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Brief XVIII.

London, den 10. März 1710-11.

Die hübschen kleinen MD dürfen nur wenig von mir erwarten, bis Herr Harley ausser Gefahr ist. Wir hoffen, er ist es jetzt schon; aber ich leide an der Furcht für meine Freunde. Er hat den Kopf voll von den ganzen Geschäften des Landes, ihm war nicht wohl, als der Halunke stach, und der zweite Hieb hat ihm eine grausame Kontusion beigebracht. Aber noch geht alles gut. Herr Ford und ich haben heute bei Herrn Lewis gegessen, und wir hoffen das Beste.

11. Heute morgen begegnete ich dem Staatssekretär bei Hofe, wohin er ging, um die Königin zu sehn; sie ist unpässlich und fieberisch. Ich fürchte das Schlimmste nach diesem Unfall für Herrn Harley. Wir gingen zusammen in sein Haus; seine Wunde sieht gut aus, und er ist durchaus nicht fiebrisch; ich glaube, es ist recht töricht von mir, so sehr in Sorge zu sein, wie ich es bin. Ich habe das Federmesser in der Hand gehabt, und es ist einen Viertelzoll vor dem Griff abgebrochen. Ich habe Lust, einen Bericht über alle Einzelheiten der Geschichte zu schreiben und zu veröffentlichen: er wird sehr merkwürdig werden, und ich möchte es tun, wenn Herr Harley ausser Gefahr ist.

12. Wir sind heute in furchtbarer Sorge um Herrn Harley gewesen, der die ganze letzte Nacht nicht geschlafen hat und sehr fiebrisch gewesen ist. Aber heute abend sprach ich vor, und der junge Herr Harley (sein einziger Sohn) sagt mir, dass es ihm jetzt viel besser geht; er schlief, als ich kam. Sie lassen niemanden zu ihm hinein, und das ist auch vollkommen richtig. Das Parlament kann nicht weiter verhandeln, bis er wieder wohl ist, und sie müssen die Geldangelegenheiten vertagen, denn dabei kann ihnen niemand helfen als er. Ich bete zu Gott, dass er ihn erhalte.

13. Herrn Harley geht es heute besser; er hat die ganze Nacht hindurch gut geschlafen, und wir sind ein wenig ausser Furcht. Ich gehe oder schicke jeden Tag drei- oder viermal hin. Ich ging in die Stadt, um einen Spaziergang zu machen, und habe dort bei einem Privatmann gegessen; und als ich heute abend nach Hause kam, brach ich mir am Strand das Schienbein an einem Sandfass, das genau im Wege lag. Ich kam ziemlich schmutzig nach Hause und ging stracks zu Bett, wo ich es mit Goldschlägerhäutchen gewärmt habe. Ich war mürrisch genug gegen Patrick, der fast eine Stunde brauchte, um von nebenan ein Stück Zeug zu holen. Es ist mein rechtes Schienbein, das nie von Schwellungen heimgesucht wurde, wenn das andre anschwoll; deshalb fürchte ich weniger; aber ich werde mich doch nicht eher rühren, als bis es besser ist; ich denke, das wird in einer Woche sein. Ich bin sehr vorsichtig in derlei Dingen; aber ich wollte, ich hätte Frau Johnsons Wasser; sie ist nicht in der Stadt, und ich muss mit Alaun auskommen. Ich werde bei Frau Vanhomrigh essen, bis ich wieder ganz gesund bin; sie wohnt nur fünf Türen weiter; das kann ich wagen.

14. Meine Tagebücher werden jetzt wohl sehr unterhaltend werden, da ich mich nicht rühren kann; schwankend zwischen Berichten über Herrn Harleys Besserung und mein gebrochenes Schienbein. Ich bin um zwei zu meiner Nachbarin Vanhomrigh gegangen und um sechs nach Hause gekommen; da besuchte mich der kleine Harrison, der Tatler, und bat mich, ihm ein Blatt zu diktieren, was ich aus Erbarmen tun musste. Herr Harley ist noch immer in der Besserung; und ich hoffe, dass ich Sie in ein oder zwei Tagen nicht mehr mit ihm zu belästigen brauche, und auch mit meinem Schienbein nicht mehr. Gehn Sie zu Bett und schlafen Sie, Burschen, damit Sie morgen aufstehn können, um nach Donnybrook zu gehn und Ihr Geld bei Stoyte und dem Dechanten zu verlieren; tun Sie das, hebe, kleine Halunkinnen, und trinken Sie auf Prestos Wohl ... O, bitte trinken Sie nicht bisweilen mit Ihren Dechanten und Ihren Stoytes und Ihren Walls und Ihren Manleys und Ihren jedermanns auf Prestos Wohl, wie, bitte? Ich trinke mit mir selber hunderttausendmal auf MD's Wohl.

15. Ich war heute morgen trotz meines Schienbeins bei Herrn Staatssekretär St. John; er hat mir für den jungen Harrison, den Tatler, das hübscheste Amt in Europa gegeben – Sekretär bei Lord Raby, der zum ausserordentlichen Gesandten im Haag ernannt werden soll, wo all die grossen Angelegenheiten erledigt werden sollen; so werden wir also die Tatlers in vierzehn Tagen verlieren. Ich will Harrison morgen früh hinschicken, damit er sich bei dem Staatssekretär bedankt. Die arme Biddy Floyd hat die Pocken. Ich habe heute morgen Lady Betty Germain besucht; und als sie es mir sagte, nahm ich ohne weiteres Abschied. Ich habe Glück damit; denn vor etwa zehn Tagen besuchte ich Lord Carteret; und MyLady unterhielt mich von einer jungen Dame, einer Kusine, die mit den Pocken im Hause lag und seither gestorben ist; es war ganz in der Nähe von Lady Betty, und ich glaube, Biddy hat da den Schreck davon getragen. Gegessen habe ich bei dem Herrn Staatssekretär; und es kam ein Arzt zu ihm, der eben bei Guiscard gewesen war und sagte, er sterbe an seinen Wunden und könne kaum noch bis morgen leben. Eine arme Dirne, die Guiscard aushielt, hat ihm eine Flasche Sekt geschickt, aber der Schliesser wollte nicht dulden, dass er sie anrührte, denn er fürchtete, es möchte Gift sein. Heute sind ihm zwei Viertel alten, geronnenen Bluts aus der Seite gekommen, und er liegt im Delirium. Es tut mir leid, dass er stirbt; denn sie hatten schon einen Weg gefunden, ihn zu hängen. Sicherlich hatte er die Absicht, die Königin zu ermorden.

16. Dank Herrn Guiscard und Herrn Harley habe ich in diesem Brief seit einer Reihe von Tagen nur wenig Fortschritt gemacht; ich würde kein Ende finden, wenn ich Ihnen all die Einzelheiten dieser scheusslichen Tat erzählen wollte. Ich höre immer noch nichts von Guiscards Tode, aber man sagt, erholen könne er sich unmöglich. Ich bin gestern für einen Menschen mit einem gebrochenen Schienbein zu viel gegangen; heute habe ich geruht; ich bin nur zu Frau Vanhomrigh gegangen, bei der ich gegessen habe; und da gegen sechs Uhr Lady Betty Butler kam, so war ich aus Anstand gezwungen, bis neun bei ihr sitzen zu bleiben; dann ging ich nach Hause, und Herr Ford kam, um mein Schienbein zu sehn; er blieb bis elf Uhr bei mir; ich bin also sehr träge und unartig gewesen. Es ärgert mich bis aufs Blut, dass ich an einem so köstlichen Tage meinen Spaziergang verliere. Haben Sie schon den Spectator gesehn, ein Blatt, das täglich erscheint? Es wird von Herrn Steele geschrieben, der neues Leben gewonnen zu haben und einen neuen Vorrat an Witz zu besitzen scheint; er ist ähnlich wie seine Tatler; und alle enthalten irgend etwas Hübsches. Ich glaube, Addison und er arbeiten zusammen. Ich sehe sie nie, und ich habe Herrn Harley und Herrn St. John vor zehn Tagen in Gegenwart des Lord Siegelbewahrers und des Lord Rivers offen gesagt, dass ich ein Narr gewesen sei, meinen Einfluss auf sie zugunsten Addisons und Steeles zu verwenden; ich wolle mich aber verpflichten und versprechen, nie wieder ein Wort für sie zu reden, da ich für das, was ich an ihnen getan habe, so schlecht behandelt worden bin. Da ich nun einmal wieder ins Schwatzen geraten bin, so werde ich keine Ruhe mehr haben.

Wenn Presto wieder beginnt zu schwätzen,
Müsst ihr ihm eins auf den Schädel versetzen.

O Himmel, wie ich kleckse! Es ist Zeit, dass ich aufhöre, usw.

17. Guiscard ist heute morgen um zwei gestorben, und der Totenarzt hat festgestellt, dass er an den Wunden gestorben ist, die er von einem Boten erhalten hat, um so die Kabinettsräte, von denen er die Wunden hatte, zu reinigen. Ich habe einen Brief von Raymond erhalten, der nichts von Ihrer Kiste finden kann; aber ich hoffe, Sie werden sie haben, ehe dies in Ihre Hände gelangt. Heute habe ich bei Herrn Lewis vom Bureau des Staatssekretärs gegessen. Herrn Harley wird eine Menge ausgetretenen Bluts aus seiner Wunde auf der Brust entfernt; er wird nicht so schnell wieder aufkommen, wie wir erwartet hatten. Ich hatte noch etwas zu sagen, kann mich aber nicht darauf besinnen (was war es?).

18. Ich war heute bei Hofe, um nach dem Herzog von Argyle auszuschauen und ihm das Pro Memoria über Bernage zu geben. Der Herzog segelt mit dem ersten günstigen Wind; ich konnte ihn nicht finden, aber ich habe das Pro Memoria einem andern gegeben, der es ihm geben soll. Bernage hat einen Schnitzer gemacht, als er seinem Oberst ohne meinen Rat Geld anbot. Er ist Jedoch immerhin Kapitänleutnant; nur muss er die Kompagnie rekrutieren; das kostet ihn vierzig Pfund, aber es ist doch billiger als hundert. Ich habe heute bei Herrn Staatssekretär St. John gegessen und bin bis sieben geblieben; aus Furcht vor der Gicht aber wollte ich von seinem Champagner und seinem Burgunder nichts trinken. Mein Schienbein wird besser, ist aber immer noch nicht gut. Ich hoffe, es wird gut sein, wenn ich diesen Brief abschicke, das heisst nächsten Samstag.

19. Heute bin ich in der Altstadt gewesen, aber mit einem Wagen; das Bein auf dem Polster; und als ich nach Hause kam, habe ich mir die Bücher des armen Charles Bernard angesehen, die verauktioniert werden sollen; es juckt mir in den Fingern, neun oder zehn Pfund für ein paar schöne Ausgaben, schöner Autoren auszugeben. Aber es ist zu weit, und ich werde es versäumen, wie ich alle solche Gelegenheiten versäume. Gegessen habe ich mit Stratford in einem Kaffeehaus; es gab Hammelkoteletten und etwas von seinem Wein. Wo haben MD gegessen? Ach, die armen MD haben heute zu Hause gegessen, wegen des Erzbischofs, und sie konnten nicht ausgehn, und sie hatten eine Hammelbrust und einen Liter Weins. Ich hoffe, dass Frau Walls in der Besserung ist; und bitte, berichten Sie mir, was für einen Paten ich abgegeben habe, und ob ich mich hübsch benommen habe. Der Herzog von Argyle ist fort; und ob er mein Pro Memoria hat oder nicht, das weiss ich nicht eher, als bis ich Dr. Arbuthnot gesehn habe, dem ich es gegeben habe. Diesen schweren Namen führt ein schottischer Doktor, ein gemeinsamer Bekannter vom Herzog und mir; Stella kann ihn nicht aussprechen. O, dass wir doch an diesem schönen Tage in Laracor wären! Die Weiden beginnen zu knospen und die Sträucher zu sprossen. Mein Traum ist aus; ich habe letzte Nacht geträumt, ich ässe reife Kirschen. Und jetzt beginnt man, die Hechte zu fangen und bald die Forellen (die Pest hole diese Minister!), und ich wüsste so gern, ob das Wasser wieder so hoch steht, dass es den Stechpalmenstreif oder den Pfad am Fluss überschwemmt; wenn ja, so sind all meine Hechte fort; aber ich hoffe, nein. Weshalb fragen Sie Parvisol nicht nach derlei Dingen, Burschen? Und dann nach meinem Kanal und den Forellen, und ob der Grund schön und klar ist? Aber hören Sie, müsste nicht Parvisol meine letzten Jahrespachten und die Rückstände auszahlen? Ich glaube, wenn eine von Ihnen beiden den Kopf dazu hätte, die Abrechnungen entgegen zu nehmen, so sollten sie Ihnen ausgezahlt werden; sonst Herrn Walls. Ich will die Anweisung auf die andre Seite schreiben; und dann machen Sie es, wie Sie wollen. Hier ist ungeheuer viel zu tun; aber ich muss jetzt schlafen gehn; ich bin schläfrig; und also gute Nacht, usw.

20. Dieses wunde Schienbein richtet mich durch Wagenmiete zugrunde; nicht weniger als zwei Schilling täglich für die Fahrt in die Stadt und zurück, wo ich bei jemandem gegessen habe, von dem Sie noch nie gehört haben; ich habe einen faden Tag verlebt. Mit dieser Post habe ich an Bernage geschrieben und ihm obigen Bericht gegeben. Ich hoffe, er wird damit zufrieden sein; es ist seine eigne Schuld, wenn es nicht viel besser steht. Ich zähle darauf, dass Ihr nächster Brief von dem Attentat auf Herrn Harley voll sein wird. Er ist noch immer in der Besserung; aber es ist eine Fülle ausgetretenen Bluts aus seiner Wunde gekommen; er hütet das Bett und empfängt niemanden. Der älteste Sohn des Sprechers ist eben an den Pocken gestorben, und man hat das Haus auf eine Woche vertagt, damit er Zeit hat, sich die Tränen abzuwischen. Ich finde, das hat man sehr hübsch gemacht; aber ich glaube, einer der Gründe ist auch der, dass sie Herrn Harley so sehr entbehren. Biddy Floyd wird wahrscheinlich gesund werden; und also gehn Sie zu Ihrem Dechanten und rösten Sie ihm die Orangen und verlieren Sie Ihr Geld; los, Sie naseweisen Schlumpen. Stella, Sie haben neulich abends bei Stoyte drei Schilling und vier Pence verloren; jawohl; und Presto stand in der Ecke und sah Sie die ganze Zeit hindurch und schlich sich dann fort. Ich träume oft, ich sei in Irland und habe meine Kleider und Sachen zurückgelassen und von niemandem Abschied genommen; die Minister aber erwarten mich morgen und was dergleichen Unsinn mehr ist.

21. Nicht um eine Guinee möchte ich einen Brief von Ihnen haben, bevor dieser abgeht; und abgehn soll er Samstag, bei Gott! Gegessen habe ich, um mein Schienbein zu schonen, bei Frau Vanhomrigh. Dann ging ich in Geschäften zum Staatssekretär, und er war nicht zu Hause.

22. Gestern war der Tagesbericht kurz: aber was frage ich danach? Was fragt der ungezogene Presto danach? Heute lud Darteneuf mich zum Essen ein. Kennen Sie Darteneuf nicht? Das ist der Mann, der alles weiss und den jedermann kennt; er weiss, wohin am Feiertag eine Pöbelbande zieht und wann sie zuletzt da war; dann ging ich ins Kaffeehaus. Mein Schienbein wird besser, ist aber noch nicht ganz heil; ich sollte es hoch halten; aber ich tu's nicht; ich lasse es sogar gehn, wie es kommt. Die Pest hole Parvisol und seine Uhr. Wenn ich nicht die Zehnpfundnote bekomme, die ich dafür haben soll, so nehme ich weder Uhr noch Kette an, lassen Sie Parvisol das wissen.

23. Heute hatte ich eine Verabredung mit dem Herzog von Ormond, ihn wegen des Drucks irischer Gebetbücher bei Ned Southwell zu treffen; aber der Herzog kam nicht. Southwell bekam einen Brief, dass zwei Postschiffe genommen worden sind; wenn also MD gerade geschrieben hatten, so sind die Briefe verloren; denn es waren Schiffe, die hierher kamen. Herr Harley ist immer noch nicht wieder auf; das ausgetretene Blut dauert an; ich fürchte, er wird noch lange nicht wieder ganz wohl sein. Ich sehe an Southwells Briefen aus Irland, dass Sie von der Geschichte schon gehört haben. Was sagen Sie dazu? Gegessen habe ich bei Sir John Perceval; seine Frau sah ich wie eine Frau in den Wochen im Bett sitzen; und als ich nach Hause kam, juckte mein wundes Schienbein; und da ich nicht mehr daran dachte, was es war, scheuerte ich den Schorf ab, so dass das Blut kam; aber jetzt bin ich ins Bett gestiegen und habe eine Alaunkompresse aufgelegt; und es ist fast in Ordnung. Lord Rivers hat mir gestern ganz heimlich eine schlimme Nachricht gesagt: der Prätendent heiratet die Tochter des Herzogs von Savoyen. Wenn es wahr ist, so ist das sehr schlimm. Wir gingen mit einigen schottischen Lords auf dem Mall spazieren, und er konnte nicht eher etwas davon sagen, als bis sie fort waren; er bat mich, niemandem ausser dem Staatssekretär und MD davon zu erzählen. Dieser Brief geht morgen ab, und ich habe nur noch Platz, um meinen teuersten kleinen MD gute Nacht zu sagen.

24. Ich will diesen Brief jetzt versiegeln und abschicken; denn ich zähle nicht darauf, bis heute abend (es ist jetzt morgen) einen von Ihnen zu erhalten; ich will ihn mit eignen Händen zur Post bringen. Ich gehe in grosser Eile; also leben Sie wohl, usw.


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