Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Freies Feld mit Bergen.

Heinrich und Dietrich, zwei Schäfer.

Heinrich. Spielen und singen wir das Lied noch einmal?

Dietrich. Es ist nicht so gar leicht.

Heinrich. Ich will wieder anfangen, denn ich habe gar großes Gelust zur Kunst. –Heda! Tyras! pfeift. treib die Schaafe am Abhange da herunter. Waldmann! – von der Saat. – Nun, wenn du willst. – singt.

    Dicht von Felsen eingeschlossen,
    Wo die stillen Bächlein gehn
    Wo die dunkeln Weiden sprossen
    Wünsch' ich bald mein Grab zu sehn. –

Dietrich. Warum hältst du ein im Singen?

Heinrich. Sieh, da drüben den Reiter auf dem weißen Hengste! Hurra! was das Pferd Sprünge den Berg herunter macht!

Dietrich. Wer ist der Herr?

Heinrich. Kennst du den Golo nicht, den Hofmeister des Grafen Siegfried? Ein edler Herr, sieh, wie ihm der bunte Federbusch im Winde flattert! wie stolz er auf dem Rosse sitzt! wie es sich unter ihm mit herrlichen Sprüngen geberdet! – Still, mir deucht er singt.

Gesang draußen.
    Reit' ich beim rothen Schein
    In den frischen Morgen hinein,
    Dünk' ich mir König zu sein.

    Der grüne Hain
    Macht mit dem Winde Gruß und Nicken,
    Von Bergen steigt ein herrliches Erquicken.

Dietrich. Der Herr hat eine schöne Stimme.

Heinrich. Er kann alles: er singt, er musizirt, er kann Gemälde machen und Reimweisen. – Jezt reitet er zum Bache – sieh, es springt hinüber – o weh! da liegt das stolze Roß am Ufer – er steigt herab –

Golo tritt auf.

Heinrich. Habt ihr keinen Schaden genommen, Herr Ritter?

Golo. Nein, ich weiß nicht, was den Hengst im Sprunge irrte.

Dietrich. Ihr reitet, mit gnädiger Erlaubniß, ein wenig allzukeck, – ich habe für euch gezittert.

Golo. Ihr macht, daß ich lache; ich habe das Reiten nicht anders gelernt. – Ihr sangt, wenn mich mein Gehör nicht trügt, laßt euch nicht stören; fahre fort, mein lieber Heinrich.

Heinrich. Wenn ihr es so haben wollt.

    Dicht von Felsen eingeschlossen,
    Wo die stillen Bächlein gehn,
    Wo die dunklen Weiden sprossen,
    Wünsch' ich bald mein Grab zu sehn.
    Dort im kühlen abgelegnen Thal
    Such ich Ruh für meines Herzens Quaal.

    Hat sie dich ja doch verstoßen,
    Und sie war so süß und schön!
    Tausend Thränen sind geflossen,
    Und sie durfte dich verschmähn –
    Suche Ruh für deines Herzens Quaal,
    Hier ein Grab im einsam grünen Thal.

    Hoffend und ich ward verstoßen,
    Bitten zeugten nur Verschmähn –
    Dicht von Felsen eingeschlossen,
    Wo die stillen Bächlein gehn,
    Hier im stillen einsam grünen Thal,
    Such zum Troste dir ein Grab zumal –

Golo. Ein trübseliges Lied und höchst klägliche Weise, die sich meines Ohrs so leise bemeistert hat, so mein Herz überwältigt, daß ich mich kaum der Thränen enthalten kann. – Aber wie bist du leichtfüßiger Knabe so schwermüthig geworden?

Heinrich. Ach es ist nicht meine Art so, Herr; Dietrich hat mir nur das Lied gelehrt, weil mir die Weise so besonders gefiel, und weil ich gern alle schönen Gesänge singen möchte: es ist ein altes Lied, das ein verstoßner unglücklicher Liebhaber gedichtet hat.

Golo. Da habt ihr beide ein Geschenk, damit ihr bei frischem Muth zum Singen bleibt.

Heinrich. Großen Dank, gnädiger Herr, nun will ich euch ein anderes singen, das ich selbst gereimet habe; nimm die Schalmei, Dietrich, und blas eins dazu.

Dietrich bläst, Heinrich singt.
    Himmel blau
    Hellbegrünte Frühlingsau,
    Lerchenlieder,
    Zur Erde nieder.

    Frisches Blut,
    Zur Liebe Muth,
    Beim Gesang
    Hüpfende Schäfchen auf Bergeshang.

    Froh und zufrieden
    Mit mir und der Welt,
    Was Gott mir beschieden
    Mein Liebchen hienieden;
    Die Sorgen im Dunkel weit von mir gestellt.

    Wie fern liegt dies Thal
    Von der Welt Herrlichkeit,
    Hier wohnen zumal
    Nur Fried' und Freud.
    Ach Herzeleid, –
    Wie weit
    Um Geld und Größe das nagende Herzeleid!

    Nun ist es Mai,
    Sie ist mir treu,
    Und fährt auch Frühling und Sommer hin
    Und wenn ich auch nicht mehr Bräutigam bin,
    Kommt Sommerszeit doch balde zurück
    Und Ehestand ist noch schöneres Glück.

    Frisch und froh
    Ohne Ach! und O!
    Vergehen
    Verwehen
    Die Tage mir so! –

Seht, das habe ich ganz besonders für mich eingerichtet.

Grimoald kommt.

Grimoald. Grüß euch Gott, Schäfer, ihr mögt wohl in Frieden das Glück des Landlebens preisen, mein Sohn ist fort.

Golo. Ist der Graf schon aufgebrochen?

Grimoald. Noch stehen die Ritter und Knechte im Schloßhofe versammlet, mein Sohn Traugott unter ihnen.

Golo. Ist die schöne Gräfin schon aufgestanden?

Grimoald. Die edle Genoveva zeigte sich einmal auf dem Altan, in einer Stunde wollen sie alle aufbrechen; ich konnte nicht länger bleiben, denn ich muß zu meinen Meilern. – Lebt wohl, ich gehe in den einsamen Wald, zu meiner leeren Hütte; mein Traugott ist nicht mehr dort, um mich zu erwarten. geht ab.

Golo. Lebt wohl. geht ab.

Heinrich. Ein schöner, edler Herr, hat er uns da nicht ein Goldstück verehrt?

Dietrich. Wenn er mit dem Zuge ginge, könnte was Großes aus ihm werden. Sieh, da rennt er nach dem Schlosse zurück. Ich habe noch keinen so schönen Junker, so lange ich lebe, gesehen.

Heinrich. Die Jugend und die Freude sehn ihm aus den Augen, er ist nicht wie die übrigen, man muß ihm gut werden, wenn er einen nur ansieht. Er bleibt nun zurück, um das Schloß des Grafen in Obacht zu nehmen, der Herr Siegfried setzt ein großes Vertrauen auf ihn.

Dietrich. Er ist noch so jung und hat schon ein so großes Glück gemacht.

Heinrich. Alles Gesinde steht unter seinem Befehl in der Abwesenheit des Grafen, ja auch der alte Ritter, der ihn zuerst in das Schloß gebracht hatte, Herr Wolf.

Dietrich. Wenn er nur nicht so unbändig ritte, wie leicht kann er Schaden nehmen.

Heinrich. O daran denkt er nicht, und das begegnet ihm auch nicht. – Komm, wir wollen nach dem kleinen Walde gehn, unsere Heerde hat sich entfernt. –

sie gehen.



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