Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Gefängniß.

Genoveva. Wie bin ich denn hieher gerathen? Wer
Hat Macht, mir doch so schnöde zu begegnen?
Ich hielt es gern für Traum, allein, ich wache,
Ich seh' mich an und kann mich nicht erkennen,
Und doch muß ich es glauben, daß ich's bin.
Und keinen Trost und keine Hülfe mehr; –
Die Dienerschaft ist sein und keiner wagte
Hervorzutreten, meine Ehre schützend;
Sie gingen scheu beiseit, was er befohlen
Ward ausgeführt. – O Golo! – Nein,
Ich will den sünd'gen Namen nicht mehr nennen,
Die Lippen nicht beflecken, ihn zu nennen,
Erinnrung nicht, an ihn jemals zu denken.
Der Kapellan ist todt, wer soll mir rathen?
Auch ließen sie ihn wohl nicht zu mir; Wolf
Ist krank und liegt zu Bett. Wie soll es werden?
Ich selber fürchte mich vor meinem Leben,
Es naht die Zeit heran, ich fühl' es wohl,
Ein neues Leben zu gebären. Auswärts
Verreist mein Herr und keiner steht mir bei.
Was hab' ich denn so schwer versündiget,
Daß ich so schwer es büßen muß? Wenn Frauen
Gedrückt, wie ich, den letzten Tag befürchten,
Und wünschen, und sich Sorg' und Kummer machen,
So sind Verwandte gegenwärtig, Freunde,
Der Gatte, alle trösten sie ermunternd,
Und ich, – Gemalin eines edlen Grafen,
Und ich – die Tochter eines großen Herzogs,
Muß ohne Schuld, muß ohne Hülfe jammern.

Golo. tritt ein.

Genoveva. Du kömmst zurück mir vor mein Angesicht?
Das ist die größte Schmach von allen noch.

Golo. O Gräfin! Genoveva! Herzensquaal!
O Engel mir! – was soll ich reden? klagen?
Du kennst mich. Sprich ein Wort und sage mir
Was soll ich thun? Ob du mir hast vergeben?
Der Satan trieb mich an, da mußt' ich folgen –
O redet, hartes Herz; – ihr schweigt, – nun wohl –
Kein Blick? kein Auge nach mir hergewendet?
Es sei! nun ist das Höllenwerk im Gang,
Nun mag es euch und mich, uns all' zermalmen!
Seht mich nur an, – sprecht nur ein einzig Wort –
Kennt ihr mich noch? – o Hölle, schling mich ein!
Die Wuth, ich möchte mit den Zähnen mich
Zerreißen, euch zerfleischen, – und wer hindert?

Genoveva. Der Gott, der unser beider Elend sieht.

Golo. Gottlob! Ach Augen, seh' ich euer Licht?
Ich bin in dunkeln Mauern eingenagelt,
Da stoß ich gegen Wände mein Gehirn
Und schrei und wins'le, weine nach dem Licht,
O wenn dann dieser holde Blick mich trifft, –
So scheint der junge Tag herein mit Klarheit
Durch die verborgne Ritze meines Kerkers.
Ich geb' euch frei, wenn ihr mir freundlich seid,
Wenn ihr mich frei laßt, – Genoveva, fühlt
Was ich euch bin, befehlt, gebietet mir
Und alles soll geschehn.

Genoveva.                             Laßt mich allein.

Golo. Ich gehe, andachtsvolle Demuth bin ich
In eurer Gegenwart, o fühlt mein Herz.
Lebt wohl, lebt wohl, holdselges Bild! Leb wohl! geht.



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