Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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In Avignon.

Benno. Ein Arzt.

Arzt. Durch eure Zeitung ist die Krankheit viel schlimmer geworden.

Benno. Es sind betrübte Tage, wir alle im Schloß sind hoch bekümmert.

Arzt. Die Wunde kann durch Zorn und Schreck tödtlich werden.

Siegfried kommt herein, mit einem Brief in der Hand.

Siegfried. Erst heut hab' ich den Todespfeil empfangen!
O schmachvoll Weib! o heuchlerische Schlange!
Wie listig, fromm, und tugendhaft erschienst du!
In unsern Weibern gab uns Gott den Fluch. –
Daß sie noch lebt, daß ihr Verführer lebt!
Der Schande! warum hat sie Golo nicht
Alsbald getödtet?

Benno.                         Gnäd'ger Graf, er dachte,
Daß euer Urtheil dazu nöthig wäre.

Siegfried. Wie hat sie Gott nicht schnell hinweggerafft,
Eh sie den sündlichen Gedanken faßte?
Ha, wie's in meinem Busen tobt! Wie Schwerdter
Zerschneidets mir so Herz wie Eingeweide.

Arzt. Ihr müßt euch doch beruh'gen, edler Graf,
Denn so kann eure Wunde nicht genesen.

Siegfried. Wer sagt, daß ich genesen will? Nein, Tod
Ist mein Gedank', mein Wunsch, mein einzig Leben,
Genesung ist für mich im Sterben nur,
Ich will mit eigner Hand das Band aufreißen,
Hinein in meine Wunde wüthen, daß
Das Blut in Strömen fließe, meine Schmach
Mit meinem Leben so zugleich verrinne.

Arzt. Nein, haltet, gnädiger Herr, wir müssen euch
Gewaltsam zwingen, wenn ihr euch nicht kennt.

Siegfried. Was wollt ihr denn, daß ich noch leben soll,
Wenn meine Ehre fort ist, die mein Leben?
Ich bin gestorben, wenn ich auch noch athme,
Mich rege, darin ist fürwahr kein Leben.
Mein Weib, die ich geliebt, die ich geehrt,
Die falsch an meinem Halse Thränen weinte
Als ich zum Kriege reiste, – die ist bös,
Entehrt von einem Diener, mich entehrend,
Die hat das Herz im Busen mir zerrissen,
Die macht, daß ich mir selber nicht vertraue;
Denn sie schien mir das Edelste zu sein,
Das Beste, was die Welt nur hegt, ich war
Ihr Spiegel, sie mein Glück, – verflucht ihr Name
Und jeglicher Gedank', der an sie denkt!
Ich kann nicht mehr, die Kräfte schwinden mir.

Arzt. Beruhigt euch, dies Toben zehrt euch auf.

Siegfried. O Genoveva! warum hast du das
An mir gethan? Erzähle, sprich! der Brief
Genügt mir nicht, ich seh, wie Golo gern
Es all verbärge, wenn es möglich wäre.

Benno. Ihr wart, mein gnäd'ger Graf, kaum abgereist,
So merkten wir zum Drago ihre Liebe,
Sie zog ihn vor, sie sprach mit ihm, er war
Ihr einziger Gefährte und Begleiter,
Doch dachten wir nichts Arges. Golo sprach:
Wir müssen sie verehren, tugendvoll
Ist ihr Gemüth und nie erschien es anders,
Drum sei von uns jedweder Argwohn fern.

Siegfried. Die Tugend will nicht gern an Laster glauben,
Daran erkenn' ich dich, mein treuer Golo.
So ging es mir, ich hätte ihr vertraut
Mein Gut, mein Leben, meine Ehr' und alles.
Ich hab's gethan, und sie hat es vergeudet
Im schnöden Muth! Indeß ich heil'ge Schlachten
Für Gott und Gottes Sohn mit Muth gekämpft,
Hat sie dem Satan sich ergeben wild;
Indeß ich litt für Christus hohe Sache,
Hat sie, die Schändliche, die Lust gebüßt;
Indeß ich oft am Abend ihrer dachte,
Wenn mir die Schmerzen keine Ruhe ließen,
An jenem Tag, als unter herber Marter
Der Pfeil gezogen wurde aus dem Fleisch
Mit seinen Widerhaken, ich zu sterben
Vermeinte und den Namen Genoveva
Mit Christi Namen heftig, duldend mischte:
Indessen hat sie meiner gern vergessen
Und ihrer niederträchtgen Lust gedacht.
O Sarazenen, blinde Heiden, nun
Dürft ihr uns keck besiegen, denn bei euch
Ist Keuschheit noch und Tugend, eure Weiber,
Sie wissen für den Gatten noch zu sterben;
Sie dulden alles, nur nicht fremde Liebe.

Benno. Wir alle sind des Glaubens, daß die Gräfin
Vom bösen Drago Liebespulver kriegte,
Die sie der Schaam durchaus vergessen machten,
Denn er ist weder schön noch jung, um Liebe
In einer Brust zu wecken, die gesund. –
Nun ward auch Golo selber aufmerksam,
Er warnte sie, doch in bescheidnen Worten,
Doch gab sie seinen Worten kein Gehör.

Siegfried. So ist Hispania durch ein Weib verdorben,
Die Schuld war, daß die Mohren eingebrochen,
So litt die Christenheit durch böse Liebe
Des Roderich: so sind wohl Reich' und Städte
Schon oft gestürzt durch Schändlichkeit und Lust.

Benno. Jezt, sagte Golo, fordert es mein Amt
Und mein Gewissen, die versprochne Treue,
Daß ich nicht länger schweige; mit uns drauf
Ist er in das Gemach gedrungen, wo
Wir Genoveva mit dem Drago fanden,
Wie ich es euch nicht wohl beschreiben darf.
Er hieß den Drago in den Kerker werfen,
Noch wollte sie nicht von ihm lassen; drauf
Sah Golo sich gezwungen, auch sie selber
In Thurm zu legen, wo sie seit 'nem Mond
Ein Kind zur Welt gebracht, das Drago's ist,
Wie alle sprechen, euer kanns nicht sein,
Da ihr schon länger als zehn Monden fort.
Vergebt mir nur, daß ich euch also kränke,
Der erste bin, der euch dies Unglück kündet;
Noch nie hat mir mein Dienst so schwer gedünkt.

Siegfried. Genug! ich will mein Blut bezähmen, mich
Gewöhnen an den schändlichen Gedanken.
Zurück mit aller Eil', und Drago laß
Alsbald des Todes sterben, wie er muß
Nach dem Gesetz; doch Genoveva mag
Auf meine Ankunft warten. Also sei's.

Benno ab.

Arzt. Wir wollen jezt nach eurer Wunde sehn.

Siegfried. Die rechte Wunde kann kein Auge sehn.
Ich habe mich gezwungen und bemeistert,
Doch dünkt mir alles immer noch ein Traum.
Ich weiß nicht, wie es ist, die innre Wuth
Hat alle meine Kräfte aufgezehrt,
Ich fühl' mich matt und hülflos wie ein Kind.

sie gehn.



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