Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Das fränkische Lager.

Karl Martell allein.
Wie, wenn ich hier mein bestes Glück versuchte?
Wer kann mir sagen, daß ich übel thäte?
Es kömmt Fortuna niemals uns entgegen,
Wir müssen ihr vielmehr entgegen gehn.
Ich bin ja König, nur fehlt mir der Name, –
Doch ist der Name, diese äußre Ehre,
Der Glanz des Throns, die Anbetung des Volks,
Das Diadem, wonach mein Ehrgeiz ringt:
Der ist nicht groß, der das verachten mag.
Was frommen meine Schlachten, meine Siege,
Daß sich nach meinem Wink das Reich bequemt?
Wenn ich nicht dreist es sagen darf: ich bins!
So ist es doch nur halbe Büberei,
Erschlichene Gewalt und unrechtmäßig.
Und o der süße süße Name König,
Gebeugtes Knie von Rittern, Grafen, Herrn,
Die heilge Scheu des Volks vor meiner Krone,
Der Sitz hoch über allen Häuptern weg. –
Mein Herz bequemt sich nicht, das zu verachten.
Ich weiß, der Pabst, er wär' mir nicht zuwider,
Der Bischof Bonifacius ist mir freund.
Zwar hab' ich keinen großen Dank von Priestern
Und Mönchen mir verdient, denn wo ich mag,
Vermindr' ich gern die großen Kirchengüter;
Allein mein Name und der Drang der Zeiten
Sie würden alle rauhen Hügel ebnen
Und meinen Weg mir frei und leichte bahnen.
Der König endete im Kloster dann
Wie vor ihm schon so mancher Schwache that,
Und keiner wagte mich deshalb zu tadeln.

Wer hat doch nie die große Lust empfunden,
Nach einer Krone seinen Arm zu strecken?
Die stolze Brust muß kühne Wünsch' erwecken,
Dem Kühnen ist das Glücke stets verbunden.

Auf ferner Höh' ist Furcht und Angst verschwunden,
Der Glanz des Throns muß jede Schuld verdecken,
Der Pöbel kriecht den Staub vom Fuß zu lecken,
Und Jahre lebst du dann in allen Stunden.

Der Ewge kann die Triebe nicht verdammen,
Die unsern Geist mit neuem Muth beflügeln,
Uns auf des Gipfels höchsten Gipfel stellen.

Gelegenheit facht höher an die Flammen!
Wer wird noch da die wilden Wünsche zügeln?
Nicht Himmel fürchtend, biet' ich Trutz der Höllen! – –

Und wieder führt die Phantasie Gebilde
Mir vor den Blick, die ich oft zu verdrängen
Zu schwach mich fühle, denn es zwingt der wilde
Ehrsüchtge Satan ihnen nachzuhängen:
O komm' auf mich du Geist des Friedens milde,
Sing' in mein Ohr mit deinen sanften Klängen,
Und herzlich sei im Herzen der verflucht,
Der mich zu derlei Uebelthat versucht.

Oft wenn ich mich im Feld allein befinde,
Tritt der Versucher heimlich auf mich zu,
Und zischelt mir ins Ohr die große Sünde,
Läßt auf der Jagd im Walde mir nicht Ruh,
Ja wenn ich mich zu beten unterwinde,
Flüstert er mir die schnöden Worte zu.
Nimm mich du heilger Gott in dein Beschirmen,
Daß sich in mir nicht bös' Gedanken thürmen. –

Mit Purpur angethan zeucht Morgenröthe
Herauf und schreitet durch das Himmelblau,
Es flammt die Glorie der frühen Röthe
Herab und spielet auf die grüne Au,
Der Tod schaut nieder, welchen er ertödte
Weiß jener nur, jenseit des Himmels Blau:
Vertilg die Sündenschuld aus meinem Leben,
Vergieb uns unsre Schuld wie wir vergeben.

Der Herzog von Aquitanien kommt.

Aquitanien. Seht, fröhlich hat der Tag sich angethan,
Er glänzt daher im festlichen Gewand,
Des Feindes Schaaren stehn schon Mann an Mann
Und decken weit umher das grüne Land.

Karl. Auch unser Herz ist schon zum Streit gewappnet.

Siegfried und Otho treten auf.

Otho. Die Schlacht der Ungetauften steht geordnet,
Der Schein der Waffen deckt so Feld wie Hügel,
Die leichten Reuter sprengen hin und her.

Karl. Der Heiden Macht ist wohl um zehnmal größer,
Doch weh! wer heut nach Zahl und Schaaren fragt,
Ist unsers Muthes Rüstung um so besser,
So sei's, in Gottes Namen kühn gewagt.

Aquitanien. Der Feige wird an diesem großen Morgen
Des Muthes und der tapfern Thaten voll,
Jedweder Brust entweichen irdsche Sorgen,
Weil jeder Sinn nur Ruhm gedenken soll.

Siegfried. Wir sind mit Gottes Hülf' zum Schlagen fertig
Und nur des Worts und der Trompet' gewärtig.

Karl. In Gottes Namen dann!
Rückt aus! Trompeten blas't!

Das Zeichen zur Schlacht wird gegeben, sie rücken mit lautem Feldgeschrei aus.



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