Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Schloßhof.

Wendelin, Heinrich, Else, Diener.

Wendelin. Die Sel'ge mußte ach! so schnell verscheiden;
Wir sind so holder Gegenwart nicht werth,
Drum ist sie von uns Sündern heimgegangen.

Else. Wir sind im kurzen Leben alt geworden,
Wer hat dergleichen doch gesehn, gehört?

Heinrich. Ja wunderbar sind des Allmächt'gen Wege!

Wendelin. Manch graues Haar hat dieses nicht erfahren,
Was wir noch jung gesehen und gehört;
Die Gnade Gottes hat uns heimgesucht,
Wer nun nicht in sich kehret, ist verflucht.

Else. Auch was ihr von dem unvernünft'gen Thier
Erzählet, dünkt mich äußerst wunderbar.

Wendelin. Ja, seit die Gräfin krank und bettlägrig,
Hat nicht die Hirschkuh Nahrung nehmen wollen,
Sie sah mit ihren Augen nach den Fenstern,
Wo sie die edle Gräfin sonst erblickt.
Als sie nun starb, da hing sie ihren Kopf
Und wandte sich nach keiner Seite um;
Sie folgte still dem traurigen Gepränge,
Als man den Leichnam in die Gruft gesetzt.
Dann blieb sie liegen dort vor der Kapelle
Und krazte oftmals an der Kirchenthür,
Als wenn sie ihr wer öffnen sollte; so
Lag sie zwei Tage dort und ist verschmachtet,
Das Winseln war erbärmlich anzuhören.

Else. Es stellt der Herr zu Pred'gern Thiere auf,
Wer könnte da noch wohl sein Herz verstocken?


Schloß. Nacht.

Siegfried. Die Sinne mein vergehn, wohin ich blicke,
Scheint alles mir zu wanken und zu zittern,
Ich wage nicht, was in die Hand zu nehmen,
Ich fürchte, daß es mir alsbald zerrinnt.
Das Dauernde scheint mir sogar vergänglich,
Und das Vergängliche so unvergänglich.

Wendelin kommt.

Wendelin. Ein Pilgrim ist hier eingekehrt und wünscht
Recht sehr euch alsobald zu sprechen.

Siegfried. So laß ihn zu mir, denn er bringt vielleicht
Mir Trost und Stärkung.

Wendelin.                               Es ist finstre Nacht
Und seltsam sein Begehren.

Siegfried.                                     Ist es Nacht?
Daß wußt' ich nicht, doch laß ihn nur herein.

Wendelin ab, der Pilgrim tritt auf.

Pilgrim. Des Herren Friede sei mit diesem Hause.

Siegfried. Und bis in alle Ewigkeiten, Amen.
Was kommt ihr noch so spät zu meiner Klause?

Pilgrim. Ich hörte, was euch Gott's Gerichte nahmen,
Drum komm' ich, euch den süßen Trost zu bringen.

Siegfried. Gesegnet sein die Füß', die dazu kamen,
Doch wird es, frommer Pilgrim, nie gelingen;
Denn allzutief ist dieses Herz verwundet,
Kein ird'scher Trost kann in die Seele dringen.

Pilgrim. In Gottes Namen sprech ich: auf, gesundet!
Und faßt voll Glauben und Vertraun die Hand
Und nehmt das Heil, das ich für euch erkundet.

Siegfried. Ich fühle schon mein Zagen abgewandt,
Wer bist du, Mann, der so vermag zu heilen?
Dein Antlitz, die Gestalt ist mir bekannt.

Pilgrim. Ich komme dir zu Liebe von den steilen
Gebirgen, theurer Siegfried, mußt mich kennen,
Auch will ich gerne, ohne mehr zu weilen,

Dir meinen alten Menschennamen nennen:
Ich hieß einst Otho, als ich noch im Leben;
Zu dir zu gehen, wollte Gott vergönnen,

Um dir den süßen Balsam, Trost, zu geben,
Daß du dem Herren immer magst vertrauen,
Und nicht verzweifelnd nach Vergangnem streben.

Siegfried. Allgüt'ger Gott! Welch Wunder muß ich schauen,
Wie viel erfahr' ich jezo Wunderwerke!
Von nun an will ich deiner Macht vertrauen.

Ich fühle schon in mir die neue Stärke,
Hinweg entflieht das irdische Verzagen,
Gepriesen sei dein Nam' und deine Werke!

In meiner Seele fängt es an zu tagen
Und heilige Entschlüsse nun gedeihen,
Zu Lobgesängen werden meine Klagen.

Nicht mehr will ich mich mit mir selbst entzweien,
In Gottes Dienst will ich mein Leben enden,
Den matten Geist mit Himmelsspeis' erfreuen.

O dank dir Freund, aus deinen lieben Händen
Hab' ich das köstlichste Geschenk empfangen,
Das mir die Güte Gottes mochte senden.

Pilgrim. Zu dir stand seit dem Tode mein Verlangen,
Besuchen wollt' ich dich vor manchen Jahren,
Dir trocknen deine Thränen von den Wangen.

Ich hatte jenseit alles schon erfahren,
Doch wußt' ich auch, wie alles mußte schließen,
Und wer die Mörder deiner Ruhe waren.

So ließ ich denn die Zeit vorüberfließen,
Geläutert erst von meinen ird'schen Sünden
Mußt' mir ein neuer Sinn im Geiste sprießen.

Nun ging ich aus, dich und den Sohn zu finden,
Den ich in Sünden dir zu Schmach erzeugt,
Und dir von Gott den Frieden zu verkünden.

Der Golo, der zum Grabe dich gebeugt,
Derselbe ist mein Sohn aus schlimmer Ehe,
Er selber schlimm, wie er sich dir bezeigt.

Siegfried. Gar wunderbar! des Herren Will' geschehe,
Ich bete an die Wege sein im Dunkeln,
Und danke selber für dies Herzenswehe:
Ich hoff dereinst in seinem Licht zu funkeln.



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