten trinken!
Hinweg! die Wuth läßt meine Zunge stammeln!

alle ab.

Otho wird verwundet von Kriegern hereingebracht.

Otho. Hier laßt mich liegen, und geht ihr zurück.

Diener. Ihr seid nicht sicher, euch taugt nicht die Luft.

Otho. Zum Sterben ist jedweder Ort noch sicher,
Was kümmern sich die Wunden um die Luft,
Wenn sie der Mohren Säbel nicht gefürchtet?
Denn wißt nur, daß ich lange schon geblutet,
Zuletzt konnt' ich mich nicht mehr halten. Geht!
        die übrigen ab.
Wie das Getümmel jezt dort unten lärmt,
Das Feuer leuchtet bis hieher, der Brand
Im Lager, Feuer in der Stadt, das Schrein,
Der Klang der Panzer, drin das Glockenläuten,
Wie alles furchtbar sich verwirrt und mengt.
Herr Gott erbarm' dich meiner. Meine Wunden
Sind brennend wie die Stadt und die Gezelte!
Wie schön das Feuer hier herüber leuchtet!
Wie in der dunkeln Nacht die Flamme glänzt
Und in sich selber tobt mit freier Glut,
Die Funken wirft und weit hinunter blickt,
So wie ein Auge in der Nacht, wie Oeffnung,
Wo man durch schwarzen Vorhang Morgen sieht,
Und wie dann alles löscht und in sich sinkt,
Erst Glimmern, dann die Kohle, taube Asche
Zuletzt: so ist des Kriegers Leben auch;
Sein Leben ist der Glanz in öder Nacht,
Was einzeln in der Welt als Funke lebt,
In ihm gedrängt und herrlich grimmig leuchtend,
Dem Feind Verderben, seinen Freunden Schutz,
Ihn wälzt der Schlachttumult hinauf, hinab,
Er kämpft die Wogen unter sich, entzündet
Im Kriegeszorn, dann löscht er in sich selber,
Verblutet so wie ich das rothe Leben,
Verglimmt, versiegt und über ihm das Dunkel.
Herr Gott erbarm' dich mein!

Ein andrer Hauptmann.

Hauptmann.                                   Wo seid ihr denn,
Herr Otho?

Otho.               Hier, in meines Gottes Namen.

Hauptmann. Doch nicht verwundet?

Otho.                                                       Wie ich hoffe sterbend.

Hauptmann. Sterbt nicht, der Feind ist schon zurückgeschlagen
Und Karl Martell mit in die Stadt gedrungen,
Die Bürger ihm entgegen, drin die Mohren
Allseitig eingedrängt, es war ein Metzeln
Wie nie mein Auge noch gesehn.

Otho.                                                     Doch wir
Sind Meister?

Hauptmann.       Ja, vom Lager ganz und wie
Ich hoffe, bald auch von der Stadt.

Otho. So sterb' ich gerne.

Hauptmann.                       Viel der Unsern sind
Gefallen, viele schwer verwundet, Siegfried
Ist scharf getroffen in dem linken Schenkel
Von einem Pfeilschuß.

Otho.                                   Geht nur in die Schlacht,
Daß ich vor Gott zu stehn mich möge sammeln.

Hauptmann ab.

Siegfried von Kriegern verwundet hereingetragen.

Siegfried Legt mich hieher und helft den Sieg erfechten.

Krieger ab.

Otho. Wie, sehn wir uns denn wieder, Kriegsgefährte?

Siegfried. Auch du?

Otho.                         So können wir noch Abschied nehmen,
Das hab' ich mir gewünscht, nun sterb' ich freudig.

Siegfried. Du armer Mann, mußt so den Krieg verlassen?

Otho. Das thut mir weh, da wir schon Sieger sind,
Doch wieder wohl, daß ich in Freiheit sterbe.
Allein gern will ich dir gestehn, noch mehr
Der Schlachten wünscht' ich zu erleben, öfter
Das Schwerdt zu brauchen für die deutsche Sache,
Ein Held zu sein und brav erfunden werden.

Siegfried. Und du mußt sterben?

Otho.                                               Ja, ich glaub's gewiß.

Siegfried. An dir hat einen Mann der Krieg verloren.
Gern hätt' ich dich noch öfter so getroffen,
Wie ich dich in dem Mohrenkriege fand.

Otho. Für dieses Leben ist es nun vorüber.
Schmerzt dich die Wunde?

Siegfried.                                 Ja, sie sticht; der Pfeil
Ist noch darin, es war kein Arzt zugegen.

Otho. Wird jenseit auch wohl Krieg zu führen sein?

Siegfried. Da ist kein Hader, da gilt keine Zwietracht.

Otho. Doch gegen Satan, seine Legion.

Siegfried. Ihn kämpfen wir schon hier, in unsern Lüsten,
Begierden, ungezähmten Wünschen, Zorn
Und Neid und Haß und allen Leidenschaften;
Wenn wir sie überwältgen, ist der Satan
Besiegt, dort ist mit ihm nichts mehr zu schaffen.

Otho. Ich sterbe doch für Christi heil'ge Lehre?

Siegfried. Mit deinem Blut hast du sie untersiegelt.

Otho. Ich werd' ohn' Sakrament und Oelung selig?

Siegfried. Das Schlachtfeld ist das schönste Sterbebette.

Otho. So laß uns also, Bruder, Abschied nehmen,
Ich habe keine Freunde, keine Brüder,
Nicht Weib, nicht Kind, noch sonst verwandte Leute.
Drum hätt' ich länger gern dem Krieg gelebt;
Doch soll's nicht sein. – Du bist der einz'ge Mann,
Der mich gekannt, geschätzt, geliebt, drum gieb
Mir deine Hand, daß ich sie fühle jezt, –
Die Flammen löschen, – tapfrer Freund, fahr wohl! stirbt.

Siegfried. Fahr wohl, redlich gesinnter Degen du!
Ich finde nicht mehr deines gleichen wieder. –

Hauptmann tritt auf.

Siegfried. Wie steht es?

Hauptmann.                     Unser ist die Stadt, und Karl
Als Sieger drin, die Mohren all erschlagen;
Geendigt ist der Krieg.

Siegfried.                           Ich liege hier.
Tragt mich und meinen todten lieben Freund
In unser Zelt. Gott hat uns geholfen.



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