Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Golo, Gertrud.

Golo. Noch kommt Benno nicht zurück, und immer gewaltsamer bedrängen mich meine bösen Ahndungen.

Gertrud. Seid nur muthig, nun kann es doch nicht anders werden, ihr müßt durch die rauhe Zeit hindurch.

Golo. Wenn der Graf mit ihm zugleich käme!

Gertrud. Warum wollt ihr das schlimmste denken? Jezt liegt alles daran, daß ihr den Verdacht der Leute im Schlosse nicht vermehrt. Dem Wendelin dürft ihr nicht trauen; es sind noch andre, die es weniger mit euch, als mit der Gräfin halten.

Golo. Du hast Recht, wir müssen hindurch. Wird es nicht alle Tage Abend? Kommt der Morgen nicht nach der fürchterlichsten Nacht wieder? Schon einigemal dacht' ich: die Sonne kann nun nicht mehr aufgehn; und dennoch kam sie mit ihrer ersten Klarheit wieder. So geht die Zeit kalt und gleichgültig an uns vorüber, sie weiß von unsern Schmerzen, sie weiß von unsern Freuden nichts, sie führt uns mit eiskalter Hand tiefer und tiefer in das Labirinth hinein, endlich läßt sie uns stehn, und wir sehn uns um und können nicht errathen, wo wir sind.

Gertrud. Krank wie der Graf ist, wird er gewiß über Straßburg reisen, um dort auszuruhn; bis dahin müßt ihr ihm entgegen gehn.

Golo. Wir müssen erst den Benno erwarten.

Gertrud. Dort lebt meine Schwester, in mancherlei Künsten und wunderlichen Werken wohl erfahren, man nennt sie nur die weise Winfreda, von Jugend auf ein böses Kind, auf Ränke ausgelernt, in allen Wildheiten geübt: ich habe sie nachher lange nicht gesehn, dann vernahm ich durch ein seltsam Gerücht, daß sie mit dem Bösen einen Bund geschlossen und Herrschaft über die unterirdischen Geister besitze; ich konnt' es nicht glauben, und doch befand es sich so, als ich sie wieder sah.

Golo. Sie ist mit den höllischen Geistern verbunden?

Gertrud. Sie erzählte mir Dinge, die ich niemals für möglich gehalten, sie zeigte mir Künste, die mir die Haare aufrichteten und mein Blut in Eis erstarrten. Wie unbegreiflich es ist, so wahr ist es doch.

Golo. Und was soll sie uns nutzen?

Gertrud. Sie muß dem Grafen, wenn er in Straßburg ist, irgend ein Blendwerk vormachen, daß er euren Worten noch mehr glaubt, denn sie kann alles, was sie will. An diese will euch ein Schreiben mitgeben, damit sie euch vertraut.

Golo. So sei es; vielleicht stirbt Genoveva noch, vielleicht der Graf, so sind wir alles Sinnens frei.

Gertrud. Traut mehr auf euch, so sind wir um so sichrer.

sie gehn.



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