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Brief XLIV.

London, den 22. März 1711-12.

Scheussliches, hässliches Wetter. Ich war heute mit Frau Wesley und Frau Percival in der Altstadt, um bei einem Bankier für Frau Wesley, die Donnerstag nach Bath geht, Geld zu holen. Ich verliess sie dort, ass bei einem Freund und ging dann zum Lord Schatzmeister, aber er hatte Leute bei sich, die ich nicht kenne; so ging ich zu Lady Masham und verlor im Picquet eine Krone an sie; dann blieb ich dort mit Lord Masham und Lord Schatzmeister bis nach ein Uhr sitzen; aber ich hatte meinen Diener zum Geleit bei mir. Ich habe meinen dreiundvierzigsten und einen für den Bischof von Clogher bestimmten Brief auf die Post gegeben, als ich aus der Altstadt kam; und nun wissen Sie, dass es jetzt spät ist, und ich heute nichts mehr zu sagen habe. Unsre Mohocks sind alle verschwunden; ich werde mich aber in acht nehmen. Nacht, meine lieben zwei liebsten ungezogenen MD.

23. Ich war heute morgen vor der Kirche wegen Lord Abercorns Angelegenheit und einiger andrer beim Staatssekretär. Die Zeit meiner Vermittlungen ist gekommen und wird bis zum Schluss der Sitzung dauern. Ich ging spät zu Hofe, und die Gäste waren fast alle schon fort. Der Hof dient mir als Kaffeehaus; einmal in der Woche treffe ich dort Bekannte, die ich sonst ein Vierteljahr lang nicht sehn würde. Es läuft ein Gerücht um, die Franzosen hätten uns bis zum Abschluss des Friedens einen Waffenstillstand angeboten; als Sicherheit soll Dünkirchen und das holländische Namur in unsern Händen bleiben. Der Herzog von Ormond, sagt man, reist in einer Woche. Ein grosser Teil seiner Dienerschaft ist schon fort. Seine Freunde fürchten, die Kosten dieses Amts werden ihn zugrunde richten, da er die Statthalterschaft von Irland aufgeben muss. Ich habe allein bei einem Freund gegessen und alle Einladungen, die man mir bei Hofe anbot, ausgeschlagen; es waren allerdings nur zwei, und beide gefielen mir nicht. Habe ich Ihnen von einem Halunken bei Hofe erzählt, der unwissenden Leuten Ämter verkauft und sie um ihr Geld betrügt? Kürzlich hat er einen Handel mit dem Vizehofmarschallamt abgeschlossen; er sollte siebentausend Pfund bekommen und hat ein paar Guineen Handgeld erhalten; aber das ganze kam Tags darauf ans Licht; und Lord Dartmouth hatte die Sache zu untersuchen; ich hoffe, er wird ausgepeitscht. Der Vizehofmarschall erzählte mir gestern abend bei Lord Masham ein paar Einzelheiten darüber. Kann DD noch solange Ombre spielen und die Karten halten, während Ppt ins nächste Zimmer geht? Nacht, liebste Burschen.

24. Heute morgen habe ich dem Herzog von Ormond nochmals Newcomb empfohlen und Dick Stewart bei ihm gelassen, damit er es noch fortsetzte. Dann wollte ich die Herzogin von Hamilton besuchen, die noch nicht wach war. So ging ich denn zur Herzogin von Shrewsbury und sass eine Stunde lang bei ihrer Toilette. Ich sprach mit ihr darüber, dass der Herzog Lord Statthalter werden würde. Sie sagte, sie wüsste nichts davon; aber ich habe sie aus ihrer Schanze herausgelockt, und sie sagt, sie würde nicht hinter dem Herzog zurückbleiben. Ich gedenke ihr den Bischof von Clogher als Bekannten zu empfehlen. Sie wird ihm gefallen; sie ist in der Tat eine sehr angenehme Frau und steht hoch in meiner Gunst. Ich weiss nicht, ob die irischen Damen sie mögen werden. Ich war im Gnadengerichtshof, um ein paar Lords für eine Kommission zu gewinnen, die morgen in Sachen eines Freundes tagt. Dann gab der Herzog von Beaufort mir ein schön in Folio gebundenes und in Stamford gedrucktes Gedicht von einem Landedelmann. Lord Exeter hatte den Herzog gebeten, es der Königin zu geben, weil der Verfasser sein Freund sei; aber der Herzog bat mich, ihm zu sagen, ob es etwas tauge. Ich nahm es mit nach Hause und werde es morgen als das Stumpfsinnigste, was ich je gelesen habe, zurückgeben und dem Herzog raten, es nicht zu überreichen. Ich habe auf Grund einer Einladung bei Domville gegessen; denn er geht in wenigen Tagen nach Irland. Nacht, hebe MD.

25. Bei einem toryistischen Kreisrichter in der Altstadt findet heute ein gewaltiges Gastmahl statt: zwölfhundert Schüsseln. – Mehr als fünf Lords und einige hundert Edelleute werden dort sein und der Sitte gemäss jeder vier bis fünf Guineen geben. Dr. Coghill und ich assen auf Grund einer Einladung bei Frau Van. Es hat den ganzen Tag geregnet oder gesprüht, wie meine Taschen bezeugen. Es sind noch zwei neue Erwiderungen auf das Verhalten der Verbündeten erschienen. Die Examiners des letzten Jahres, die zusammen in einem kleinen Band erschienen sind, werden nur langsam abgesetzt. Der Drucker hat mindestens tausend zuviel gedruckt; so schnell veralten Parteiblätter, sie mögen noch so gut geschrieben sein. Die Medleys erscheinen in gleicher Weise und werden vielleicht besser gehn. Unser Gerücht über einen Waffenstillstand beginnt zu ebben; und ich habe seit drei Tagen niemanden mehr gesehn, den ich danach fragen könnte. Gestern abend hatten wir in Drury Lane oder in der Nähe ein furchtbares Feuer, und drei oder vier Leute sind verbrannt. Eine der Ehrendamen hat die Pocken; aber das beste ist, dass sie ihre Schönheit nicht verlieren kann; und wir haben eine neue, hübsche Ehrendame. Nacht, MD.

26. Ich vergass, Ihnen zu sagen, dass es letzten Sonntag gegen sieben abends, als ich auf dem Mall spazieren ging, über fünfzigmal blitzte; ich finde das um diese Jahreszeit ganz aussergewöhnlich; es war sehr heiss. Hatten Sie auch in Dublin dergleichen? Ich wollte heute beim Lord Schatzmeister essen, aber Lord Mansel und Herr Lewis nötigten mich, mit ihnen bei Kit Musgrave zu essen. Abends habe ich bei Frau Wesley gesessen, die morgen früh nach Bath geht. Die Nachricht von den Franzosen, die einen Waffenstillstand wünschen, war nur Stadtgeschwätz. Wir werden, so höre ich, in wenigen Tagen wissen, ob es Frieden gibt oder nicht. Der Herzog von Ormond, sagt man, wird in einer Woche nach Flandern gehn. Unsre Mohocks sind immer noch da und schneiden den Leuten jede Nacht die Gesichter entzwei; wahrhaftig, meins sollen sie mir nicht zerschneiden; so gefällt es mir besser. Die Hunde kosten mich mindestens eine Krone wöchentlich für Sänften. Ich glaube, die Seelen Ihrer Rindviehjäger sind in sie gefahren, und sie können nicht mehr zwischen einer Kuh und einem Christen unterscheiden. Ich vergass, Ihnen gestern ein glückliches neues Jahr zu wünschen. Sie wissen, der 25. März ist der erste Tag des Jahres, und jetzt müssen Sie die Karten lassen und Ihr Feuer löschen. Ich werde meins am 1. April löschen, ob es kalt ist oder nicht kalt. Ich glaube, ich werde bei Ihnen mein Ansehn verlieren, wenn ich nicht Anfang April hinüberkomme; aber ich hatte gehofft, die Sitzung würde vorüber sein; und bis dahin muss ich bleiben; und doch würde ich gern sehn, wie meine Weiden zu wachsen beginnen. Percival sagt mir, das frische Grün auf dem Beet im Garten wachse nicht so gut wie das berühmte am Graben. Rings herum müsste umgegraben werden. Mein Herz hängt an den Kirschenbäumen am Fluss. Nacht, MD.

27. Gesellschaftstag. Sie wissen das, denke ich. Dr. Arbuthnot war Präsident. Sein Diner war in der Küche der Königin bereitet, und es war grossartig. Wir haben es in Ozindas Schokoladenhaus, dicht beim Schloss, eingenommen; sind niemals lustiger gewesen und haben uns nie besser unterhalten, und wir gingen erst nach elf auseinander. Lord Lansdown habe ich nicht berufen; wir haben uns überworfen. Vor vierzehn Tagen stand etwas in einem Examiner, was er für eine Anzüglichkeit auf die Missbräuche in seiner Verwaltung ansah (er ist Staatssekretär des Kriegsministeriums), und er schrieb an den Staatssekretär, er habe gehört, ich hätte diesen Absatz eingerückt. Ich habe es ihm sehr übel genommen, dass er über mich Klage führte, bevor er mit mir gesprochen hatte. Ich habe ihm einen gepfefferten Brief geschickt und wollte ihn nicht durch einen Brief auffordern, wie ich es mit den andern getan habe, und ich werde kein Wort wieder mit ihm reden, bis er mich um Vergebung bittet. Ich bin heute bei Lady Masham dem Lord Schatzmeister begegnet. Er wollte mich gern zum Essen mitnehmen, aber ich bat ihn um Entschuldigung. Was! An einem Gesellschaftstag! Nein, nein. Es ist spät, Burschen. Ich bin nicht betrunken! – Nacht, MD.

28. Ich war heute bei meinem Freund Lewis, um mir Material für ein kleines Unheil zu holen. Gegessen habe ich beim Lord Schatzmeister mit drei oder vier Burschen, die ich noch nie gesehn hatte. Ich verliess sie um sieben und ging nach Hause, wo ich an den Erzbischof von Dublin und den Vetter Dechanten geschrieben habe; eine Antwort auf einen Brief von ihm, der vier Monate alt ist und den ich zufällig erspähte, als ich in meinen Papieren stöberte. Ich habe seit zwei Tagen genau auf der Spitze meiner linken Schulter Schmerzen. Ich fürchte, es ist rheumatisch, es zuckt von Zeit zu Zeit. Soll ich Flanell darauf tun? Domville geht nach Irland; er kam heute morgen her, um Abschied zu nehmen, aber ich werde morgen noch mit ihm essen. Redet der Bischof von Clogher davon, dass er diesen Sommer nach England kommen will? Mir ist, als hätte Lord Molesworth mir vor zwei Monaten davon gesprochen. Das Wetter ist wieder schlecht; regnerisch und sehr kalt heute abend. Wissen Sie, was die Länge ist? Ein Pläneschmied hat sich an mich gewandt, ich möchte ihn den Ministern empfehlen, weil er behauptet, die Länge gefunden zu haben. Ich glaube, er hat sie so wenig gefunden, wie er meinen ... gefunden hat. Ich will mir aber ernsthaft anhören, was er sagt, und herausfinden, ob er ein Halunke ist oder eine Narr. Nacht, MD.

29. Diese Schmerzen in meiner Schulter plagen mich; ich glaube, es ist rheumatisch; ich will heute abend etwas dagegen tun. Herr Lewis und ich haben bei Herrn Domville gegessen, um von ihm Abschied zu nehmen. Ich habe auf langes Drängen drei oder vier Gläser Champagner getrunken, obgleich er für meine Schmerzen schädlich ist; aber wenn sie anhalten, so werde ich keinen Wein mehr ohne Wasser trinken, bis es besser ist. Das Wetter ist abscheulich nass und kalt. Ich bin zu Bett gegangen und habe etwas alten Flanell aufgelegt, denn neuen habe ich nicht; und ich habe die Schulter mit ungarischem Wasser eingerieben. Es ist sehr hart. Ich würde niemals Wein trinken, wenn es nicht um meinen Kopf wäre, und nun kommen diese Schmerzen vom Trinken. Wie geht es MD jetzt? Wie geht es DD und Ppt? Sie müssen wissen, ich hasse Schmerzen, wie die alte Frau sagte. Aber ich will versuchen, zu schlafen. Mein Fleisch saugt das ungarische Wasser wundervoll auf. Mein Diener ist ein ungeschickter Halunke, und er macht mich verdriesslich. Wissen Sie, dass er mich neulich um Verzeihung bitten musste, weil er mir den Kopf nicht rasieren konnte, so zitterte ihm die Hand? Er ist jeden Tag betrunken, und ich werde ihn fortschicken, sowie ich nach Irland komme. Ich will jetzt nicht mehr schreiben, sondern schlafen gehn und sehn, ob Schlaf und Flanell meine Schulter heilen. Nacht, liebste MD.

30. Ich war heute wegen meiner Schulter nicht imstande, in die Kirche oder zu Hofe zu gehn. Der Schmerz hat die Schulter jetzt verlassen und ist ins Genick und ins Schlüsselbein gekrochen. Dabei muss ich an der armen Ppt Schulterblatt denken. Druck, Druck, Druck; nagende Hunde. Ich ging um zwei in einer Sänfte zu Frau Van und ass dort, weil ich es mir da bequem machen konnte; und um sieben kam ich zurück. Mein ungarisches Wasser ist verbraucht, und heute abend benutze ich Weingeist; meine Wirtin sagt mir, der sei sehr gut. Es hat den ganzen Tag lang schwer geregnet und ist ausserordentlich kalt. Ich fühle mich sehr unruhig, und jeden Augenblick grausames Reissen! Nacht, liebste MD.

31. 1. April. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. All diese Tage hindurch bin ich sehr krank gewesen, obgleich ich vor einer Woche zweimal hinausgekrochen bin; jetzt erhole ich mich, obgleich ich noch sehr schwach bin. Die Gewalt meiner Schmerzen liess in der vorletzten Nacht nach; ich will Ihnen nur eben sagen, wie mir war, und dann diesen Brief abschicken, da er schon letzten Samstag hätte abgehn sollen. Der Schmerz steigerte sich gewaltig in meiner linken Schulter und im Schlüsselbein und im Nacken auf derselben Seite. Donnerstag morgen erschienen an all diesen Stehen, wo der Schmerz sass, grosse rote Flecken, und der heftige Schmerz beschränkte sich auf den Nacken, leicht auf der linken Seite; dort war er so heftig, dass ich keinen Augenblick Ruhe hatte, ja, in drei Tagen und drei Nächten kaum eine Minute Schlaf fand. Die Flecken wuchsen von Tag zu Tag und erzeugten kleine rote Finnen, die jetzt, obwohl sie klein sind, weiss und voller Fäulnis sind. Die Röte dauert auch noch an, und das Ganze ist sehr heiss und entzündet. Die Krankheit heisst die Gürtelrose. Ich esse nichts als Wassergrütze; ich bin sehr schwach, habe aber keinerlei heftige Schmerzen mehr. Die Ärzte sagen, es hätte mit einer heftigen Krankheit geendet, wenn es nicht so herausgekommen wäre. Ich werde mich jetzt schnell erholen. Ich bin nicht in Lebensgefahr gewesen, aber es war eine elende Folter. Ich darf nicht zuviel schreiben. Also leben Sie wohl, liebste MD MD MD FW FW ME ME ME Lala. Ich kann noch Lala sagen, sehn Sie. Wahrhaftig, ich verberge nichts, so wahr ich hoffe, selig zu werden.

Ich muss manche Purganzen und Klistiere nehmen; und mein nächster Brief wird nicht mehr in der alten Tagebuchform sein, bis ich mit der Kur fertig bin. Wundern Sie sich nicht, dass an einem Brief eine halbe Seite fehlt?


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