Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Garten.

Golo, Gertrud.

Golo. Ihr habt nun das Geständniß meiner Lippen,
Ihr wißt nun alles, Mutter, rathet mir.

Gertrud. Wie geht es in der Welt so wunderbar,
Wer hätte das doch damals wohl gedacht,
Als ihr zuerst in dieses Schloß gekommen?
Nun, nun vielleicht geschehn noch große Dinge,
Wer weiß, ob unser Graf ihn überlebt
Den Krieg. Es mag sich manches seltsam fügen,
Kömmt Berg und Thal doch wohl zusammen, leichter
Noch Mensch und Mensch, so wünsch' ich euch denn Glück.

Golo. Zu meinem Unglück? meinem Tode? so
Wird sich mein muntrer Lebenslauf beschließen.

Gertrud. Ja Tod und sterben! Stirbt sich nicht so leicht,
Doch gleich zuerst fällt darauf junges Blut;
Glaubt mir, mein lieber Golo, manches Jahr
Hab' ich vor euch voraus und auch Erfahrung:
Die Menschen bleiben eben immer Menschen,
Ob hoch, ob niedrig, das gilt alles gleich.
Wär ich ein wackrer junger Herr, mit Augen
Wie ihr, ich hielte meine Hoffnung fest,
Und wär' ich in die Königin verliebt.

Golo. Wie du nun sprichst! du weißt nicht was du sagst;
Wie eine Heilge steht sie vor mir da,
Ich darfs nicht wagen, ihr Gewand zu rühren,
Ihr Blick schlägt meinen Blick darnieder, ja
Ich schäme mich in ihrer Gegenwart
Der reinesten Gedanken oder Wünsche.

Gertrud. Nun ja, das ist die rechte Höhe just,
Das ist es grade, wo die Jugend immer
Sich selbst und die Gelegenheit vergißt,
Um ihre Einfalt später zu bereun.
Nichts kettet so die armen Weiber fest,
Als diese tiefe innige Verehrung,
Die heilge Scheu, ob man im Tempel wäre;
Doch achten sie auch keinen je geringer,
Als wer in dieser Andacht stehen bleibt,
Und nicht das Werk bis zur Vollendung treibt.

Golo. Ihr kennt sie nicht, ihr kennt sie warlich nicht.

Gertrud. Du wirst mich doch nicht Weiber kennen lehren?
Ich war ja selber jung, sah andre Frauen
Dicht neben mir, so adlich wie gemein,
Und warlich alle kamen überein.

Golo. Nein, meine gute Gertrud, viele Frauen
Hab' ich gesehn, von Schönheit und von Adel,
Und alle schienen mir so von Gemüth,
Daß ich von allen gerne glauben will,
Sie seien so, wie ihr sie mir geschildert;
Auf ihre Schönheit waren alle stolz
Und alle kamen gern dem Mann entgegen,
Doch Genoveva ist die einz'ge des Geschlechts,
Sie weiß um ihre Schönheit nichts, und nichts
Um ihre Lieblichkeit, sie hat den Himmel
In ihrem Auge und verschönt die Erde.
Seit jener Stunde, da ich sie gesehn,
Dünkt mir nichts anders mehr auf Erden schön.
Seit ihrer Wangen Roth mein Auge küßte,
Ist mir, als ob der Mund es ewig müßte,
Verfolgt mein Blick den Bau der schönen Glieder,
Fällt von der Brust zu vollen Hüften nieder,
Steigt zu dem hellen Bronn des Auges wieder,
So wird ein böser Geist im Herzen wach
Und reißt der Holdesten mich mächtig nach.
Doch wenn die Trunkenheit ein Ende nahm,
So fühl' ich im Gesicht die rothe Schaam,
Dann wag' ich nicht den Blick emporzuheben,
Und sollte selbst darob vergehn mein Leben.

Gertrud. Die Jugend ist zu schüchtern allzuoft,
Das Alter dann gewöhnlich zu verwegen,
Doch wer in beiden Maaß und Ziel nur trifft,
Wird auch des rechten Zieles nicht verfehlen.

Golo. Nur einmal ihren Busen an den Mund,
So bin ich wohl auf Lebenszeit gesund,
Nur einmal soll ihr Herz an meinem schlagen,
Dann mag das Glück mir alles doch versagen;
Daß ich sie einmal recht von Herzen küsse,
Daß sie es nur, wie ich sie liebe, wisse,
Dies eine nur will ich vom Schicksal flehen:
Mag Jugend doch und Leben dann vergehen.
Wie war ich sonst vom muntern Geist beflügelt,
Wie bin ich jezt von Angst und Pein gezügelt,
Mein Wunsch war in der Gegenwart befangen,
Es drängte mich nach jenseit kein Verlangen;
Da glänzte mir entgegen Kriegesruhm,
Es lockte mich das alte Heldenthum,
Die Glorie von verklärten großen Namen,
Sie riefen mich, die Thaten nachznahmen:
Kam ich zurück von Schlacht und wildem Streite,
Sah ich ein junges Weib an meiner Seite
Und Kindelein, die mir entgegen scherzten
Und sich mit mir und ihrer Mutter herzten,
War mir im Alter Ruhm und Ehr und Preis,
Der Arm ermattet und der Schädel weiß,
So legt' ich dann zur Ruh den braven Degen
Und sah getrost dem Grabe mein entgegen,
Zum Tode reif, das Leben schön genossen,
Und von den Liebsten auf der Welt umschlossen. –
Das alles will mir jezt nicht mehr gefallen,
Ob ich gezählt zu Freien, zu Vasallen,
Ob Lobgedicht zu meinem Ruhme tönt,
Ob Adel mich und Pöbel frech verhöhnt,
Ob ich an Grafen Statt einst soll regieren,
Und ob ein ärmlich knechtisch Leben führen,
Macht Heldenmuth mich kühn, die Feigheit bleich,
Dies alles gilt jezt meinem Herzen gleich.
Seht, welchen Ruhm der Mohrenkrieg verhieß,
Wie war ich froh, da man mich bleiben hieß!
Was nutzt mein Schwerdt, was Harnisch und der Schild,
Da mich bezwang das adelichste Bild?
Was soll mir noch mein glänzend Roß so kühn?
Ich kann ihr ewig nimmermehr entfliehn!

Gertrud. Wie viel vergebne Worte das nun sind,
Du sprichst sie alle, Golo, in den Wind,
Willst du nur meinen alten Augen trauen,
Kann mans an ihren jungen Augen schauen,
Daß dir die allerschönste Hoffnung blüht,
Daß sie für dich mit gleicher Liebe glüht.

Golo. Ha! dürft' ich diesen schönen Glauben fassen,
Daß sie mein armes Herz nicht will verschmähn,
O gern wollt' ich die trüben Blicke lassen
Und wieder aus den muntern Augen sehn;
O fühl' ich nur, daß sie mich nicht will hassen,
So mag mir jedes andre Glück verwehn,
Mit freiem Sinn, mit kühnem Wunsch und Jugend,
Lieb' ich sie doch mit allerreinster Tugend.

Gertrud. Noch einmal sag' ich euch, daß sie euch liebt,
Es müßte mich denn alle Klugheit täuschen,
Doch glaubt dem Wort nicht, stellt die Probe an,
Sie nützt euch doch, von Zweifeln frei zu sein.

Golo. Du hast mit dieser Hoffnung neues Leben
Den gramzerstörten Sinnen mir gegeben.

sie gehen.



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