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Brief LIV.

London, den 28. Oktober 1712.

Ich bin den ganzen Monat hindurch in Behandlung gewesen, und seit drei Wochen geht es mir besser. Ich nehme auf Anordnung des Arztes bis auf weitern Befehl keine Arznei mehr. DD wird Politikerin und sehnt sich danach, zu hören, dass der Friede proklamiert ist. Ich hoffe, wir werden ihn bald erhalten, denn die Holländer sind vollauf gedemütigt; und Prior ist eben auf ein paar Tage aus Frankreich herübergekommen; ich vermute, in irgend einer wichtigen Angelegenheit. Ich habe ihn gestern abend gesehn, aber nicht unter vier Augen mit ihm geredet. Die Kurse steigen seit seiner Ankunft. Was meinen Aufenthalt in England angeht, so kann er Jetzt nicht mehr lange dauern; sagen Sie meinen Freunden das. Das Parlament wird erst nach Weihnachten zusammentreten; und bis dahin wird die Arbeit, die ich mache, fertig sein, und dann soll mich nichts mehr halten. Ich bin sehr unzufrieden mit Parvisol, weil er den Verkauf meiner Pferde so sehr vernachlässigt, usw.

Lady Masham ist noch nicht entbunden, aber wir erwarten es von Tag zu Tag. Ich habe heute bei ihr gegessen. Lord Bolingbroke ist vor etwa zwei Monaten zurückgekehrt und Prior vor etwa einer Woche; er (ich meine Prior) geht in wenigen Tagen wieder hinüber. Wer hat Ihnen etwas von meiner Schnupftabaksdose und meinen Taschen erzählt? Ich? Ich hatte heute einen Brief von Dr. Coghill, der mich bittet, Raphoe für den Dechanten Sterne, und die Dechantei für mich zu erbitten. Ich werde es tun, ich habe Sterne gegenüber soviel Verpflichtungen. Wenn man mich fragt, wer einen guten Bischof ergeben würde, so werde ich ihn vor allen andern nennen. Dann kommt noch ein Brief, in dem ich gebeten werde, ich möchte einen Rektor Es handelt sich um das Rektorat des Trinity College in Dublin, das damals Dr. Pratt inne hatte. empfehlen, da man annimmt, dass Pratt (der seit einer Woche hier ist) sicherlich befördert wird; ich glaube es aber nicht. Ich habe Pratt dem Lord Schatzmeister vorgestellt, und wahrhaftig, der junge Molineux wollte auch vorgestellt werden; aber ich habe ihm offen geantwortet, das täte ich nicht, wenn er nicht ein Anliegen an ihn hätte. Er ist der Sohn eines Dr. Molineux in Irland. Sein Vater hat ein Buch geschrieben, ich vermute, Sie kennen es. Der Herzog von Marlborough verlässt England (Gott weiss warum) und das gibt zu vielen Vermutungen Anlass. Einige sagen, er sei schuldbewusst, und wage nicht stand zu halten. Andre meinen, er will der Regierung ein Odium anhängen, als wollte er damit sagen, einer, der seinem Lande so grosse Dienste geleistet habe, könne wegen der Bosheit seiner Feinde nicht ruhig in diesem Lande leben. Ich habe diese Leute Oxford und Bolingbroke, die zum hundertsten Mal vor einem Bruch standen. noch einmal zusammengeflickt. Gott weiss, wie lange es dauern mag. Ich war heute bei einem Prozess zwischen Lord Lansdown und Lord Carteret zugegen; er findet im Oberhofgericht statt und dreht sich um sechstausend jährlich (oder ich glaube um neuntausend). Ich sass direkt unter dem Lord Oberrichter Parker, und als er seine Feder fallen liess, hob ich sie ihm auf. Er machte mir eine tiefe Verbeugung, und fast hätte ich ihm zugeflüstert: »Ich habe Böses mit Gutem vergolten, denn Sie wollten mir meine Feder nehmen.« Ich habe es Lord Schatzmeister und Bolingbroke erzählt. Parker hätte mich nicht erkannt, wenn nicht mehrere Lords am Richtertisch im Saal sich vor mir verbeugt hätten, so dass jedermann die Augen auf mich richtete und alle zu flüstern begannen. Ich habe einen Groll auf den Hund, und spätestens in zwei Monaten werde ich ihm heimzahlen, wenn ich kann. Soviel davon. Aber Sie wollen plaudern, und ich muss jede Erbärmlichkeit erzählen, die mir nur einfällt. Man sagt, die Königin werde noch einen Monat in Windsor bleiben. Diese Teufel und Halunken aus Grub Street, die die fliegende Post und den Madley, zu einem Blatt vereinigt, schreiben, wollen keine Ruhe geben. Sie hauen stets auf dem Lord Schatzmeister, auf Lord Bolingbroke und mir herum. Wir haben den Hund unter Anklage gestellt, aber Bolingbroke regt sich nicht genug; immerhin hoffe ich, ihn noch ausgepeitscht zu sehn. Es ist ein schottischer Halunke, ein gewisser Ridpath. Sie setzen ihre Haftentlassung gegen Bürgschaft durch, und schreiben weiter; wir verhaften sie wieder, und sie stellen neue Bürgschaft; und so geht es im Kreise weiter. Man sagt, ein gelehrter Holländer habe ein Buch geschrieben, in dem er nach bürgerlichem Recht beweist, dass wir ihnen durch diesen Friedensschluss Unrecht tun; ich aber will mit gesunder Vernunft beweisen, dass wir das Unrecht erlitten haben, nicht sie. Ich plage mich wie ein Gaul und habe noch hunderte von Briefen zu lesen; aus jedem quetsche ich eine Zeile heraus oder mindestens die Saat zu einer Zeile. Strafford geht in ein oder zwei Tagen nach Holland zurück, und ich hoffe, unser Friede steht nahe bevor. Ich habe noch etwa dreissig Seiten zu schreiben (das heisst auszuziehn), und die ergeben im Druck sechzig. Das ist der mühsamste Teil der ganzen Arbeit, und ich kann mich nicht verborgen halten, obgleich ich mich, als ich aus Windsor kam, in ein Zimmer zwei Treppen hoch gestohlen habe; aber mein neuer Diener hat noch nicht die Kunst gelernt, mich auf kluge Weise zu verleugnen.

30. Heute hat mich die Herzogin von Ormond gefunden, und ich musste bei ihr essen. Lady Masham wartet immer noch. Sie hat eine grausame Erkältung gehabt. Ich konnte meinen Brief für die letzte Post um mein Leben nicht fertig bekommen. Lord Bolingbroke hat meine Papiere seit sechs Wochen und noch hat er nichts darin getan. Ist Tisdall noch in der Welt? Ich denke, mich in eine Polemik einzulassen, um mir bei der Nachwelt einen Namen zu verschaffen. Der Herzog von Ormond wird noch drei oder vier Tage nicht herüberkommen. Ich denke ihn dafür zu gewinnen, dass er sich mit mir verbündet, um zwischen unsern Leuten alles in Ordnung zu bringen. Ich habe die Herzogin gebeten, sowie der Herzog kommt, mir eine Stunde bei ihm zu verschaffen, damit ich ihm eine wahrheitsgetreue Schilderung der Personen und der Dinge geben kann. Ich glaube kaum, dass der Herzog von Shrewsbury schon jetzt zu Ihrem Statthalter erklärt wird; wenigstens glaube ich es jetzt nicht; aber die Entschliessungen wechseln sehr oft. Der Herzog von Hamilton gab mir heute ein Pfund wundervollen Schnupftabaks, Ich wollte, DD hätte ihn und Ppt auch, wenn sie ihn mag. Er hat mich eine Viertelstunde seiner Politik gekostet, die ich anhören musste. Lady Orkney macht mir einen selbsterfundenen Schreibtisch und einen Schlafrock fürs Bett. Sie ist ausserordentlich gut, wie eine Mutter. Ich glaube, neulich war ich vom Teufel besessen, dass ich durchaus mit ihr von ihrer hässlichen, schielenden Cousine reden musste; Sie wissen, die arme Dame schielt selber wie ein Drache. Neulich hatten wir eine lange Unterhaltung mit ihr über die Liebe; und sie sagte uns ein Wort ihrer Schwester Titzharding, das ich ausgezeichnet finde; es lautet: Bei den Männern erzeugt das Verlangen die Liebe, bei den Frauen die Liebe das Verlangen. Hier umgeben uns immer noch eine Menge unsrer alten Ausrufer. Ich höre jeden Morgen Ihr altes Weib mit dem alten Satin und dem Taft, und den Burschen mit den alten Röcken, Kleidern und Mäntel. Unser Wetter ist in letzter Zeit abscheulich. Wir haben unter zwanzig Tagen nicht zwei erträgliche gehabt. Ich habe wieder an Lord Orkney und andre im Ombre Geld verloren; aber schliesslich habe ich dies Jahr im ganzen nur dreiundzwanzig Schilling verloren, so dass ich am Kartengeld nicht verliere.

Unsre Gesellschaft hat ihre Versammlungen nicht wieder aufgenommen. Ich hoffe, wir werden diesen Winter einiges Gute tun; und Lord Schatzmeister verspricht mir, dass die Akademie zur Vereinigung unsrer Sprache bald vorwärts kommen wird. Ich muss jetzt auf die Jagd nach jenen trocknen Briefen gehn, damit ich Material habe. Ich hoffe, Sie werden etwas sehr bemerkenswertes sehn. Soviel davon. Gott, der Allmächtige, segne Sie.


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