Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Wüste.

Genoveva, Schmerzenreich.

Schmerzenreich.
Was ist dir, Mutter? Ei, wie bist du blaß?

Genoveva. Ich fühle, daß ich sterben muß, mein Sohn,
Ich gehe von dir, und der Tod ist das,
Der bringt mich nun zu Gottes lichtem Thron.

Schmerzenreich.
Nein, bleiben sollst du, ich dich nimmer laß,
Ich bin dir gut, o du besinnst dich schon.

Genoveva. Oft hab' ich dir gesagt, wir müssen sterben,
Hier zeitlich Tod, dort ew'ges Heil erwerben.
Ich fühle nun, daß mich der Tod gerührt
Mit seinem Arme, mit eiskalter Hand,
Er ist Wegweiser, der uns sicher führt
Aus dieser Wüste in das schöne Land,
Wo uns Herr Christ mit seinem Schmucke ziert,
Für Gotteskinder sind wir dort erkannt;
Wie man den Kindern Weihnachtsspiel beschert,
So wird uns dort das Himmelreich gewährt.

Schmerzenreich.
So nimm mich mit zu jenen Blumenhöhen,
Von denen du mir schon so oft erzählt,
Lieb' Mutter ja, ich kann ja mit dir gehen.

Genoveva. Allhie zu bleiben bist du auserwählt.

Schmerzenreich.
Möcht' auch das schöne Land da droben sehen!
Was wird es dir gegeben, mir verhehlt?

Genoveva. Du mußt, mein Kind, den Gott erst kennen lernen,
Eh' darfst du dich von Erden nicht entfernen.

Schmerzenreich.
Ich kenn' ihn schon, er hängt am Kreuze da,
Schon oft hab' ich ihm meine Noth geklagt,
Lebendig ich ihn auch bei Nachte sah,
Doch ist er fort, wenns hell hernieder tagt,
Wenn ich ihn auch nicht seh, ist er mir nah,
Und wohl hab' ich um manches ihn gefragt:
Drum darf ich mich nicht vor dem Gotte schämen,
Und kannst mich drum auch Mutter mit dir nehmen.

Genoveva. Nein, du mußt bleiben, bis er dich verlangt,
Dann läßt er dich von selbsten zu sich bringen.

Schmerzenreich.
Allein zu sein, lieb Mutter, das mich bangt,
Dann freut mich nichts, was meine Vögel singen,
Und fürcht' mich noch, daß mich der Böse fangt,
Dann kann ich nimmer wieder zu dir dringen,
Du hast mich Gott zu lieben ja gelehrt,
Gehst du nun fort, so werd' ich gar verkehrt.

Mir macht das Wild dann nimmer keine Lust,
Kein Eichhorn mich mit Springen dann erfreut,
Und wenn in Angst ich sterben hab' gemußt,
So thut es dir nachher im Himmel leid.
Ich hab' so schöne Frömmigkeit gewußt,
Ave Marie, im Beten recht gescheidt,
Doch bist du nun von mir hinweggeflogen,
So werd' ich gottlos und gar ungezogen.

Genoveva. Mein Kind, du sollst zu Menschen wieder kommen,
Dort hinterm fernsten Walde liegt ein Schloß,
Da hast du Kind den Ursprung dein genommen,
Ich war des Grafen Siegfried Ehgenoß,
Dort geh und halte dich alsbald zu Frommen,
So wächst du in der Furcht des Heilands groß,
Du brauchst dich kaum dem Vater dein zu nennen,
Er muß dich an der Aehnlichkeit erkennen.

Und kömmst du dann zu den verständ'gen Jahren,
Wann du des Menschen Thun magst unterscheiden,
So wirst du auch die Ursach wohl erfahren,
Warum wir beide Einsamkeit und Leiden
Erduldet, doch sollst du dein Herz bewahren
Und dich an keinem Nachgedanken weiden,
Denn der gestanden mir nach Ehr und Leben,
Ich habe längst dem bösen Mann vergeben.
Leb wohl mein Kind, jezt kommt der finstre Tod,
Ich kann und mag mich seiner nicht erwehren.

Schmerzenreich.
Ach Mutter mein! Was fang ich in der Noth
Ich Aermster an? Ich kann dich nicht entbehren.

Genoveva. Schon dämmert mir jenseit'ges Morgenroth.

Schmerzenreich.
Wer soll mich nun von Gott und Christ belehren?

Genoveva. Schon schlaf' ich ein, es zieht mein Geist von hinnen.

Schmerzenreich.
Wo bin ich denn? Ich kann mich nicht besinnen.

Der Tod tritt ein.

Der Tod. Dein Stündlein ist, o Genoveva, kommen.
Du sollst nunmehr vor Gottes Thron erscheinen.

Genoveva. Hie bin ich.

Der Tod.                         Leicht wirst du der Erd' entnommen,
In Zukunft wirst du keine Thränen weinen.

Genoveva. So nimm mich fort.

Der Tod.                                     Dein Leben ist verglommen,
Der Leib muß sich mit finstrer Erde einen.

Genoveva. In Jesu Namen.

Der Tod.                               Sense thut schon blinken,
Dein' Lebensstunden alle untersinken.

Zwei glänzende Engel treten ein.

Die Engel. Halt an, du mit dem Stundenglas und Hippe!

Der Tod. Was wollt ihr beide, von dem Herrn gesendet?

Die Engel. Neu Leben bringen wir von unsrer Lippe,
Die Todesstund' sei von ihr abgewendet.

Der Tod. Noch längres Leiden auf der Erden Klippe?

Genoveva. Welch Himmelsglanz mir meine Augen blendet!

Die Engel. Sie soll noch Glück und Frieden wieder sehen.

Der Tod. So darf ich diese Blume noch nicht mähen. geht ab.

Die Engel.
    Wir heilgen Engelein
    Von Gott gesendet sein
    Mit frischem Lebensschein.
    Du sollst genesen sein,
    Und kömmt dein Stündelein,
    Daß du zu uns gehst ein,
    Gedenken alle dein,
    Daß es sei sanft und fein. gehn fort.

Genoveva. O Lichtstrom, o du heil'ge reine Quelle,
Die sich mit Balsamkraft um mich ergossen,
Genesen ist das Herz, die Augen helle,
Durch all mein Sein die Himmelskräfte flossen,
Wo Tod erst stand, sind an der öden Stelle
Im Haupt und Herzen Engel ausgesprossen.
Mein Sohn, hast du den Schimmer nicht gesehen,
Sahst du zwei Flügelkinder bei uns stehen?

Schmerzenreich.
Mir war, als sei ich fest in tiefen Träumen,
Und weiße Lichter um mein Auge spielten,
Als säh' ich Wolken, die mit Gold sich säumten,
Und meine Ohren schön' Gesänge fühlten,
Daß Klang und Glanz hell in einander schäumten,
Im Wasserspiel roth' Blumen in sich hielten,
Doch weiß ich nicht, was dieser Traum gewesen,
Schon Glück genug, daß Mutter du genesen.

Genoveva. Der Ew'ge leitet mich auf seinen Wegen
Und ich empfange, wie er Gaben giebt,
Drum will ich fest den süßen Glauben hegen,
Daß er mich als sein Kind von Herzen liebt;
Vielleicht schickt er mir großes Glück entgegen,
Mag wohl, daß er mich noch in Leiden übt,
Gepriesen sei sein Nam' zu allen Zeiten,
Von nun an bis in alle Ewigkeiten!



 << zurück weiter >>