Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Siegfrieds Schloß.

Wendelin, ein Diener.

Diener. Ist das Verhör bald vorüber?

Wendelin. Der Graf hält mit der Hexe ein gar scharfes Gericht; sie ist überwiesen.

Diener. Auch ist der Scheiterhaufen schon fertig, um sie darauf zu verbrennen.

Wendelin. Wie gottlos sind doch viele in der Welt!
Daß man sie muß mit Feu'r und Schwerdt ausrotten,
Erwürgen, schlachten, und zu Asche brennen,
Daß sie der Christenheit nicht Schaden bringen.

Siegfried tritt auf.

Siegfried. Ich bin ermüdet, und die schlimmen Bilder
Verfolgen mich, wo ich nur geh' und stehe.
Ihr, geht hier fort!

Wendelin.                   Ihr seid zu viel allein,
Es zehrt an eurem Leben, theurer Graf.

Siegfried. Das soll es, daß ich bald zum Grabe reife.
Geht, lieben Kinder; seid ihr auch zugegen,
Entweichen dennoch die Gedanken nicht.
        Wendelin und Diener ab.
Stets gehts mir nach und ruft mir: Genoveva!
Wo ich nur bin, steht auch ihr Bildniß da.
Ich kann nicht einsam sein, ich wärs so gern,
Die Luft, die mich umgiebt, nennt ihren Namen,
Wenn ich was denken will und mit erwägen,
So kann ichs nicht, im Kopf und innern Herzen
Erblüht sogleich die herrliche Gestalt
Und dehnt sich aus und immer weiter aus
Und zieht vor mir dahin und winkt mich nach.
Ach könnt' ich sie nur eine Stund' vergessen!
Oft muß ich Dolch und Schwerdt beiseite legen,
Weil mir der Satan schreckliche Gedanken
In meine Seele giebt, mich zu gewinnen.
Die Diener sehn mich an, als wie ein Kind,
Es wird mir schwer, dem Amte vorzustehn;
Mein Haar ist grau geworden vor der Zeit,
Und mein Gedächtniß schwindet wie dem Greise;
Nur ihrer kann ich denken, meiner Schuld,
Doch was mir sonst geschehn, ist weit entrückt. –
Letzt kam der Bruder her mich zu besuchen,
Ich konnt' ihn erst nach langer Zeit erkennen,
Da sagt ich: Ach Matthias! bringst du sie,
Die Genoveva mit? er sagte Nein,
Die ist ja todt. Das ist es, daß sie todt ist,
So sprach ich, drum sollst du sie eben bringen.
Oft weiß ichs nicht, wenn ich so irrig rede.

Wendelin kommt.

Siegfried. Was giebts? So laßt ihr mich nicht ungestört?

Wendelin. Die Hexe, gnäd'ger Herr, will mit euch sprechen.

Siegfried. Befohlen hab' ich ja, sie zu verbrennen.

Wendelin. Sie stand schon in der Zauberhütt', anzünden
Will man nun schnell das Pech, da ruft sie laut,
Wir möchten sie noch einmal zu euch führen,
Sie hab' euch wicht'ge Dinge zu eröffnen.

Siegfried. Es kann ihr nicht verziehen werden, Gottes
Gericht ist gegen sie, sie hat bekannt,
Und die Verfluchte ist des Feuers schuldig;
Sie hat manch armes Christenkind verzaubert,
Das Vieh verdorben, Krankheit ausgebracht,
Mit Lug und Trug die Sinne oft geblendet,
Ich mag das Scheusal nicht vor Augen sehn.

Wendelin. Die Schergen haben sie herausgenommen,
Gar dringend bittet sie, euch noch zu sehn.

Siegfried. So bringt sie her, Verzeihung wird ihr nicht.
Den frommen Drago hab' ich lassen richten,
Die heil'ge Genoveva lassen tödten,
Und Mißgeburten und der Hölle Auswurf
Könnt' ich verzeihn?

Wendelin und die Schergen mit Winfreda.

Siegfried.                       Was willst du, Scheusal, denn?

Winfreda. Ein Wort mit euch, mein edler Graf,
Ich kann nicht sterben, denn noch ein Verbrechen
Liegt schwer auf meiner Seele.

Siegfried.                                         Sprich, du Hexe.

Winfreda. Kennt ihr mich nicht?

Siegfried.                                       Wie sollt ich? Niemals pflog ich
Mit Hexen Umgang und mit Zauberern.

Winfreda. Einmal in Straßburg habt ihr mich besucht
Mit Golo, wo ich euch Gesichte zeigte
Von eurer edlen Gräfin Genoveva.

Siegfried. Bist du es, Scheußliche, die mir gelogen,
Die mich mit Teufelskünsten hat betrogen?

Winfreda. Die Sinnen hab' ich damals euch geblendet
Und die Vernunft euch künstlich abgewendet,
Damit ihr möchtet Todesurthel sprechen,
An dem unschuldigen Gemal zu rächen
Was sie nie in Gedanken hat begangen;
Zu sehr war eure Lieb' ihr ganz Verlangen.

Siegfried. O Hölle! Hölle! Was hat dich getrieben
Durch Lug und Trug mit Flammen mich zu füllen?

Winfreda. Der Golo hatte mich durch Gold bestochen,
Und wußte keinen Rath, sich selbst zu helfen,
Als die Gemalin mußte plötzlich sterben,
Sonst kam die Unschuld, seine Schuld ans Licht;
Erst hat er sie geliebt, doch nie gelang es
Sie zu bereden, günstig ihm zu sein.
Drauf hat die Liebe sich in Haß verwandelt,
Dazu die Furcht vor euch, er sah nur Rettung
Wenn sie nicht mehr auf Erden; drum bewog
Er mich, die falschen Künste euch zu zeigen,
So starb sie dann und mußt es wohl verschweigen.

Siegfried. Genug! nun führt sie fort in ihre Flammen,
Auf meinem Haupt schlägt Feuer auch zusammen.
        sie gehn mit Winfreda ab.
O Genoveva, ach mit diesen Nägeln
Möcht' ich dich aus dem Boden wieder graben.
Wo find' ich dich? Wo mag' ich dich erwecken?
O Golo! höllenschwarzer Bösewicht!
Wie konnt' ich doch dem niedern Bastard trauen?
Ihn strafen muß ich, und dann will ich sterben! geht ab.



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