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Brief LV.

London, den 17. November 1712.

Ehe dieser Brief in Ihre Hand gelangt, werden Sie schon von dem furchtbarsten Unfall gehört haben, der je passiert ist. Heute morgen um acht sagte mir mein Diener, dass der Herzog von Hamilton mit Lord Mohum gefochten und ihn getötet habe; er selber wurde verwundet nach Hause getragen. Ich schickte ihn auf der Stelle in das Haus des Herzogs an St. James Square; aber der Pförtner konnte ihm vor Tränen kaum antworten; das Haus war von grossen Pöbelmassen belagert. Kurz, sie haben heute morgen um sieben gefochten. Der Hund Mohum wurde auf der Stelle getötet, und während der Herzog sich über ihn beugte, zog Mohum sein Schwert zurück und stach ihn von der Schulter aus bis ins Herz. Man half dem Herzog bis zum Kuchenhaus am Ring im Hyde-Park (wo das Duell stattfand); aber er starb auf dem Grase, ehe er das Haus erreichen konnte; er wurde um acht, als die arme Herzogin noch schlief, in seinem Wagen nach Hause gebracht. Macartney und ein gewisser Hamilton waren Sekundanten; sie fochten dann gleichfalls und sind beide entflohen. Ich höre auch, den Herzog von Hamilton habe ein Lakai Lord Mohums erstochen; und einige sagen Macartney habe es getan. Mohum war der Beleidiger und schickte trotzdem die Herausforderung. Ich bin unendlich bekümmert um den armen Herzog, der ein offener, ehrlicher, gutmütiger Mann war. Ich habe ihn sehr geliebt, und ich glaube, er liebte mich noch mehr. Er hatte den grössten Wunsch, mich nach Frankreich zu nehmen, aber er wagte nicht, es mir zu sagen; und die, denen er das sagte, erwiderten, man könne mich nicht entbehren, was auch richtig war. Die arme Herzogin hat man in eine Wohnung in der Nähe gebracht; ich war zwei Stunden bei ihr und komme eben zurück. Ich habe niemals ein so melancholisches Schauspiel gesehn; sie hat wirklich alle Gründe, echten Schmerz zu fühlen; und niemand kann in jeder Hinsicht mehr verlieren. Sie hat mich bis in die Seele hinein gerührt. Die Wohnung ist unbequem, und man wollte sie in eine andre bringen; aber sie wollte es nicht dulden, weil sie kein Zimmer nach hinten hatte; und man darf sie nicht mit dem Lärm der Grubstreetausrufer foltern, die ihr die Ermordung ihres Gatten in die Ohren schreien würden.

Ich glaube, Sie haben schon von der Geschichte gehört, wie ich davon kam, als ich die Bänderschachtel öffnete, die dem Lord Schatzmeister zugeschickt wurde. Die Zeitungen haben tausend Lügen darüber berichtet; aber schliesslich haben wir ihnen einen wahrheitsgetreuen Bericht gegeben, der in der Abendpost veröffentlicht worden ist; nur wollte ich nicht dulden, dass ich genannt würde, denn ich war schon zu oft genannt worden, und man plagt mich mit Fragen zu Tode. Ich möchte wissen, wie ich zu solcher Geistesgegenwart kam, denn die ist sonst nicht mein Talent; aber es hat Gott so gefallen, und ich habe ihn und mich gerettet; denn es war eine Kugel für jeden vorhanden. Ein Herr sagte mir, wenn ich getötet worden wäre, so hätten die Whigs das ein Gottesgericht genannt, weil die Pulvergefässe aus Tintenfässern bestanden, mit denen ich ihnen soviel Schaden getan habe. Es ist ein echter Grubstreetbericht darüber erschienen, voll von Lügen und Unkonsequenzen. Ich liebe dergleichen durchaus nicht, und ich wünsche mich immer mehr zu meinen Weiden zurück. Es herrscht ein Teufelsgeist unter den Leuten und das Ministerium muss sich anstrengen oder es stürzt. Nacht, liebe Burschen, ich will lapidehn.

16. Ich dachte diesen Brief gestern zu beenden; aber ich wurde zuviel gestört. Heute in der Frühe habe ich an Lady Masham geschrieben und sie gebeten, der armen Herzogin ein paar Worte des Trostes zu schreiben. Ich habe heute bei Lady Masham in Kensington gegessen; sie erwartet dort seit zwei Monaten ihre Niederkunft. Sie hat mir versprochen, die Königin zu veranlassen, dass sie der Herzogin aus diesem Anlass einen freundlichen Brief schreibt; und morgen will ich Lord Schatzmeister bitten, sie zu besuchen und zu trösten. Ich bin wieder zwei Stunden bei ihr gewesen und finde sie schlimmer. Die heftigen Anfälle sind nicht mehr so häufig, aber ihre Trauer ist förmlicher und tiefer. Sie hat viel Geist und Mut; etwa dreissig Jahre alt; hübsch und gewandt, und hat selten einen verschont, der sie im geringsten reizte; daher hatte sie viel Feinde und wenig Freunde. Lady Orkney, ihre Schwägerin, ist eigens in die Stadt gekommen und hat sie besucht; sie hat sich sehr menschenfreundlich benommen. Sie haben sich stets sehr schlecht miteinander gestanden, und die arme Herzogin konnte kaum die Geduld bewahren, wenn man ihr sagte, dass ich Lady Orkney oft besuchte. Aber ich bin entschlossen, sie zu Freundinnen zu machen, denn die Herzogin ist jetzt kein Gegenstand des Neides mehr und muss von dem strengsten Lehrer, dem Kummer, Demut lernen. Ich gedenke, die Minister zu veranlassen, dass (wenn es sich machen lässt) eine Proklamation gegen den Halunken Macartney erlassen wird. Was sollen wir mit solchen Mördern anfangen? Ich kann diesen Brief heute abend nicht schliessen, und es ist auch nicht nötig; denn ich kann ihn erst Dienstag abschicken, und morgen findet die Totenschau an der Leiche des Herzogs statt; dann werde ich mehr erfahren. Aber was fragen Sie nach all dem? »Doch MD sein taurig um die Freunde des armen Pdfr;« und dies ist ein sehr überraschendes Ereignis. Es ist spät, und ich will zu Bett gehn. Dies sieht wieder wie ein Tagebuch aus. Nacht.

17. Ich war heute mittag wieder bei der Herzogin Hamilton; vorher war ich bei Lady Orkney gewesen und habe sie ermahnt, sich ihrer Schwester gegenüber in ihrem Kummer gut zu zeigen. Die Herzogin sagte mir, Lady Orkney wäre bei ihr gewesen und habe sie nicht so milde behandelt, wie sie sollte. Sie hassen einander, aber ich will versuchen, den Bruch zu flicken. Ich habe einen Absatz für den Postboten entworfen, der morgen erscheint; so boshaft wie möglich und sehr passend für Abel Roper, den Drucker. Ich habe um sechs abends beim Lord Schatzmeister gegessen; das ist die Stunde, um die er gewöhnlich aus Windsor zurückkehrt; er verspricht, morgen die Herzogin zu besuchen und sagt, er habe eine Botschaft von der Königin für sie. Gott sei Dank. Ich bin bis nach ein Uhr bei ihm gewesen. Also Nacht, liebste MD.

18. Die Kronratskommission soll heute nachmittag in der Sache des Herzogs von Hamilton tagen; und ich hoffe, es wird eine Proklamation gegen Macartney erlassen werden. Ich war eben (es ist Mittag) bei der Herzogin, um ihr zu sagen, dass Lord Schatzmeister sie besuchen wird. Sie ist ganz ausser sich. Die Jury hat ihren Spruch über die Untersuchung des Totenarztes noch nicht gefällt. Wir vermuten, dass Macartney den Herzog erstochen hat, während er kämpfte. Die Königin und Lord Schatzmeister sind wegen dieses Ereignisses sehr bekümmert. Ich esse heute wieder beim Lord Schatzmeister, muss aber diesen Brief vorher auf die Post schicken, weil ich sonst keine Zeit habe; er hält mich meist so lange auf. Ben Tooke bittet mich, an DD zu schreiben, damit sie den Schein schickt; denn es ist höchste Zeit, dass er geschickt wird, sagt er. Bitte, lassen Sie Parvisol an mich schreiben und mir eine allgemeine Abrechnung schicken; und lassen Sie ihn wissen, dass ich im Frühjahr drüben sein werde, und dass er auf jeden Fall die Pferde verkaufen soll. Prior hat der Königin die Hand geküsst und wird in wenigen Tagen nach Frankreich zurückkehren; Lord Strafford nach Holland. Und da jetzt der König von Spanien auf seine Ansprüche auf Frankreich verzichtet hat, so muss der Friede unausbleiblich sehr bald folgen. Sie dürfen jetzt Philipp nicht mehr den Herzog von Anjou nennen, denn wir haben ihn als König von Spanien anerkannt. Dr. Pratt sagt mir, Sie seien nämlich in Irland verrückt geworden vor Ihren Theaternarrheiten und Prologen und ich weiss nicht was. Der Bischof von Clogher und seine Familie sind wohlauf; sie haben kürzlich von Ihnen gehört oder Sie von ihnen, ich weiss nicht was; ich habe neulich bei ihnen gegessen; aber der Bischof kam erst nach Tisch; und unser Essen und Trinken war sehr soso. Gestern war Herr Vedeau bei mir und erkundigte sich nach Ihnen. Er ist Leutnant gewesen, das Regiment ist aufgelöst, er sitzt auf Halbsold. Er hat mich für sich um nichts gebeten, wollte aber ein Amt für einen Freund, der ihm ein schönes Paar Handschuhe dafür geben wollte. Neulich schickte mir ein gewisser Hales einen Brief hinauf, der besagte, dass Sie mit ihm im gleichen Hause wohnten; und deshalb bat er mich, ich möchte ihm ein Amt an der Zivilverwaltung verschaffen. Ich wollte nicht zu Hause sein und habe meinem Diener befohlen, ihm zu sagen, dass ich Briefe, die mir persönlich überbracht werden, niemals öffne. Neulich beklagte ich mich einer Dame gegenüber, dass ich ein Amt in der Salzregie von vierzig auf sechzig Pfund jährlich erhöhn möchte und es stark fände, dass mir das nicht gelungen sei. Sie sagte mir, ein gewisser Herr Griffin könne das. Und später traf ich Griffin in ihrer Wohnung; ich entdeckte, dass ich einmal mit ihm bekannt gewesen bin. Ich nannte ihn Filby und auch seine Wohnung irgendwo bei Nantwich. Er sagte mir offen, er habe sich schon einmal nach dem Manne erkundigt und gemerkt, dass er wenig von seinem Amt verstehe, wenn er aber höre, dass er sich gebessert habe, so wolle er tun, was ich wünsche. Ich will die Sache eine Weile ruhn lassen und dann wieder aufnehmen; und wenn Ppt an Filby schreibt, so mag sie ihn zum Fleiss usw. ermahnen. Ich habe Griffin gesagt, ich wünsche, dass die Sache geschähe, wenn der Mann sich bessre. Dies ist der Bericht über der armen Ppt Befehl an ihren ergebensten Diener Pdfr. Ich habe eine ungeheure Menge Schreibereien zu beenden und wenig Zeit; diese Kröten von Ministern sind so langsam, wenn sie helfen sollen. Daher stehle ich bisweilen eine Woche und schreibe nicht mehr so pünktlich an MD. Leben Sie wohl, liebste Halunkinnen, liebste MD, MD, MD, MD.

Beachten Sie, wie ich in letzter Zeit meine Briefe falte?


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