Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Sarazenisches Lager. Nacht.

Derar und Abdorrhaman, Ali.

Abdorrhaman.
Der Himmel hat sie unsrer Hand gegeben,
Wir wollen ihm gefällig Opfer bringen,
Daß keiner dieser Christenhund' entrinne.

Derar. Ihr Feldherr sprach von dir verachtungsvoll,
Dafür mußt du den Stolzen züchtigen.

Ali. Sie können unsrer Macht nicht widerstehn,
Die Schaaren all' in wilder Glut entbrannt,
Nach Beute gierig und zum Morden schnell.
Dir junger Held hat Allah vorbehalten
Von Spanien aus Europa zu verwüsten
Und Christus falsche Lehre zu vernichten.
Ist nur der Karl zu Boden erst geworfen,
So findest du bis zu den Eisgebirgen,
Bis zu den Ländern wo die Zwerge wohnen,
Kein Auge mehr, deß Feuer es noch wagte
Mit Trotzen dir ins Angesicht zu blicken.

Abdorrhaman.
Gepriesen sei der mächtige Prophet,
Der bis hieher mit uns gekämpfet hat.
Doch möcht' ich diesen Karl zum Freunde lieber
Als gegenüber mir zum Feinde haben;
Der Ruhm hat ihn mit allen seinen Kränzen
Geschmückt, und dürft' ich einen Mann beneiden,
So wär' es dieser heldenmüthge Karl.
Sieh, er ist König von dem fränkschen Reich;
Denn hat der König mehr als nur den Namen?
Italien eifert um des Helden Freundschaft,
Was gilt's, er stellt das Reich des Occidentes,
Das alte Kaiserthum mit erstem her,
Wenn nicht das Schicksal ihm den Tod bereitet?
Daß keiner dieser Christen seinen Vortheil
Erkennen will und was ihm wahrhaft nützt,
Sonst müßte der Martell mit mir sich einen,
So dürft' er kühn mit mir die Welt beherrschen;
Doch haben es die Sterne so gefügt,
Daß wir als Feinde Stirn der Stirne bieten,
Und Allah lenkt zu seinem Vortheil alles.

Derar. So steht der Mensch dem Menschen stets entgegen,
Ein jeder geht für sich auf eignen Wegen,
Dir dient's, dich vom Kalifen los zu sagen
Und auf dein eignes Glück dein Glück zu wagen;
Er hat Constantinopel nicht gewonnen,
Ihm ist die Gunst der Sterne schon zerronnen,
Dir blühen glänzend alle günstgen Zeichen:
So magst du denn die höchste Palm' erreichen.

Abdorrhaman.
Mit Allah und im Namen des Propheten,
Denn bald beginnt der Morgen sich zu röthen.

sie gehen.

Zulma tritt in Kriegskleidung auf.
O Zelte! die ihr meinen Liebsten bergt!
O nächtlicher, mondbeglänzter Himmel!
O ihr Bäume! wo wandelt jezt sein Fuß?
Er weiß nicht, daß ich hier zugegen bin,
Er will nicht, daß ich ihn begleiten soll,
Er wähnt nicht, wie so nah mein Herz ihm schlägt.
Die Wachen gehn umher mit ernstem Gange,
Schon lassen sie das bleiche Feu'r erlöschen,
Der Mond wird blasser mit den kleinen Sternen,
Die Hähne krähen aus den nahen Dörfern.
O Abdorrhaman! liebst du deine Zulma?
Fühlst du den Geist durch ihre Gegenwart erregt?

    Gegen dein Gezelt,
    Wo der Waffen Klang,
    Wend' ich den Gesang,
    Du bist mir die Welt!

    Willst im Harnisch gehn?
    Schlachten willst du streiten
    Und es soll von weiten
    Ungekannt die Liebe stehn?

    Lockt dich kein Heimweh zurück?
    Gönnst du mir gar keinen Blick? –
    Bleib zurücke rother Morgen!

Ach er dämmert mehr und mehr,
Mit ihm Pein und Angst und Sorgen,
Blaß sieht nun der Mond daher;
Ja, der Mond ist in der Trauer
Daß sein Bildniß soll entfliehn,
Daß nun fällt die span'sche Mauer,
Daß mein Liebster soll verblühn!
O ihr hohen Himmelsmächte,
Ist die Zeit dahin verschwunden?
Wo sind jene Tag' und Nächte,
Jene Brunst der Liebesstunden?
Jene Blicke,
Jenes Winken,
All mein Glücke,
Alle Küsse,
Die Genüsse,
Muß so schnell das all versinken?
Schwerdt ertönt an Schild geschlagen
Und der Tod hält Musterungen,
Wen er will als Beute schlagen,
O dies Herz will schon verzagen:
Allah, sei es uns gelungen!

Abdorrhaman zurück.

Abdorrhaman.
Wer bist du?

Zulma.               Ach ein armer Knabe, den
Sie jung her in den wilden Krieg geführt,
Um in dem Treffen umzukommen.

Abdorrhaman.
Warum bist du zu Hause nicht geblieben
Wenn du dem Herzen und dem Arm nicht traust?

Zulma. Mich zog die Liebe her zu meinem Herrn,
Ich sterbe hier, doch wär' ich auch gestorben
Am innren Weh der Trennung und Entfernung.

Abdorrhaman.
Ergieb dich dem Gebet, bald rückt das Heer aus. ab.

Zulma. Er kennt mich nicht,
Er argwöhnt nicht, daß ich es sei;
Ja beten will ich, brünstig Allah flehen,
Daß ich gesund den Abend möge sehen
Und lebend, Liebster, dir zur Seite stehen.
O Sterne, hüllet ihn in eure Gunst,
Werft um ihn Netze stärker denn von Stahl,
Treibt ihm zurück der Feinde Zahl,
Liebt ihn mit meines Herzens Brunst! geht ab.



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