Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Wald.

Golo. In diesem Augenblick geschieht die That –
Vom Angesicht der Erd' ist sie vertilgt,
Und ewig niemals kann sie wiederkommen.
Mein Roß ist hingestürzt, ich rennte nach
Sie zu befreien, sie zu sehn: beschlossen
Vom Himmel selber ist ihr Untergang.
Es kann, es will nicht anders sein, drum sei's;
Schlag frei mein Herz, nun bist du frei von Furcht,
Es hat sich alles so begeben müssen.
Sie ist gestorben, du hast überwunden,
Dein Schlaf und deine Ruhe kehrt zurück.
Wie braust der Wald, wie ziehn die schweren Nebel!
Der Frühling will nicht kommen, alle Schönheit,
All' jugendliches Leben ist gestorben.

Grimoald und Benno kommen.

Golo. Sie kommen wieder, meine düstren Schergen;
Ich fürchte ihren Blick, die grause Botschaft.
Ja, sie ist todt, sie wagens nicht zu melden.
Was wollt ihr, Leute? – Hat sie ausgelitten?

Benno. Sie ist nicht mehr.

Golo.                                   Ich mag nichts weiter hören.

Benno. Wahrzeichen mit zu bringen hießt ihr uns.

Golo. Ich will nichts sehn, begrabts bei jenem Baum.
        sie gehn.
Wie könnt' ich doch die holden Augen sehn?
So endigt sich mit einem Grabe alles?
Die Henker! daß sie's wagen durften, sie,
Die hellen Kreise auszuschneiden! Fiel
Kein Zittern die verruchten Hände an?
Die Zunge ruht nun dort, das Saitenspiel
Voll süßester Musik! o hätte sie
Ein Wort mit ihrer Melodie gesprochen,
Sie hätten sich der That nicht unterfangen.
Leb wohl, du Genoveva, holdes Bild!
Nun ist es aus mit deinen heil'gen Blicken,
Vorüber ist die Angst und mein Erquicken;
Leb wohl, du Wald, nie werd' ich sie mehr sehn,
Und ew'ges Elend wird nun mit mir gehn. ab.

Grimoald, Benno zurück.

Grimoald. Behalt' auch meinen Theil vom Mörderlohn,
's ist Sündengeld und schlägt zu Sünden aus.

Benno. Du bist ein Thor, es sei so, wie du willt. ab.

Grimoald. Leb wohl du Land, das du mich auferzogen,
Ihr Berge, Bäume, denen ich gewogen,
Ihr Linden, hohe Eichen, helle Buchen:
Ich muß mir eine fremde Heimath suchen.
Ich mag den beiden nicht mein Wohl vertrauen,
Drum muß ich nun nach andern Wäldern schauen,
Ich wandre fort in meinen alten Tagen,
So weit mich nur die Beine wollen tragen. ab.



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