Ludwig Tieck
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Ludwig Tieck

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Zimmer.

Siegfried mit einem Briefe.

Siegfried. Ha Bösewicht! ha gift'ger Bösewicht!
Unschuldig hingerichtet! Ja hier stehts,
Und immer hats mein treues Herz geglaubt.
        Wendelin kommt.
Wo bleibt der Golo? Ist er nicht zu finden?

Wendelin. Er ist im Stall und sieht nach seinem Pferde,
Er kommt sogleich.

Siegfried. Geh schnell und heiß ihn eilen!
        Wendelin ab.
Ja er hat sie verläumdet, nun ists klar;
Ich konnt' es niemals glauben, immerfort
Empörte sich mein Geist so schnöder That;
Sie ist von edlen Eltern, fromm erzogen,
Dies Zeugniß, ehe sie zum Tode ging,
Es reimt sich alles, sie entschuldigend
Und Golo anzuklagen, der mir log.

Golo kommt.

Golo. Ihr habt mich rufen lassen, edler Graf.

Siegfried. Zu deiner Schmach, zu deiner Schand' und Strafe;
Lies diesen Brief, erröthe vor dir selbst.

Golo liest.
    Du willst es, mein Gemal, ich soll nun sterben,
    Ein schlimmer Argwohn hat dein Herz umzogen,
    Doch hat ein böser Mann dich arg betrogen,
    Mit mir zugleich erwürgst du deinen Erben.

    Ich seh vor meinem Blick den Tod, den herben,
    Ich lüge nicht und habe nie gelogen,
    Du liebst mich nicht, doch bin ich dir gewogen,
    Lüg' ich, so straf' mich ewiges Verderben.

    Ich will mit diesen Zeilen Abschied nehmen,
    Schwer sündigst du, doch will ich dir vergeben,
    Glaub mir, daß ich dich immer herzlich liebte.

    Verlassen wirst du bald nach mir dich grämen,
    Und fühlen, daß ich dir verlor mein Leben,
    Weil ich dir treu nie keine Unthat übte.
                                        Genoveva.

Siegfried. Dies fand ich plötzlich heut in meinem Zimmer
Und laut bezeugt es ihre volle Treue
Wie deine Schuld und schwere Missethat.
Du hast mir die Gemalin schnöd' entrissen,
Sie ungerecht verdammt und umgebracht,
Und dafür zieh' ich dich zur Rechenschaft,
Und denke mir nur nicht mehr zu entgehn,
Denn mit dem Leben büßest du den Frevel.

Golo. Wo liegt denn ihre Unschuld? Meine Schuld?
Habt ihr, mein edler Graf, in eurem Amte
Schon einen Dieb, schon einen Ehebrecher
Erfunden im Verhör, der nicht geläugnet?
Wer mit dem Läugnen zu gewinnen denkt,
Ist thöricht, wenn er nicht die Zunge braucht.
Wer klagt sich selber an? doch jeder sucht
Von Fehlern sich zu rein'gen mit der Zunge,
Vor andern wie vor sich, drum kann ihr Brief
Sie nicht entschuldigen, mich nicht verklagen.
Wie kommt ihr auf so böslichen Verdacht?
Wann wies ich euch in einer einz'gen Handlung,
Ja ich darf wohl es sagen, einem Wort,
Was euch berechtigte zu diesem Argwohn?
Ihr kränkt mein Herz, wenn ihr so böslich denkt.
Wie soll der Diener treu sein, wenn den Treu'sten
Die Tugend nicht vor schlimmen Händeln schützt?
Ich habs bedacht und glaube festiglich,
Daß Genoveva's Eltern böse Leute,
Die heimlich Sünden auf ihr Haupt gehäuft,
Die in den Kindern werden abgestraft.
So ist es oft, die Eltern scheinen edel,
Doch offenbaren sich in ihren Kindern,
Die lang verhehlten Laster plötzlich, sie
Empfangen Schuld und Strafe dann zugleich,
Da jene schuldig lebten ungestraft:
Denn kein Verbrechen wandelt ungeahndet,
Es trägt das Gift in seinem eignen Busen,
Die schwere Zukunft in der Gegenwart.
Auch wirkt auf unsre Leiber das Gestirn
Wie es bei der Geburt des Menschen steht,
So steigt der Einfluß aus den Kreisen nieder;
Drum rächet nicht an mir, was Gottes ist,
Des Schicksals Schuld, der bösen Sterne Einfluß,
Die innere Verderbung der Natur.

Siegfried. Mir scheint es wahr, was du gesprochen hast,
Erst rührten mich die Worte ihrer Hand,
Nun hast du plötzlich mein Gefühl gewandt,
Dann lockt die Einsamkeit zu andern Thaten, –
Ich bin verwirrt, und weiß nicht mehr zu rathen. ab.

Golo. Ich weiß es, was ich thu, dir nimmer trauen,
So lang es Zeit, nach meiner Wohlfahrt schauen,
Im Hofe stehn gesattelt unsre Rappen,
So flieh ich fort mit meinem treuen Knappen. ab.



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