Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Brief XXVII.

London, den 19. Juli 1771.

Ich habe eben meinen sechsundzwanzigsten abgeschickt; und ich habe nichts zu sagen, weil ich andre Briefe zu schreiben habe (bah, ich habe zu hoch begonnen); aber den Anfang muss ich wie ein Nestei legen; morgen werde ich mehr sagen und diese Zeile wieder ausrichten. Dies genügt zunächst für die beiden lieben, naseweisen, ungezogenen Mädchen.

20. Habe ich Ihnen schon gesagt, dass Walls bei mir war und die Stadt in drei Tagen wieder verlässt? Er hat keinen Rock mitgebracht. Dilly hat ihn in ein Schauspiel geführt. Er ist in einer törichten Sache gekommen, und kehrt zurück wie er kam. Ich war heute bei Lord Peterborow, der von neuem auf Reisen geht; ich glaube, ich habe es Ihnen schon gesagt. Gegessen habe ich beim Lord Schatzmeister; aber ich kann ihn nicht dazu bringen, seine eigne Angelegenheit mit mir zu erledigen; er hat mich auf morgen verwiesen.

21. 22. Gestern habe ich beim Lord Schatzmeister gegessen, der mich durchaus mit nach Windsor haben wollte, obwohl ich mehrmals ablehnte und mich damit entschuldigte, dass ich keine Wäsche hätte usw. Ich hatte gerade noch Zeit, Lord Forbes zu bitten, dass er in meiner Wohnung vorginge und meinem Diener befähle, meine Sachen heute durch seinen Diener nach Windsor zu schicken. Gestern nacht habe ich in Windsor beim Staatssekretär geschlafen und mir eins seiner Hemden entliehn, um darin zu Hofe zu gehn. Der Königin geht es sehr gut. Gegessen habe ich bei Herrn Masham, und da ich nichts von meinen Sachen hörte, so überredete ich Lord Winchelsea, mich in die Stadt zu bringen. Hier fand ich, dass Patrick die Kammer erbrochen hatte, um zu meiner Wäsche und meinem Schlafrock zu kommen und sie nach Windsor zu schicken; da sind sie nun, und da er nicht glaubte, dass ich so bald zurückkommen würde, so ist er auf seine Streifereien gegangen; ich sitze hier ganz verlassen und bin gezwungen, mir von meiner Wirtin einen Schlafrock zu borgen; und morgen habe ich keinen Fetzen anzuziehn; wahrhaftig, es macht mich ganz melancholisch.

23. Morgens. Es ist ein furchtbar regnerischer Tag, und auch Samstag abend hat es fabelhaft geregnet. Patrick hat letzte Nacht anderswo geschlafen, und er ist noch nicht nach Hause gekommen; wahrhaftig, der arme Presto ist ein verlassenes Geschöpf; weder Diener noch Wäsche, noch irgend etwas. – Abends. Lord Forbes Diener hat meinen Mantelsack zurückgebracht, und Patrick ist gekommen; ich lebe also in christlichen Verhältnissen: ich werde kaum noch einmal solche Streiche machen. Ich bin nur eben zu Frau Van hinausgekrochen, habe dort gegessen und bin den Nachmittag geblieben; es hat den ganzen Tag geregnet. Windsor ist entzückend; ich hatte es mit Ausnahme einer Stunde vor siebzehn Jahren noch nie gesehn. Walls war in meiner Abwesenheit hier; vermutlich, um Abschied zu nehmen; denn er wollte nicht länger als fünf Tage in London bleiben. Er sagt, er werde im nächsten Jahr mit seiner Frau auf ein paar Monate herkommen; und kurz, er wagt aus Furcht vor ihr jetzt nicht länger zu bleiben.

24. Ich habe heute mit einem Zaunfreund in der Altstadt gegessen. Auf der Strasse holte Walls mich ein und sagte mir, er wolle gerade zu Pferde nach Chester. Er ist neugierig wie eine Kuh; er logierte mit seinem Gaul in der Aldersgate Street; er hat seiner Frau ein seidnes Kleid gekauft und sich einen Hut. Und was fangen Sie an? Was fängt jetzt die arme MD an? Wie verbringen Sie in Wexford Ihre Zeit? Wie bekommt Ihnen das Wasser? Lassen Sie es Presto bald wissen; denn Presto sehnt sich danach, es zu erfahren, und er muss es wissen. Ist Frau Proby nicht eine merkwürdige Gesellschafterin? Ich fürchte, das regnerische Wetter wird Ihnen den Brunnen verderben. Wir haben seit drei Tagen viel Nässe gehabt. Erzählen Sie mir recht ausführlich von Wexford; von der Stadt, der Gesellschaft, den Lebensmitteln, den Bedürfnissen, den Ärgerlichkeiten. Die arme Dingley hat in ihrem ganzen Leben noch keinen solchen Ort gesehn. Durch die ganze Stadt hat sie schicken müssen, um ein wenig Petersilie für ein Kücken zu finden, und es war keine zu haben. Die Butter ist einfach nichtswürdig, ausser der von einer alten Engländerin; und es ist eine wahre Gnade von ihr, wenn sie einem hin und wieder ein Pfund abgibt. Ich bin froh, dass Sie Ihre Bettwäsche mitgenommen haben, sonst hätten Sie in Sackleinewand liegen müssen. O Himmel!

25. Ich war heute nachmittag beim Staatssekretär in seinem Bureau und half, einen Menschen, der wegen Vergewaltigung verurteilt ist, um seine Begnadigung zu bringen. Der Unterstaatssekretär war bereit, ihn zu retten, und zwar auf Grund einer alten Vorstellung, dass man eine Frau gar nicht vergewaltigen könne; ich aber sagte dem Staatssekretär, er könne ihn nicht ohne einen günstigen Bericht der Richter begnadigen. Ausserdem war er ein Fiedler und also ein Halunke, der es schon aus andern Gründen verdiente, gehängt zu werden; jetzt muss er also baumeln. Was? Ich muss für die Ehre des schönen Geschlechts eintreten? Freilich hatte der Bursche schon hundertmal mit ihr gelegen; aber was frage ich danach? Wie? Soll man eine Frau vergewaltigen dürfen, weil sie eine Hure ist? – Der Staatssekretär und ich gehn Samstag auf eine Woche nach Windsor. Ich habe beim Lord Schatzmeister gegessen, und ich bin bis nach zehn bei ihm geblieben. Heute war ich bei seinem Lever, weil ich Lust hatte, einem Herrn einen guten Dienst zu erweisen; ich sprach also in Gegenwart My Lords mit ihm, damit er mich sähe; und heute nachmittag fand ich Gelegenheit, ihn ihm zu empfehlen. Ich musste mich entschuldigen, weil ich zu seinem Lever gekommen wäre; ich habe es getan, um es mir einmal anzusehn; denn er wollte mich gerade fortschelten; ich war erst einmal dort gewesen, und das war lange bevor er Schatzmeister war. Die Säle waren alle voll, und ebensoviel Whigs wie Torys waren da. Er flüsterte mir ein oder zwei Scherze zu. Ich habe ihn erst eben verlassen, und es ist spät.

26. Herr Addison und ich sind uns endlich einmal wieder begegnet. Ich habe heute mit ihm und Steele bei dem Jungen Jakob Tonson gegessen. Die beiden Jakobs meinen, ich habe den Staatssekretär veranlasst, ihnen den Druck der Gazette zu nehmen, denn die verlieren ihn, und Ben Tooke und noch jemand sollen ihn erhalten. Jakob kam neulich zu mir, um mir seine Aufwartung zu machen; ich sagte ihm, es sei zu spät, und es sei nicht mein Werk. Ich denke mir, sie werden den Druck in ein oder zwei Wochen verlieren. Herr Addison und ich sprachen wie gewöhnlich miteinander; und Steele und ich verhielten uns ganz unbefangen, obwohl ich ihm kürzlich einen beissenden Brief geschrieben habe, als Antwort auf einen, den er mir geschrieben hatte, und in dem er bat, einen seiner Freunde an den Lord Schatzmeister zu empfehlen. Gehn Sie, scheren Sie sich zu Ihrem Wasser, Bursche! Macht es Ihnen Appetit? Essen Sie tüchtig? – Wir haben heute und gestern viel Regen gehabt.

27. Ich habe heute in der Altstadt gegessen und die arme Betty Rolt gesehn; ich habe ihr eine Pistole gegeben, um ihr ein wenig zu helfen, da sie wieder aufs Land zieht. Sie hat nur achtzehn Pfund im Jahr, und damit muss sie leben; so muss sie nach billigen Orten suchen. Bisweilen erhöhen die Leute ihre Preise, und bisweilen hungern sie sie aus, und dann muss sie umziehn. Patrick, der Gelbschnabel, hat mir zuviel Tinte ins Schreibzeug getan, und da ich zuviel Dinge zusammenschleppte, so habe ich sie über Papier und Boden verschüttet. Die Stadt ist stumpfsinnig, nass und leer; Wexford ist zwei davon wert; wenigstens hoffe ich es und hoffe, dass es der armen kleinen MD Meinung ist. Ich denke morgen mit dem Herrn Staatssekretär nach Windsor zu gehn, wenn er nicht noch andern Sinnes wird oder andre Geschäfte ihn hindern. Ich hoffe, ich werde eine Woche dort bleiben.

28. Morgens. Der Staatssekretär hat mir Bescheid geschickt, dass er um zwei heute nachmittag in meiner Wohnung vorsprechen werde, um mich nach Windsor mitzunehmen; also kann ich nirgendwo essen; und dabei habe ich dem Lord Schatzmeister versprochen, heute bei ihm zu essen; aber ich denke, ich werde um fünf in Windsor essen, denn wir werden für die Fahrt nicht mehr als drei Stunden brauchen. Ich gehe aus, habe aber Patrick befohlen, meine Sachen zu packen und sicher um halb zwei zu Hause zu sein.

Windsor, abends. Wir haben London erst um drei verlassen und hier zwischen sechs und sieben gegessen; um neun habe ich die Gesellschaft verlassen und den Lord Schatzmeister aufgesucht, der erst eben gekommen ist. Ich habe ihn gescholten, weil er so spät kam; er schalt mich, weil ich nicht bei ihm gegessen habe; sagte, er hätte eine Stunde auf mich gewartet. Dann ging ich, um noch bis jetzt eine Stunde bei Herrn Lewis zu sitzen, und nun ist es nach elf. Ich schlafe im gleichen Hause mit dem Staatssekretär, in einem der Häuser des Präbendars. Der Staatssekretär ist aus seiner Wohnung im Schloss nicht zurückgekehrt. Glauben Sie wohl, dass Patrick, der abscheuliche Hund, bis nach zwei noch nicht wieder zu Hause war? Und ich in der Angst, dass jeden Augenblick der Wagen kommen könnte! Und als er nach Hause kam, hatte er noch keinen Faden von meinen Sachen gepackt; ich bin noch nie in solcher Wut gewesen und hätte ihm sicherlich ein Ohr abgeschnitten, wenn ich nicht fortwährend nach dem Staatssekretär ausgeschaut hätte, der seinen Wagen schon vorher zu mir geschickt hatte; er selber kam in einer Sänfte aus Whitehall und zwar zufällig eine halbe Stunde später als er beabsichtigt hatte. Einer der Diener des Lord Schatzmeisters gab mir heute abend einen Brief; er war, wie ich sah, von ...; der bot mir an, mir auf jede Weise, die ich bestimmen würde, fünfzig Pfund zu zahlen; denn er sagte, er wünschte gut mit mir zu stehn. Ich war rasend; aber mein Freund Lewis kühlte mich ab und sagte mir, das begegne bisweilen den besten Leuten; und mir selbst ist auch nicht selten schon ähnliches begegnet, wenn es auch nicht so grob eingefädelt war. In solchen Fällen zögre ich nie einen Augenblick und habe auch nie die geringste Neigung gespürt, etwas anzunehmen. Nun, ich will in mein neues Bett schlafen gehn und von den armen Wexford-MD's träumen und von Stella, die Wasser trinkt, und von Dingley, die Bier trinkt.

29. Ich war heute bei Hofe und in der Kirche; ich bin meist mit etwa dreissig im Zirkel bekannt, und ich bin so hochmütig, dass ich all die Lords zu mir kommen lasse; man verlebt da eine recht angenehme halbe Stunde. Heute predigte vor der Königin ein Schafskopf, was oft genug vorkommt. Windsor liegt entzückend, aber die Stadt ist schuftig. Heute morgen habe ich für Ben Tooke und einen gewissen Barber, einen Drucker, die Gazette bekommen; das macht etwa dreihundert Pfund im Jahr für sie beide. Der andre Bursche war Drucker des Examiner, der jetzt eingegangen ist. Ich habe beim Staatssekretär gegessen; wir waren im ganzen ein Dutzend, drei schottische Lords und Lord Peterborow. Der Herzog von Hamilton wollte durchaus witzig werden und mir die Schleppe tragen, als ich die Treppe hinaufging. Es ist schlimm eingerichtet, dass sich Sonntags an den grossen Tafeln immer soviel Leute treffen. Der Lord Schatzmeister hat bei Hofe wiederholt, was ich bei dieser Gelegenheit zum Staatssekretär sagte. Der Staatssekretär zeigte mir sein Menu, um mich zu ermutigen, dass ich bei ihm ässe. »Bah,« sagte ich, »zeigen Sie mir nicht die Speiseliste, sondern die Gästeliste; aus Ihrem Essen mache ich mir nichts.« Nun sehn Sie, wie verkleckst hier alles ist! Ich kann hier nicht weiterschreiben; nur noch, dass ich MD von Herzen liebe und dass Gott sie segnen möge!

30. Auf Ehre und Gewissen, ich fürchte, ich bekomme die Gicht. Ich habe bisweilen Schmerzen in den Füssen und Zehen; ich habe bis vor zwei Jahren niemals getrunken, und auch da nur, um meinen Kopf zu heilen. Ich sitze oft ganze Abende lang mit einigen dieser Leute zusammen und trinke, wenn ich an der Reihe bin; aber jetzt bin ich entschlossen, zehnfach weniger zu trinken als zuvor; aber man rät mir, wenn ich trinke, reinen Wein zu trinken und kein Wasser hineinzutun. Tooke und der Drucker sind heute hier geblieben, um ihre Angelegenheit zu erledigen; sie haben mich und zwei der Unterstaatssekretäre bewirtet, weil sie die Gazette bekommen haben. Dann ging ich zum Lord Schatzmeister und schalt ihn, weil er mich in Windsor gar nicht beachtet. Er sagte, er habe gestern bei Tisch einen Platz für mich freigehalten und mich erwartet. Aber ich bin froh, dass ich nicht dort war, denn der Herzog von Buckingham war erschienen, und so wären wir miteinander bekannt geworden, was ich nicht will. Er bat mich aber, bei Herrn Masham zu Nacht zu speisen; und wir blieben dort bis nach ein Uhr: das ist spät, Burschen, und ich habe viel zu tun.

31. Heute habe ich Frau Vanhomrigh eine prachtvolle Wildkeule geschickt; ich wollte, Sie hätten sie, Burschen; gegessen habe ich würdevoll bei meinem Wirt, dem Staatssekretär. Die Königin war heute draussen, um zu jagen; da sie aber sah, dass es zum Regen neigte, blieb sie im Wagen; sie jagt mit einem einspännigen Jagdwagen, den sie selber fährt, und zwar wütend fährt, wie Jehu, und sie ist eine gewaltige Jägerin, wie Nimrod. Dingley hat von Nimrod schon gehört, aber Stella nicht, denn es steht in der Bibel. Ich war heute in Eton, das gerade jenseits der Brücke liegt, um dort Lord Kerrys Sohn zu sehn, der die Schule besucht. Der Staatssekretär hat mir eine Anweisung auf einen Rehbock gegeben; ich kann ihn MD nicht schicken. Das ist traurig, wenn man bedenkt, wie sehr Presto MD liebt und wie sehr MD um Prestos willen Prestos Wildbret lieben würden. Gott segne die beiden lieben Wexford-Mädchen.

Den 1. August. Zu Tisch hatten wir die Schwester jener Wildkeule, die ich nach London geschickt habe; sie war fett und schön; und wir waren acht zu Tisch, was schlimm war. Die Königin und ich wollten heute nachmittag Luft schöpfen, aber nicht zusammen; aber uns beide hinderte ein plötzlicher Regen. Ihre Kutschen und Jagdwagen machten alle kehrt, und die Wachen auch, und ich rannte auf den Markt, um Obdach zu suchen. Ich wollte die schönste Allee hinaufgehn, die ich noch jemals gesehn habe; zwei Meilen lang; auf jeder Seite zwei Reihen Ulmen. Abends bin ich ein wenig auf der Terrasse spazieren gegangen; und um acht kam ich nach Hause; der Staatssekretär kam bald darauf, und wir liessen uns in eine tiefe Erörterung ein, und ich bemühte mich, ein paar Punkte von der grössten Bedeutung zu erledigen; ich hatte mich schon ganz gut in ihn hineingewunden, als sein Unterstaatssekretär (der mit uns im selben Hause wohnt) eintraf und meinen ganzen Plan unterbrach. Ich habe ihn eben verlassen. Es ist spät usw.

2. Ich bin jetzt seit fünf Tagen in Windsor, und Patrick war die drei Male, bei denen ich ihn gesehn habe, betrunken; ich glaube sogar, noch öfter. Er hat kürzlich Kleider bekommen, die mich fünf Pfund gekostet haben, und der Hund meint, nun habe er die Peitsche in der Hand; er beginnt mich zu beherrschen; daher bin ich nun entschlossen, mich von ihm zu trennen, und ich werde ihn ohne das geringste Erbarmen behandeln. Der Staatssekretär und ich sind heute drei oder vier Stunden lang spazieren gegangen. Die Herzogin von Shrewsbury fragte ihn, wer dieser Dr. ... Dr. ... wäre, und sie konnte meinen Namen auf Englisch nicht finden, deshalb sagte sie Presto, das ist Italienisch für Swift. Recht wunderlich, wie Billy Swift sagt. Ich gehe morgen mit dem Staatssekretär nach seinem Hause in Buckleberry, fünfundzwanzig Meilen von hier; und Sonntag früh komme ich zurück. Ich werde diesen Brief einschliessen und hier lassen und Ihnen über meine Reise berichten, wenn ich zurückkomme. Gestern habe ich einen Brief vom Bischof von Clogher erhalten; er geht nach Dublin zum Parlament. Stehn Sie von Wexford aus mit ihm in Briefwechsel? Mir scheint, jetzt sehne ich mich nach einem Brief von Ihnen, der »Wexford, den 24. Juli« datiert ist. O Himmel, wäre das anmassend! Und dann sagen Sie, Stella könne nicht viel schreiben, denn das Schreiben bekommt schlecht, wenn man Wasser trinkt; und mir scheint, sagen Sie, ich fühle mich schon besser; aber ich kann's noch nicht sagen, ob es an der Reise liegt oder am Wasser. Presto ist albern heute abend; ja, das ist er; aber Presto hat MD sehr lieb, so wahr er hofft, selig zu werden.

3. Morgens. Ich soll, wie ich Ihnen schon sagte, heute mittag nach Buckleberry gehn; wir essen um zwölf und denken in vier Stunden dort zu sein; ich kann Ihnen also heute nicht gute Nacht sagen, weil ich abends fünfundzwanzig Meilen von diesem Blatt entfernt sein werde; und also erleidet mein Tagebuch eine Unterbrechung; guten Morgen usw.

5. Ich habe gestern in Buckleberry gegessen, wo wir zwei Nächte geschlafen haben; heute morgen brachen wir um acht Uhr auf und waren um zwölf Uhr hier; wir haben in vier Stunden sechsundzwanzig Meilen gemacht. Der Staatssekretär war in Buckleberry ein vollendeter Gutsherr; er rauchte mit ein oder zwei Nachbarn Tabak; er fragte, wie auf dem und dem Felde der Weizen stände; er besuchte seine Hunde und kannte sie alle bei Namen; er und seine Frau brachten mich ganz nach Landessitte in mein Zimmer. Sein Haus liegt in der Mitte von annähernd dreitausend Pfund jährlich, die seine Frau ihm eingebracht hat; sie stammt von Jack Newbury ab, über den Bücher und Balladen geschrieben worden sind; im Hause hängt ein Bild von ihm. Sie steht sehr hoch in meiner Gunst. Die Kirche habe ich heute versäumt; aber ich zog mich an, rasierte mich und ging an den Hof, so dass ich nicht mit dem Staatssekretär essen konnte; ich verabredete mich mit Herrn Lewis und noch einem Freund, in engem Kreise zu essen. Wir gehn morgen nach London; denn Lord Dartmouth, der andre Staatssekretär, ist gekommen, und sie sind immer abwechselnd je eine Woche hier.

6. Lord Schatzmeister kommt jeden Samstag nach Windsor und fährt Montag oder Dienstag wieder fort. Ich war heute morgen bei seinem Lever, denn anders kann man ihn hier nicht sehn, so eilig hat er es. Wir plauderten ein wenig, und ich sagte ihm, ich wollte diese Woche in Windsor allein bleiben, weil ich hier mehr Musse habe, einige Geschäfte zu erledigen, die sie angehn. Lord Schatzmeister und der Staatssekretär wollten mich kränken; sie sagten, sie hätten heute der Königin viel von mir erzählt, und sie habe gesagt, sie hätte noch nie von mir gehört; ich sagte ihnen, daran wären sie schuld, nicht die Königin, usw., und so mussten wir lachen. Gegessen habe ich mit dem Staatssekretär, den ich um fünf Uhr ohne mich nach London gehn liess; jetzt bin ich hier ganz allein im Hause des Präbendars, das der Staatssekretär gemietet hat; nur Herr Lewis wohnt in meiner Nähe, und wir werden gute Nachbarschaft halten. Der Vizekanzler und Herr Masham und der Haushofmeister haben mir zu essen versprochen. Mir fehlen nur noch vier Mahlzeiten, bis der Staatssekretär wiederkommt. Wir haben heute abend in unsrer Stadt ein Konzert. Ich ging in die Probe und traf Margarita und ihre Schwester und noch eine Schlumpe und einen Haufen Musikanten; ich war müde und wollte nicht in das Konzert selber gehn; jetzt tut es mir leid, denn ich habe gehört, es sei eine grossartige Versammlung gewesen. Herr Lewis ist eben nach Hause gekommen und hat bis jetzt bei mir gesessen; es ist spät.

7. Ich kann wenig arbeiten, fürchte ich, denn Herr Lewis, der hier nichts oder wenig zu tun hat, hängt sich an mich. Ich habe heute in schäbiger Gesellschaft bei dem Kammerherrn gegessen; aber die Königin hatte bis vier Uhr heute nachmittag Hirsche gejagt; sie ist über vierzig Meilen in ihrem Jagdwagen gefahren, und es war fünf, ehe wir uns zu Tische setzten. Hier gibt es schöne Spaziergänge um die Stadt. Ich gehe bisweilen die Allee hinauf.

8. Heute war Zirkel bei Hofe; aber es waren so wenig Gäste erschienen, dass die Königin uns in ihr Schlafzimmer rufen liess, wo wir unsre Verbeugung machten und zu etwa zwanzig im Zimmer umherstanden, während sie mit ihrem Fächerstil im Munde in die Runde blickte; und einmal sprach sie eine Minute lang etwa drei Worte zu denen, die ihr am nächsten standen; dann wurde ihr gemeldet, dass das Diner serviert sei, und sie ging hinaus. Ich habe auf Herrn Scarboroughs Einladung – denn der versieht den Dienst – im Hofmarschallamt gegessen. Dort hat man bei weitem die beste Küche in England, und die kostet der Königin tausend Pfund im Monat, solange sie in Windsor oder zu Hampton Court ist; das ist das einzige Zeichen des Prunks oder der Gastfreundschaft, das ich im Hause der Königin entdecken kann. Dort sollen fremde Gesandte und vornehme Leute bewirtet werden, die kommen, um die Königin zu sehn und wissen nicht, wo sie essen sollen.

9. Herr Coke, der Vizekammerherr, hat mir heute morgen einen langen Besuch gemacht und mich zu Tisch eingeladen; aber seine Frau, die bekannte Schönheit, war unglücklicherweise bei Lady Sunderland eingeladen. Der Lord Schatzmeister stahl sich gestern abend hierher; aber er hat nicht in seiner Wohnung im Schloss geschlafen; und nachdem er die Königin gesehn hatte, kehrte er zurück. Ich trank nur eben eine Tasse Schokolade mit ihm. Ich glaube, ich werde sehr bald Grund haben, auf ihn böse zu sein; aber was frage ich danach? Ich glaube, ich werde sterben, und die Minister werden noch in meiner Schuld sein. Heute abend habe ich einen gewissen Brief aus einer Stadt namens Wexford erhalten; er kam von zwei lieben, ungezogenen Mädchen, die ich kenne; aber wahrhaftig, ich werde ihn hier nicht beantworten, nein, auf mein Wort! Ich will diesen an Herrn Reading schicken und annehmen, Sie seien schon zurück; ich hoffe, das Wasser wird Ihnen gut getan haben.

10. Der Vizekammerherr lieh mir heute morgen seine Pferde, um auszureiten und mir das Land anzusehn. Dr. Arbuthnot, der Arzt und Günstling der Königin, begleitete mich, um mir alles zu zeigen; wir ritten kurz nach der Königin aus und holten Fräulein Forester ein, eine Ehrendame, die auf ihrem Zelter Luft schöpfte; wir verleiteten sie, mit uns zu kommen. Wir sahen die Bahn, die man für ein berühmtes Pferderennen angelegt hat, das morgen stattfinden soll und das die Königin besuchen wird. Wir trafen die Königin auf ihrem Rückweg, und Fräulein Forester stand wie wir, den Hut in der Hand, während die Königin vorbeiritt. Der Doktor und ich verliessen die Dame, wo wir sie gefunden hatten, doch unter anderm Geleit, und wir assen in einem kleinen Hause, etwa eine Meile von hier, das er gemietet hat. – Als ich nach Hause kam, erfuhr ich, dass Herr Scarborough überall herumgeschickt hatte, um mich ins Hofmarschallamt einzuladen; er hatte eigens wenig Gäste geladen, damit ich zufrieden wäre. Das ist sehr liebenswürdig und wird mich einen Dank kosten. Heute abend sind viele Leute in die Stadt gekommen, um die morgigen Rennen zu sehn. Ich war müde, weil ich einen lebhaften Traber zwölf Meilen weit geritten hatte und seit einem Jahr nicht mehr im Sattel gesessen hatte. Und Fräulein Forester machte es mir auch nicht leichter; sie ist eine alberne, echte Ehrendame, und ich mochte sie nicht, obgleich sie eine bekannte Schönheit ist und wie ein Mann angezogen war.

11. Ich will diesen Brief heute abschicken. Gegen Mittag erwarte ich den Staatssekretär. Ich gehe nur dann zum Rennen, wenn ich auf einer Kutsche Platz finde. Jetzt ist es Morgen. Ich muss aufstehn und meinen Brief zusammenfalten und versiegeln. Leben Sie wohl, und Gott behüte die teuersten MD.

Ich glaube, ich werde diese Stadt Montag verlassen.


 << zurück weiter >>