Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Gefängniß.

Genoveva, Gertrud.

Genoveva. O martre nicht mein Ohr mit diesen Reden,
Denn nimmermehr wirst du mich überreden.
Kann er sein Herz so tief hinunterzwingen,
Daß kein Gefühl in seine Brust darf dringen,
So mag er keck das ärgste nur vollbringen.

Gertrud. Bedenkt, wie wenig frommt der Widerstand,
Gebt ihm doch nach, scheint es doch nur zu thun.
Er wüthet, ras't und ist sich selbst entfremdet,
Wenn er zurücke kehrt, bereuet er;
Seid sänftlich mit ihm, daß er mag rückkehren,
Erboßt nicht seine Wuth, es steht bei ihm
Eur' Ehre, Leben, und er liebt euch so;
Ihr beide seid vernichtet, niemals mag
Es freundlich werden, darum weicht der Noth,
Sie lehrt uns alles, seid ihr auch behülflich.
Was hinderts eure Tugend, zu ihm sprechen,
Ihm freundlich sein, ihr rettet euch gewiß,
Dann mögt ihr offen eure Tugend tragen,
Doch so wird er den Menschen immer fremder.

Genoveva. Wie soll es werden, meine liebe Gertrud,
Mit mir und mit dem armen Kindelein?
Tragt ihr denn kein Erbarmen? Schickt mir doch,
Und bittet ihn darum, daß er bewill'ge,
Daß einige Frauen mir dann Hülfe leisten
In jener Stunde, die ich bang erwarte.

Gertrud. Sagt es ihm selbst, ich hör' ihn eben kommen. geht ab.

Golo tritt auf.

Golo. Nun, Büßende, ist bald der Trotz gezähmt?

Genoveva. Ave Maria, Preis der Mutter Gottes!

Golo. Und immer, immer noch dein Ohr verschlossen?
Magst du das Licht denn niemals wiedersehn?
Ist dir dein Leben so verhaßt? Nun wohl!
Nur einmal sprich noch. Holde Genoveva,
Es neigt sich alles abwärts, sei mir lieb,
Ein Wort, ein Kuß, nur einmal in den Armen
Am Herzen dich gefühlt, und du bist frei.

Genoveva.
Und könnt' ich frei sein, möcht' ichs nimmer werden,
In dieser Freiheit wär' ich gar gefangen,
Nein niemals soll mein Wunsch nach dieser Erden
Nach Blumenduft und Frühlingslicht verlangen,
Ich will in mir, gedrückt von den Beschwerden,
Im Elends-Schmuck als Christi Braut nur prangen,
Er kennt die Seinen an den heißen Zähren
Und jenseit wird er Linderung gewähren.

Nein, meine Gunst gewährt auch nicht ein Zeichen,
Das kleinste selbst ist, dir gewährt, doch Sünde,
Und lieber will als Opfer ich erbleichen,
Als meine Hand der deinen sich verbünde,
Kein Mitleid soll in meine Seele schleichen
Und wenn der Tod zu deiner Seiten stünde,
Und könnt' ich dich mit einem Blick beleben,
Es wäre Sünd', mein Auge aufzuheben.

Ha! glaube nicht durch Schmerz mich zu besiegen,
Fest steht in meinem Busen der Entschluß,
Du magst mit Hunger, Durst mich fort bekriegen,
Und wenn ich sterben und verderben muß.
Ich zagte beim Gemale selbst zu liegen
Und bebte oft vor seinem keuschen Kuß,
Daß Schaamerröthen Liebe abwärts wandte
Und meine ungewohnte Wange brannte:

Nun sollt' ich dir so freundlich mich bezeigen
Wie nur der Schwur am Altar es vergönnt?
Ich sollte mein Gewissen in mir schweigen,
Die laute Stimme, die mich Buhlin nennt?
Behüt mich Gott im Himmel vor dem feigen
Entschluß, wie er mein Geist und Herz erkennt,
Daß du mir kannst dies arme Leben nehmen,
Doch nie, daß ich mich selber müßte schämen.

Golo. Und ihr könnt mein Rasen sehn? Ich hätte mich geirrt, wenn ich dich für das Bild meiner Maria hielt, für die Trösterin in meinen Leiden? Ihr wollt mich grausam sehn, es mag sein. Du hast mich ja geliebt; o sonst, sonst warst du nicht so strenge; sonst war dein Blick milde, da prangte die Welt um mich im Frühlingsschein. Du willst mich martern, zur Hölle locken, du hast die Seele mir abgespielt mit falschen Künsten, und nun soll ich keinen, keinen Lohn dafür erhalten und hoffen? Was ras' ich denn? Was will ich denn? Hat die Welt nicht tausend Mädchen und Frauen, schöner und freundlicher, als du? Aber diese, diese herzbannenden Augen, diese Blicke sind es, die den Angel in meinen Busen geworfen haben, da streb' ich und ringe mich loszureißen, und immer immer tiefer gräbt sich der Haken hinein. Hieher, Genoveva, Weib, jezt bist du mein, in diesem Kerker verschlossen und keine Macht soll dich retten.

Genoveva. Fleuch, feiger Bastard, bist du so verwegen,
Die schnöde Hand an meinen Leib zu legen?
Wagst du, ein Diener, der Gebieterin
Zu nahen mit so wild und frechem Sinn?
So hör' es denn, und dies sei deine Quaal,
Ich bin des Grafen Siegefrieds Gemal,
Der wiederkommt um deine That zu rächen,
Die Steine werden meine Unschuld sprechen.

Golo. Ach! wohin soll ich mich retten?
Höher schlagen alle Flammen
Ueber meinem Haupt zusammen,
Enger ziehen mich die Ketten.
O Genoveva! edles Weib,
Was trägst du diesen holden Leib?
Wie bist du mir so schön erschienen,
Ich mußte vergehn, oder ich mußte dir dienen.
Mein Herz ist mir verdorrt,
Meine Jugend ist dahin,
Meine Lebenskraft ist fort,
In mir verwest mein frischer Sinn.
Wenn ich den Wald brausen höre,
Wenn ich der Wellen Klang vernehme,
Wie der Sturm über die Flur geht,
So reden sie alle, alle von dir,
Und alle höhnen, wie du, meine Liebe.
Nicht die Wolken seh' ich ziehn,
Keine Pflanze seh' ich blühn,
Keinen Feuerstrahl erglühn,
Alle, alle geben das Gebot:
Stürze, stürze dich in nahen Tod!
Reiß sie mit hinab
In dein frühes Grab!
Zu spät umzukehren
Muß der Frevel ewig währen!
Keine That wäscht sich im Strome rein,
Ewig wird sie in dir sein.

Genoveva. O kehrt zurück, und laßt die Reue sprießen,
Mit mildem Thränenbach sie zu begießen,
Damit der Herr euch seinen Beistand leiht,
So glimmt in euch zurück die Frömmigkeit.

Golo. Ha! Schlange! daß ich dir glaubte! Neue Heuchelei spricht aus deinem Munde; frei möchtest du werden, um mich zu verderben. Der Tod redet aus dir und glinzt aus deinen Augen. Fort! ich kenne dich nicht mehr, Scheusal! wie bleich, wie entstellt! Großer Gott, das sollte Genoveva sein? Lachen müßt' ich, wenn mir nicht schauderte. Sie, die Schöne, sie die Holde? Ein Todtengerippe. Hinweg, aus diesem Grabe, in dem sich der lebendige Leichnam regt! Er entflieht.



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