Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Siegfrieds Schloß.

Siegfried. Wie einsam und wie wüst sind diese Mauern!
Ich geh' oft in Gedanken zum Gemache
Der Genoveva, und sie ist nicht dort;
Drago ist todt und alles ist verändert.
Mir frommt nicht Golo's Trost, die Gasterein,
Der Schwarm der Gäste, nichts will mich erquicken,
Warum bin ich im Schlachtfeld nicht gestorben? –
Dann kömmt mir manchmal ein, ich hätte Unrecht
Verübt an Genovev', und ohne Urthel
Sie hingerichtet, ohne Richterspruch.
Seh ich die Kleidung, die sie ehmals trug,
So geht die vor'ge Zeit durch mein Gedächtniß.
Verwichne Nacht kam alles mir zurück,
Ich hörte sie wie sonst die Laute spielen,
Die Töne thaten freundlich zu mir, mahnten
An alles Glück, nicht konnt' ich sie verscheuchen.

Golo kömmt.

Golo. Ihr seid zu finster, theurer Graf, in euch
Verschlossen, gebt ihr fast dem Grame Raum.

Siegfried. Ich fürchte gar, ich werde noch verrückt.
So steht mir alles vor, so mahnt mich alles,
Nun fühl ichs erst, wie ich sie sonst geliebt.

Golo. Denkt ihres Fehls, so wird die Liebe weichen.

Siegfried. Verwichne Nacht war mir gar wunderbar:
Mir däucht', ich lebte in der vorgen Zeit,
Unschuldig war die theure Genoveva,
Vergessen hatt' ich gänzlich ihrer Sünde,
So seltsam zugerichtet mein Gemüth;
Ich liebte sie mit recht inbrünst'gem Herzen
Und fand mein Glück an ihrer holden Brust.
Da kam ein Drache aus der Luft geschossen
Und führte Genovevam mir hinweg;
Ich jammerte und winselte, im Innern
Recht tief im Herzen ward mir eine Lücke,
Wie weggerissen wars, und dann die Kluft.
Ich stöhnt' und wachte, mußte weiter weinen,
Die Finsterniß umher war mir betrübt,
Der Mond schien in die Kammer golden ein,
Vom Garten auf hört' ich die Nachtigall,
Da wußt' ich, daß es Sommer war; vorher
Dünkt' mir ich läg im allerhärtsten Winter,
In einem tiefen Raum des Thurms gefangen.

Golo. Der Traum ist warlich ohne Deutung nicht,
Der Drache, der euch raubte das Gemal,
Das ihr geliebt und das euch wieder liebte,
Ist Drago, er zerstörte euer Glück.
Wollt ihr hinunter gehn? Die Gäste warten
Auf eure Gegenwart, schon ist die Tafel
Gedeckt, dann wollen wir die Jagd beginnen.

Siegfried. Ich gehe kommt bald nach, mein lieber Golo. geht.

Golo. Wo bist du, Benno? Komm herein, mein Benno?

Benno tritt auf.

Benno. Was habt ihr zu befehlen, theurer Junker?

Golo. Ich will dich fragen, ob du mit mir ziehst,
Denn hier ist meines Bleibens länger nicht;
Die Mauern, diese Stein' sind mir zuwider,
Die Thürm' hier kann ich nicht vor Augen leiden,
Auch endigts wohl mal schlimm und geht uns schief.
Der Wolf hat mir ein altes Haus geschenkt,
Das weit hinauf in dicken Wäldern liegt,
Da bin ich vor dem Siegfried sicher. Gehst
Du mit mir oder denkst du hier zu bleiben?

Benno. Wo ihr seid, bin auch ich; ich traue selbst
Dem Grafen nicht, denn er ist unbeständig,
Veränderlich gelaunt und wie ein Kind,
Seitdem er aus dem Felde wieder kam.

Golo. Dort soll die Jagd im Forste uns ergötzen,
Das wilde Echo von den steilen Felsen,
Da jagen wir den Bär, das wilde Schwein,
Da hören wir von hies'gen Mähren nichts.
Das Haus ist tief versteckt und schwer zu finden,
Auch fest, daß wir in Ruhe leben können.

Benno. Ei was, ein Hund, der sich an euch nur wagt!
Doch besser vorbedacht als nachbeklagt.

sie gehn.



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