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XXVIII

Als man beim Gemeindehause eintraf, fand man hier eine große Menschenmenge versammelt, meistens Männer, die sowohl zu Fuß als auch zu Wagen zusammengeströmt war. Als Indrek, der ein wenig hinter den übrigen zurückgeblieben war, ebenfalls beim Gemeindehaus eintraf, hatte Meigas schon auf einem Tisch Posto gefaßt und hielt eine Rede, in der er näher erläuterte, was in der Stadt vorgehe und wozu man aufs Land herausgekommen sei. Er sprach kurz, klar, schneidend, als teile er mit irgendeiner scharfen Waffe Hiebe aus. Über den Gegensatz zwischen den eigentlichen Zielen der Bande und dem faktischen Verlauf der Ereignisse verlor er aber kein Wort. Und gerade das hätte man nach Indreks Meinung besonders scharf betonen und allen auf die Seele binden müssen, den guten Zweck doch nicht durch sinnlose Zerstörung und Plünderung in sein Gegenteil zu verkehren.

Nach Meigas sprach der Gemeindeschreiber, der in seinen Forderungen und Vorschlägen sehr viel weiter ging als sein Vorredner. Dieser hatte die Lage so dargestellt, als stünde der schwerste Kampf mit der alten Ordnung noch bevor, und als gelte es daher alle Kräfte anzuspannen, um in diesem Kampfe nicht zu unterliegen. Aus den Worten des Schreibers aber klang die Überzeugung heraus, als gäbe es überhaupt keine alte Ordnung mehr und einen Kampf mit ihr, sondern weiter nichts als das Volk und seinen Willen, der zu erfüllen sei. Er war einer der radikalsten Abgeordneten auf dem allgemeinen Landeskongreß gewesen, und die Durchführung der dort gefaßten Beschlüsse erschien ihm wie ein Kinderspiel. Es wäre eben nur auf Grund des vierschwänzigen Wahlrechts ein neuer Gemeinderat zu wählen, und dann würde alles Weitere sich wie von selbst glatt abwickeln: Man würde die Güter konfiszieren und die bisherigen Behörden und Beamten boykottieren, sie einfach für nicht mehr bestehend erklären. Und wo wäre die Macht, die etwas gegen den Willen des gesamten Volkes vermöchte?

Aber Indrek konnte es unmöglich begreifen, warum denn alles vernichtet werden müsse, was das Volk doch eigentlich in seinen Besitz zu nehmen gesonnen sei. Und als auch der Schreiber diese Frage mit keinem Worte streifte, konnte Indrek nicht umhin, selbst die Rednertribüne zu besteigen, indem auch er sich auf den von den Vorrednern benutzten Tisch schwang.

Es war das erstemal in seinem Leben, daß er sich unvorbereitet an eine zufällig zusammengekommene Menge wandte. Erst lief es ihm hierbei freilich kalt über den Rücken, und er konnte kaum ein Wort hervorbringen, aber dann erblickte er direkt vor sich Meigas, in dem er einen Gesinnungsgenossen vermutete. Das ermutigte ihn, und so begann er zu reden, anfangs nach Worten und Gedanken suchend, die ihm aber dann in fortgesetzt dichterem Strome zuflossen, so daß er schließlich nicht mehr wußte, wie sie alle aussprechen. Er sprach vom Menschen und seinen Rechten, von der Freiheit, von der Revolution und ihrer hohen, heiligen Idee und Aufgabe, er sprach von der alten Ordnung und ihrer zuverlässigsten Stütze, den Gutsbesitzern, er sprach von den Bauern und ihren Forderungen, er sprach von den Maßnahmen zur Befriedigung aller gerechten Forderungen und Wünsche, er sprach von einer neuen, besseren und gerechteren Ordnung und schloß dann mit folgenden Worten:

»Bringt das sinnlose Demolieren uns unserem Ziele auch nur um Haaresbreite näher? Wird damit, daß wir toben wie die Wahnsinnigen, eine bessere, gerechtere Ordnung angebahnt? Merken Sie recht auf: es handelt sich hier doch gar nicht um das Vermögen des Gegners, sondern um unser eigenes. Und wenn wir schon zu Beginn unserer Tätigkeit uns der Befriedigung roher, niedriger, tierischer Instinkte und Begierden hingeben, wie werden wir dann später imstande sein, uns zu beherrschen? Aber sagen Sie mir doch, meine Brüder und Genossen, was soll aus der Revolution, aus dem Menschen, aus seinen Rechten und Freiheiten werden, wenn er sich von vornherein seinen tierischen Trieben hingibt? Vermögen bleibt Vermögen, und wer mit fremdem Gut nichts Besseres anzufangen weiß, als es sinnlos zu vernichten, der wird es schwerlich lernen, sein eigenes Gut zu schätzen und zu hüten. Und darum, Brüder, wende ich mich an euch ...«

Aber nun mehrten sich die Zwischenrufe, dem Redner wurden Worte in den Mund gelegt, die er nie gebraucht, und Antworten zugerufen, ohne daß man ihn hätte weiter zu Wort kommen lassen. Es hätte gar keinen Sinn, die Herrenhäuser zu erhalten, denn die hätte das Volk nebst ihrem gesamten Inhalt gar nicht nötig. Unser Land, ja, die ganze Welt sei nicht so reich, daß auch nur die geringste Hoffnung darauf bestehe, auch bei der allergrößten Freiheit, der denkbar gerechtesten Gesellschaftsordnung, einen solchen Wohlstand zu erreichen, daß alle sich solche Wohnungen und Einrichtungen leisten könnten, wie sie sich auf den Gütern fänden. Aber wozu denn diese ganze Pracht, wenn sie doch nicht für alle reiche? Die Ursache von Kriegen und Revolutionen sei immer darin zu suchen, daß ein Teil der Menschen besser lebe als der andere. Darum weg mit dieser Pracht, die nicht für alle reiche. Das war wenigstens die Meinung des Gemeindeschreibers, und zum Schluß schien die ganze Menge sich dieser Meinung anzuschließen, denn man rief wie aus einem Munde:

»Richtig! Sehr wahr! Das stimmt! Herunter damit, weiter nichts! Was soll dieser Zank? Frieden halten!«

Gewiß, Indrek hätte ja dem Schreiber entgegenhalten können, daß seinen Argumenten zufolge, genau genommen, auch mit dem Vermögen der Hofbauern abgerechnet werden müsse, denn sonst würde der Neid der Kleingrundbesitzer, der Kätner, der Häusler und Knechte nie ein Ende nehmen, aber er zog es vor zu schweigen, denn er wußte, daß dieses Argument ausgepfiffen und niedergeschrien oder aber Leidenschaften entfacht werden würden, die in den Reihen der Freiheitskämpfer Verwirrung stiften müßten.

Nachdem man einige Stunden lang hin und her debattiert hatte, machte man sich auf den Weg nach dem nächsten, einige Kilometer entfernten Gute. Hier war das bevorstehende Eintreffen der Freiheitsverkünder schon bekannt, und der Verwalter hatte in Begleitung zweier alter Damen, der Besitzerinnen des Guts, das Weite gesucht. So war das Herrenhaus auch hier völlig menschenleer, und auch der Förster war nicht zu Hause, so daß man überall nur Frauen und Kinder vorfand, die sich erschrocken in den Winkel drückten und auf keinerlei Fragen und Erkundigungen Rede und Antwort stehen konnten. Zur Strafe wurden die Häuser des Verwalters und des Försters angesteckt und streng darauf geachtet, daß keinerlei Löschversuche unternommen wurden: nur der Rettung der beweglichen Habe der Hausbewohner legte man keine Hindernisse in den Weg.

Auch mit dem Herrenhause machte man kurzen Prozeß, indem man ihm einfach den roten Hahn aufs Dach setzte, um der Mühen und Umstände des Zerstörungswerks überhoben zu sein. Anstatt dessen waren die Leute hier offensichtlich von einer ganz anderen Leidenschaft beseelt, die Indrek wenigstens zum Teil aufs Konto seiner Rede beim Gemeindehause buchen zu müssen glaubte: man begann nämlich mit großem Eifer den Hausrat des brennenden Gebäudes zusammenzuraffen und ins Freie zu tragen, anfangs nur die wertvolleren Stücke, soweit solche von den flüchtenden Besitzern zurückgelassen worden waren, dann aber auch alles übrige: Kleider, Bettzeug, Wäsche, Möbel. Die Leute waren mit einem Eifer bei der Sache, der sie manchmal in direkte Lebensgefahr brachte und vielfach zu heftigem Gezänk ausartete, wenn nämlich zwei Personen gleichzeitig irgendeinen Gegenstand erhascht hatten und nun daran herumzerrten, weil keiner seinen Raub fahren lassen wollte, in der Meinung, ein größeres Anrecht auf ihn zu haben.

Indrek stand ganz erstarrt da, in den Anblick der emsig tätigen, hin und her eilenden Menge versunken. Das ganze Dorf schien auf den Beinen zu sein – Männer und Frauen, Jünglinge und Mädchen, ja selbst Kinder beteiligten sich an diesem seltsamen Rettungswerk, und auch die berufenen Hüter der revolutionären Ordnung nahmen die gute Gelegenheit wahr, sich allerlei Wertsachen, die ihnen gerade unter die Finger kamen, in die Tasche zu schieben. Man griff aber oft auch nach Dingen, die überhaupt keinen oder doch nur einen sehr geringen Wert hatten. So erblickte Indrek eine bucklige Alte, die sich verspätet hatte und sich nun mit einem Nachttopf begnügen mußte, der überdies nicht einmal heil war, sondern am Rande mehrere Sprünge aufwies. Ihren kostbaren Raub fest an sich drückend, eilte die Alte hastig durch die Zimmer, mit den halberloschenen Augen mißtrauisch um sich blickend, einige schwarze Zahnstummel im offen stehenden, welken Munde, die Sehnen des Halses unter dem Kinn scharf wie Riemen hervorspringend. Gerade als die Alte Indrek passierte, trat ihr unter der Türe ein junger Mann in einem kurzen Leibpelz entgegen, ein buntes Tuch um den Hals geschlungen, eine alte Mütze mit geknicktem Schirm in die Stirn gedrückt. Ihn erblickend, machte die Alte ratlos halt.

»Herrgott noch mal, Mutter!« rief der junge Mann, Indrek, der die beiden beobachtete, einen Blick zuwerfend und der Alten gleichzeitig den Nachttopf entreißend, um ihn mit aller Kraft von sich zu schleudern, gerade in der Richtung auf Indrek hin, als habe er es auf diesen abgesehen; der Topf rollte polternd an Indreks Füßen vorbei, um dann an einem Ofen zu zerschellen. »Ich habe dir doch schon einmal gesagt, Mutter«, fuhr der junge Mann fort, »mögen die andern tun, was sie wollen, wir wollen nichts mit diesen Räubereien zu schaffen haben.« Und ohne weiter ein Wort zu verlieren, hob er die Mutter auf die Arme und trug sie wie ein Kind die Treppe hinab, wo er sie niedergleiten ließ, so daß die Alte ganz betäubt auf schwankenden Beinen stehen blieb und verdutzt um sich blickte, während der junge Mann eilig zu einem Wagen hinüberlief, wo zwei Männer sich mit einer Kommode zu schaffen machten.

»Karla!« rief er dem einen der beiden zu. »Was soll das heißen, was tust du da? Schämst du dich denn nicht? Herunter vom Wagen mit der Kommode! Und was hast du da im Sack? Gott schütze, du hast anscheinend den Verstand verloren wie alle anderen.«

»Aber die Sachen verbrennen ja sowieso«, entschuldigte sich der Angeredete.

»Laß sie verbrennen!« rief der junge Mann, »laß sie tausendmal verbrennen, aber du laß deine Finger davon, mögen die andern Plündern und sengen, wenn sie von Sinnen sind.« Und damit machte er sich an die Kommode und versuchte sie vom Wagen zu stoßen. Aber nun mischte sich auch der andere Mann ins Gespräch und sagte:

»Laß die Kommode sein, ich habe geholfen, sie auf den Wagen zu heben, und wenn Karla sie nicht mag, dann werde ich sie behalten.«

»Geh zum Teufel!« schrie der junge Mann ihn an. »Willst du die Kommode stehlen, so hol dir selbst Pferd und Wagen, um sie abzuführen, aber laß andere in Frieden. Karla, sei vernünftig, höre, was ich dir sage.«

»Aber sei doch kein Kind, Karla, alle nehmen sich doch ihr Teil, worauf sollen denn wir noch warten?« mahnte der andere Mann.

Aber schließlich siegten doch die Argumente des jungen Mannes, und Karla machte sich daran, mit seiner Hilfe die Kommode wieder abzuladen, worauf sie unter einen Baum gestellt wurde. Dann wurde auch der gefüllte Sack vom Wagen hinter die Kommode getragen und dort seines Inhalts entleert, worauf das Pferd losgebunden wurde und Karla sich auf den Wagen schwang, seinen Genossen auffordernd, neben ihm Platz zu nehmen. Als dieser indessen zögerte und die Augen noch immer nicht von der am Baume stehenden Kommode abwenden konnte, gab Karla dem Pferde die Peitsche und rollte donnernd davon, als sei ihm der Böse auf den Fersen. Der junge Mann blickte um sich, als suche er noch weitere Bekannte, an denen er Bekehrungsversuche anstellen könne. Als er aber niemand erblickte, wandte er sich zum Gehen, die Menge resigniert sich selbst überlastend.

Durch sein Beispiel angefeuert, eilte Indrek aufs neue die Treppe empor in den oberen Stock, wo Flammen und Rauch immer schneller um sich griffen. Hier kamen ihm zwei Weiber entgegen, die mit vereinten Kräften ein Sofa schleppten. Ohne ein weiteres Wort stieß Indrek ihnen das Möbelstück aus der Hand, so daß es, auf den Fußboden niederstürzend, ein Bein verlor. Aber die Weiber, die augenscheinlich annahmen, es liege ein Mißverständnis vor, packten ihre Beute von neuem und wollten sich mit ihr auf den Weg machen.

»Ach, du Kuckuck«, jammerte die eine, »ein Bein ist zum Teufel.«

»Nehmen wir es nur mit, das läßt sich ja wieder anleimen«, tröstete die andere.

Aber Indrek stieß ihnen das Sofa zum zweiten Male aus den Händen, dieses Mal mit solch einem Schwünge, daß es zwei weitere Beine verlor.

»Laßt doch endlich mal dieses Sofa in Ruhe, sonst breche ich ihm sein letztes Bein auch noch ab!« schrie Indrek die Weiber an.

»Aber wir haben doch sonst nichts als nur dieses Sofa«, klagte die ältere der beiden Frauen.

»Dann lassen Sie das auch hier stehen«, sagte Indrek und machte, daß er fortkam, denn das Feuer griff immer weiter um sich. Draußen fand er Meigas in Gesellschaft einiger anderer Männer im Kampfe mit Leuten, die eben dabei waren, allerlei Gegenstände auf ihre Wagen zu laden. Auch Indrek trat hinzu. Mit Gewalt gelang es, den Räubern einige Polsterstühle und einen mit himmelblauer Seide überzogenen Diwan zu entreißen, aber dann eilte ihnen eine Gruppe anderer Leute zu Hilfe, und Meigas mit den Seinen mußte das Feld räumen, wollte er es nicht auf eine richtige Schlacht ankommen lassen.

»Lassen wir den ganzen Plunder laufen, und machen wir, daß wir weiterkommen«, sagte Meigas ingrimmig, aber nun erwies es sich, daß die meisten seiner Leute spurlos verschwunden waren. In der Umgebung des Herrenhauses waren sie nicht zu finden, und so mußte angenommen werden, daß sie in der Branntweinbrennerei und im Keller waren, wohin gleich anfangs eine Gruppe Leute abkommandiert worden war. Hier fand man sie denn auch schließlich, ebenfalls im Streit mit der Volksmenge, die verhindern wollte, daß man den Branntweinfässern den Boden ausschlug oder doch zum mindesten einige Fässer unversehrt lassen wollte. Die Leute hatten sogar schon ihre Wagen herbeigeholt, um die Fässer aufzuladen.

Aber nun verstand Meigas keinen Spaß mehr. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, riß er einem seiner Genossen ein Beil aus der Hand und stürzte sich auf die aus dem Keller ins Freie gerollten Fässer, indem er mit drohender Stimme ausrief, als stehe eine überlegene Macht hinter ihm:

»Im Namen der Revolution! Und wer mir entgegentritt, der ist ein Kind des Todes.«

Vor Meigas drohender Stimme und Gebärde schrak die Menge einen Augenblick zurück, und bevor sie sich noch von diesem Schreck erholte hatte, war sämtlichen Fässern der Boden ausgeschlagen, so daß ihr kräftiger Inhalt über den schmutzigen Boden dahinströmte. Immerhin gelang es einigen Leuten, noch ihre Mützen, Tücher, ja sogar Röcke in das köstlich Naß zu tauchen, um es sich dann später durch Ausringen der feuchten Kleidungsstücke zu Gemüte führen zu können.

Meigas mit den Seinen begab sich wieder zurück zum Herrenhause, um sich nun wieder auf den Weg zu machen, aber hier erwartete ihn eine neue Überraschung: auf dem zu seiner Beförderung bestimmten Fuhrwerk fand sich eine Menge geraubter Sachen. Diese Entdeckung traf Meigas um so peinlicher, als er erst kürzlich von den Leuten, deren Raublust er Einhalt tun wollte, den Vorwurf hatte hören müssen, er sei wohl neidisch und wolle alles für sich allein behalten, worauf er dann mit seinem revolutionären Ehrenwort versichert hatte, daß er und seine Genossen nichts weiter für sich beanspruchten, als Geld und Waffen zum Sturz der Zarenregierung und der Herrschaft der Gutsbesitzer. Und nun mußte er seinen Wagen plötzlich mit fremdem Gut vollgepfropft vorfinden, als sei auch er mit seinen Genossen ein ganz gewöhnlicher Dieb und Räuber. Als er sich gerade stumm daran machen wollte, die Sachen abzuladen, traten einige seiner Genossen dazwischen, indem sie erklärten:

»So laß doch, das ist doch Gold und Silber! Ebensogut wie bares Geld. Wenn wir das auch verschmähen, dann bekommen wir überhaupt nichts, und unser ganzes Unternehmen wird zu einer zwecklosen Spazierfahrt durchs Land.«

Meigas hielt gedankenvoll inne. Dann trat er an die übrigen Wagen heran und fragte:

»Also wirklich nur Gold und Silber?«

»Auch Waffen«, erhielt er zur Antwort.

Meigas blickte stumm vor sich hin, als mißtraue er den Versicherungen seiner Genossen, und Indrek wußte sehr wohl, wie berechtigt dieses Mißtrauen war. Aber schließlich bestieg er doch den Wagen, denn er sagte sich, daß seine Bande arg zusammenschmelzen müsse, wenn er alle mit seinem Maße messen wollte. Es war nun mal schon so, daß der einzelne vergeblich versuchte, seine Umgebung zu ändern, vielmehr kam es meist umgekehrt, der einzelne mußte sich der Umgebung anpassen, wenn er nicht untergehen wollte, bestenfalls auf sich allein angewiesen bleiben.

Mit gesenktem Kopfe ritt Indrek davon, das brennende Herrenhaus hinter sich lassend, um das die Menge noch immer schwärmte wie Bienen um den Stock. Er warf einen Blick unter den Baum, wo die vorhin vom Wagen gehobene Kommode Platz gefunden hatte, aber die war längst verschwunden, gleich den dort aus dem Sacke geschütteten Sachen. An dieser Stelle stand jetzt ein kräftiges Pferdchen mit einer schönen langen, weißen, leicht gelockten Mähne und schönem Schweif, und die beiden ihm bekannten Weiber waren eben damit beschäftigt, das beinlose Sofa auf den Wagen zu heben, neben dem die abgebrochenen Beine im Grase lagen.

Die nächste Station wurde bei einem bereits demolierten Branntweinladen gemacht, dem man nun den roten Hahn aufs Dach setzte. Als Indrek eintraf, stand das Haus schon in Flammen, bei denen nur einige Männer Wache hielten, damit niemand sich einfallen lasse, das Feuer zu löschen. Als das nicht mehr zu befürchten war, fuhr man mit großem Geschrei weiter, während der Branntweinverkäufer mit seiner Frau eifrig damit beschäftigt war, sein Hab und Gut aus den Flammen zu retten.

Auf dem dritten Gute wiederholte sich dasselbe wie auf den beiden ersten, nur mit dem Unterschiede, daß hier der Hausherr daheim war – ein langer, dürrer, bleicher, völlig grauer, nahezu weißer Greis von weit über siebzig Jahren mit nervös zur Seite verzogenem Munde, zitternden Händen und übernatürlich langen, steifen Beinen. Als die Bande ins Haus drang, stand er stelzbeinig wie ein Kranich selbstbewußt inmitten des Zimmers da, auf seinen Stock gestützt, bestrebt seine steifen Glieder möglichst gerade aufzurecken und den Eindringlingen mit Augen entgegenblickend, in denen sich weder Erstaunen noch Furcht, ja nicht einmal Zorn widerspiegelte.

»Wer sind Sie, und was wünschen Sie?« fragte der alte Herr Meigas, der ihm entgegentrat und ihn begrüßte.

»Wir sind Revolutionäre«, versetzte Meigas, »die beschlossen haben, die zarische Regierung zu stürzen, die Willkürherrschaft der Gutsbesitzer zu brechen und dem Volke Land und Wälder, Äcker und Wiesen, die ihm fremde Gewalt ungerechterweise geraubt, wieder zurückzugeben. Zu diesem Kampfe brauchen wir Geld und Waffen und haben daher beschlossen, die Güter im ganzen Lande nach solchen zu durchsuchen.«

Der alte Herr hörte Meigas aufmerksam an und sagte dann in gebrochenem Estnisch:

»Das Haus steht Ihnen offen, nehmen Sie, was Sie wünschen«, und er hob seine steife Linke ein wenig, auf die offen daliegende Zimmerflucht weisend.

»Wo sind Geld und Waffen?« fragte Meigas.

»Suchen Sie selbst«, versetzte der Greis gleichmütig.

Die Bande zerstreute sich in den Räumen, nur einer wurde als Wache bei dem Alten zurückgelassen, und das war Indrek, der neben der Türe stand, die Schulter gegen den Türpfosten gelehnt. Der alte Gutsherr verharrte eine Weile in seiner anfänglichen Pose, ohne sich zu rühren. Dann blickte er um sich, als sei er hier allein und machte den Versuch, sich auf seinen steifen, beinahe leblosen Beinen von der Stelle zu bewegen. Aber das gewährte einen bedenklichen Anblick, als könne der Alte jeden Augenblick in seiner ganzen stattlichen Länge auf den Fußboden hinschlagen.

»Rosi«, rief er, wartete eine kleine Weile und wiederholte dann den Ruf mit lauterer Stimme, aber niemand erschien, denn offensichtlich hatte alles vor den bewaffneten Männern das Weite gesucht.

»Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie behilflich sein?« fragte Indrek.

Der alte Herr wandte seine Augen Indrek zu, als erblicke er ihn in diesem Augenblick zum ersten Male, betrachtete ihn eine Weile aufmerksam und sagte dann:

»Hilf mir dort auf den Stuhl.«

Indrek wußte eigentlich nicht recht, worin seine Hilfe bestehen solle, aber er umfaßte den alten Herrn sachte und suchte ihn beim Gehen zu stützen. Langsam und mit großer Mühe gelangten sie bis zum Lehnstuhl, auf den sich der Alte ächzend mit knackenden Gliedmaßen niederließ. Und plötzlich stieg in Indrek eine Erinnerung an seine Kindheit auf: an den Vater, dessen Glieder ebenso geknackt hatten, ebenso steif gewesen waren, daß er, sie ausreckend, hatte ächzen müssen, ganz wie der alte Gutsbesitzer hier vor ihm. Und es schien ihm, als erfasse er erst jetzt, daß dieses Schicksal allen gleicherweise drohe, mögen sie nun auf einem Bauernhofe oder einem Gute, in einer Hütte oder in einem Schlosse leben, daß auch er diesem Schicksal nicht entgehen könne und dadurch gewissermaßen sowohl mit diesem Gutsbesitzer als auch mit seinem Vater verbunden sei. Diese seine Betrachtungen wurden durch die Stimme des alten Herrn unterbrochen, der ihn ersuchte, das über der Stuhllehne hängende Plaid ihm über die Füße zu breiten. Nachdem er diesen Wunsch erfüllt hatte, blieb er vor dem Alten stehen, der ihn eine Weile aufmerksam betrachtete und dann sagte:

»Wer bist du?«

»Mein Vater ist Bauer«, erwiderte Indrek.

»Ist er seinem Herrn ebenso feind wie du?«

»Mein Vater wußte von seinem Herrn manches Gute zu erzählen«, versetzte Indrek.

»Gott sei Dank!« murmelte der Alte, um dann hinzuzufügen: »Aber seine Kinder hat er das nicht gelehrt. Hast du die Schule besucht?«

»Ja, das Gymnasium«, erwiderte Indrek.

»Das Gymnasium?« wiederholte der alte Herr, indem er Indrek in die Augen blickte und den Kopf hin und her wiegte, während sein verzogener Mundwinkel nervös zuckte. »Diese Schulen, ja, diese russischen Schulen. Ihr wollt also die russische Regierung stürzen? Wo wollt ihr die Macht und die Waffen dazu hernehmen?«

»Das ganze Volk steht hinter uns, und Waffen finden wir auf den Gütern, und können wir auch kaufen«, erklärte Indrek.

»Ihr täuscht euch«, sagte der Alte, »das Volk ist gar kein Volk, und auf den Gütern finden sich keine Waffen.«

In diesem Augenblick erschienen einige Männer aus den hinteren Räumen wieder im Saal. Einer trug eine Generalsuniform in der Hand, mit der er vor den Alten hintrat und fragte:

»Wem gehört das?«

»Mir«, versetzte der Greis.

»Sie sind also russischer General?«

»Das bin ich«, bestätigte der alte Herr.

»Dann legen Sie die Uniform an, schnell!« befahl der Mann.

»Laß doch den alten Menschen in Frieden«, mischte sich Indrek nun ins Gespräch.

»Was hast du hier zu sagen?« rief ein anderer dazwischen, »du bist nicht einmal Parteimitglied, um über manches andere zu schweigen.«

»Dazu braucht man doch nicht Parteimitglied zu sein, um für einen alten Menschen einzutreten«, sagte Indrek.

»Sind unsere alten Leute in ihrer Fron auf den Gütern etwa geschützt worden?« fragte jemand.

»Aber wenn jemand dir dein Pferd stiehlt, mußt du dann unbedingt auch seines stehlen?« fragte Indrek.

»Ach, laß doch dein geistreiches Geschwätz«, ergriff nun der Mann, der die Uniform auf dem Arm trug, wieder das Wort, stieß Indrek beiseite und streckte seine Hand nach dem Alten aus. Das erbitterte Indrek dermaßen, daß er seinerseits seinem Gegner einen Stoß versetzte, so daß dieser rückwärts gegen seine hinter ihm stehenden Genossen taumelte.

»Was zum Teufel soll das heißen!« rief der Mann erbost, warf die Uniform einem andern zu und machte Miene, sich auf Indrek zu stürzen, der vor dem alten Herrn Posto gefaßt hatte und es wieder mal bedauerte, daß ihm nicht Wuchs und Kräfte seines Bruders Andres gegeben seien. Aber bevor der Streit zu einer Schlägerei ausartete, kam Meigas herbei, trat zwischen die beiden und verlangte Aufklärung.

»Sie wollen dem alten Manne die Uniform anziehen, aber der kann sich ja kaum auf den Beinen halten«, erklärte Indrek empört.

»Und dieser junge Mann hier behindert die revolutionäre Tätigkeit, die die Stimmung und Zuversicht der Leute zu heben geeignet ist«, versetzte der andere. »Ich bin russischer Soldat gewesen und wünsche, daß der Herr General mich nun bedienen soll. Auch meine Genossen sind alte Soldaten und wünschen dasselbe. Wir und unsere Vorfahren haben den Gutsbesitzern genügend aufgewartet, mögen sie nun auch uns mal bedienen.«

»Aber er ist doch so gut wie gelähmt!« rief Indrek.

Der Streit ging noch eine Weile hin und her und endete schließlich damit, daß der Mann sich die Uniform selbst anzog, und der alte Herr in seinem gewöhnlichen Anzuge die Leute bedienen mußte, indem er ihnen den Tisch deckte, Speisen und Getränke auftrug, einschenkte und Feuer reichte. Er tat das alles mit einer überlegenen stoischen Ruhe, wenn auch die Beine mehr als einmal den Dienst zu versagen drohten, und die zitternden Hände manchen kostbaren Teller, manches geschliffene Glas, Messer und Gabeln zu Boden fallen ließen, wo sie liegenblieben, denn an Aufheben war bei den steifen Gliedern des Alten nicht zu denken.

Und doch schien es, als ob diese Glieder durch die Übung gelenkiger würden, und hierin rief der alte Herr Indrek nicht nur seinen Vater wieder ins Gedächtnis, sondern auch so manchen alten Hofgaul. Diese Beobachtung erschütterte Indrek geradezu. Wie sonderbar doch hier in dieser Welt alles eingerichtet war: Baron oder Graf, ein General noch obendrein, aber den Gesetzen der alten Gäule auf Wargamäe ohne Gnade unterworfen! Und das brachte ihm den alten Herrn noch näher, der sich hier abmühte, mit seinen steifen Gliedern die jungen Leute zu bedienen, weil diese ihm an Kräften überlegen waren.

Indrek stand solch ein alter Wargamäegaul vor Augen, dessen Beine völlig steif geworden waren, und dessen Zähne das Heu nicht mehr zermahlen konnten, sondern bloß »Zigarren drehten«, wie man zu sagen pflegte. Die ganze Familie beriet darüber, was mit ihm geschehen solle, ob ihn dem Abdecker zum Schinden verkaufen, oder ihm sein Lebenslicht ausblasen, um es vor Quälereien fremder Hände zu bewahren. Und einmütig äußerte alles die Ansicht, das Tier sei nicht zu verkaufen. Es sollte erschossen werden und zwar so, daß es dabei weder Qual noch Schmerz empfände. Indrek wollte es nun scheinen, daß, was einem alten Tiere zugebilligt werde, auch einem alten Menschen nicht versagt werden dürfe, und daß es diesen alten Herrn vermutlich leichter sein würde zu sterben als diese fremden Leute zu bedienen.

»Da, sauf selbst auch«, befahl der Mann in der Generalsuniform dem alten Herrn, ihm ein volles Glas hinschiebend.

»Nein, ich danke«, versetzte der Alte.

»Sauf, wenn man dir anbietet«, wiederholte der Mann, dessen Augen schon im Alkoholrausch zu glänzen begannen.

Der alte Herr stand hochmütig und gleichgültig da, als wolle er sagen, hier im Hause habe niemand etwas anzubieten, als nur er.

»Order parieren, wenn der General befiehlt!« donnerte der uniformierte Mann in seinem kümmerlichen Soldaten-Russisch. »Denn jetzt bin ich der General, wie du siehst, kennst du denn die Uniform nicht?« Und er erhob sich und trat mit drohender Miene an den alten Herrn heran.

»Tun Sie, was Sie wollen, ich trinke nicht«, sagte der Alte ruhig und fest.

»Laß ihn, Genosse«, legte Meigas sich ins Mittel, doch hätte man kaum auf ihn geachtet, wenn die Sache nicht eine andere Wendung genommen hätte: aus den hinteren Räumlichkeiten begann eine Rauchwolke ins Zimmer zu dringen, und draußen erhellte ein zitternder Schein die anbrechende Dämmerung. Hatten die Männer vorhin beim Durchsuchen des Hauses versehentlich Feuer angelegt oder hatte das jemand anderes, der von einer anderen Seite ins Haus gedrungen war, getan, das ließ sich nun nicht mehr feststellen und interessierte auch niemanden. Es begann ein allgemeiner Aufbruch. Alles erhob sich von der Tafel, die jemand hierbei gleichsam zufällig umstieß, so daß Geschirr, Speisen und Getränke klirrend zu Boden kollerten. Der einzige, der seine Selbstbeherrschung völlig bewahrte, war der alte Herr auf seinen langen, dürren Beinen. Man hatte ihn anscheinend völlig vergessen. Er beobachtete den zunehmenden Feuerschein auf dem Hofe und den immer dichter ins Zimmer strömenden Rauch und wandte sich dann der Türe zu, um das Zimmer zu verlassen. In diesem Augenblicke erschienen die Männer aber aufs neue: in Mänteln und kostbaren Pelzen, die sie sich aus der Gutsgarderobe hervorgesucht, manchen reichten die fremden Überzieher bis an die Sohlen.

»Sie kommen mit uns«, sagte der Mann in der Generalsuniform zum alten Herrn. »Ziehen Sie sich irgend etwas an.« Indrek lief Meigas suchen und rief, als er ihn gefunden: »Genosse, was soll denn das eigentlich heißen? Wozu wird dieser alte kranke Mensch mitgeschleppt?«

»Sie parieren mir nicht mehr, da ist nichts zu machen«, versetzte Meigas. »Erst eben habe ich zu hören bekommen, daß ich nicht zum Führer tauge. Alles geht zum Teufel. Die Zeit vergeht, und wir machen nichts als Dummheiten.«

»Wenn sie diesen kranken Greis mit sich schleppen, dann bleibe ich zurück«, sagte Indrek.

»Tun Sie, was Sie für richtig halten«, erwiderte Meigas.

Im selben Augenblick drängten sich die Männer aus der Tür ins Freie, sich vor dem Feuer rettend, das immer schneller um sich griff. Sie führten den alten Herrn mit sich, dem hohe Filzstiefel an die Füße gezogen und ein Halbpelz übergeworfen war. Da er nicht schnell genug ausschreiten konnte, mußte er nahezu getragen werden. Die umherstehende Menge, offensichtlich Gutsleute, sah schweigend zu, wie der alte Herr in einen Wagen gesetzt wurde, ohne daß sich jemand gefunden hätte, der es gewagt hätte oder willens gewesen wäre, einzuschreiten.

»Was das wohl für einen Sinn haben soll?« fragte Indrek sich im stillen.

»Sie nehmen ihn als Geisel mit, wie sie sagen«, erklärte Meigas, »denn was wäre das angeblich für ein Aufruhr, in dem es keine Geiseln gäbe.«

Während dieser Worte trat der Mann in der Generalsuniform an Meigas heran und fragte:

»Fahren wir, Genosse? Alles ist bereit.«

»Ich mache nicht mehr mit, wenn Sie diesen kranken alten Mann nicht zurücklassen«, sagte Indrek herausfordernd.

»So, also ein Deserteur, ein Spion, ein Spitzel, he?!« rief der Mann scharf, dem die Uniform oder der vorhin genossene Alkohol ganz neue Charakterzüge gegeben zu haben schienen. »Weißt du auch, was für ein Lohn einem Spion und Verräter gebührt?« Und damit zog er seinen Revolver und schob ihn Indrek unter die Nase, ihn grob anherrschend: »Du kommst mit, oder ich schieße dich hier auf dem Fleck nieder.«

»Laß diese Albernheiten und steck den Revolver ein, den wirst du anderweit besser brauchen können«, sagte Meigas.

»Das sind keine Albernheiten«, verteidigte sich der Mann. »Im übrigen aber, scher dich zum Teufel, aber der Alte kommt mit!« rief er und wandte sich zum Gehen.

»Also, Sie kommen nicht?« fragte Meigas.

»Nein«, versetzte Indrek fest. »Auf diese Weise wird das alles sinnlos.«

Meigas stand eine Weile mit gesenktem Haupte da, als zerbreche er sich über irgend etwas den Kopf, dann sagte er:

»Ich muß mit. Ich will tun, was ich kann, mehr kann niemand von mir verlangen. Und Sie? Zurück in die Stadt?«

»Ich weiß nicht«, sagte Indrek. »Ich mag eigentlich nirgends mehr hin. In der Tat, Genosse.« In der Betonung des letzten Wortes lag es wie ein Streicheln, eine Liebkosung. Sie drückten sich die Hände und blickten sich in die Augen, und Indrek hatte plötzlich die Empfindung, als müsse er diesen Mann umarmen und fest an sich drücken. Aber dieses Gefühl übermannte ihn nur für einen Augenblick.

»Leben Sie wohl«, sagte Meigas, und Indrek glaubte plötzlich mit Sicherheit zu wissen, daß sie sich nie mehr wiedersehen würden.

»Leben Sie wohl!« antwortete er, indem er die Hand des Scheidenden nochmals ergriff, um sie zum letzten Male fest zu drücken.

Es war schon völlig finster, als die Revolutionäre das Gut verließen. Zum Zeichen des Aufbruchs wurden ein paar Revolverschüsse abgegeben und ein Jagdhorn geblasen, das man vom Gute mit sich genommen hatte. Die Führer der Bande waren sämtlich in kostbare Pelze gehüllt, nur Meigas trug seine gewöhnliche Kleidung. Der Mann in der Generalsuniform wollte nun unbedingt reiten, zu welchem Zweck ihm ein Pferd aus dem Gutsstalle vorgeführt wurde. Auch einige der Gutsleute sprangen in die Wagen oder schwangen sich aufs Pferd, um diesen »Spaß« doch ein wenig mitzumachen. Und dann verschwand alles mit Lärm und Geschrei in der herbstlichen Dunkelheit. Zuletzt hörte man nur noch aus der Ferne den Gesang der Bande verklingen:

»Alle Güter brennen, alle Herren sterben,
Land und Forst bekommt das Volk.«

Ein ironischer Zufall fügte es, daß diese Worte nach derselben Weise gegrölt wurden, nach welcher das ganze Land eine Generation lang den deutschen Rheinländer getanzt hatte.

Die Umgebung des Guts wurde immer heller von der zunehmenden Feuersbrunst beleuchtet, denn das Feuer breitete sich schnell immer weiter aus. In seinem Schein standen die Leute in Gruppen beisammen, und es fiel anscheinend niemandem ein, das Feuer zu löschen oder aus dem brennenden Hause irgend etwas zu retten. Es traf sich nur günstig, daß der Wind die Funken über den Park hinweg aufs freie Feld trug, wo der feuchte, neblige Herbstabend sie schnell erstickte.


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