Adolf Koelsch
Es ist sehr weit zum Paradies
Adolf Koelsch

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XLVII.

Auf Rosas Besitztum war manches neu erstellte Wirtschaftsgebäude nun schon unter Dach; anderes, das schon bestanden hatte und zum Loohof oder zu Dreitannen gehörte, war für den neuen Zweck umgebaut, soweit ein Eingriff überhaupt nötig gewesen war, und alle Gebäude waren einheitlich verputzt, um ihre Zusammengehörigkeit auch nach außen hin zu bekunden. Kein Stückchen Neuland lag brach; sie konnte das Sanatorium schon zu einem guten Teil aus dem Ertrag der eigenen Gärtnerei und sonstigen Kulturen versorgen, und zwölf Milchkühe besten Schlages, nebst einem Stier, vorläufiger Grundstock einer geplanten Herde, standen seit neuestem bei ihr im Brot. Dazu kamen auf dem Gebiet des Loohofs Leghühner, Fleischhühner, eine kleine Truthahnherde, Gänse, Enten, Schafe und Schweine. Zwei mittelschwere Ackerpferde waren da für die leichtere Fuhrwerkerei. Ein Traktor besorgte die schwere.

Nein, Ehre, wem Ehre gebührt, und Dank für das, was des Dankes wert ist! . . . Valär war nach Rosas Wiedererscheinen im 452 Lande der Väter oft und oft aus ihr nicht klug geworden. Besonders anfangs und vor allem, wenn sie geheimnisvoll wurde, hatte er den Eindruck gehabt, ihr Tätigkeitsdrang und ihre rastlose Betriebsamkeit seien nichts als der Versuch, der Furcht vor dem Nichts in ihrem Leben auf eine die Leute in Erstaunen setzende und dabei doch gewinnbringende Art zu entrinnen. Sie war eine Meisterin in der Kunst, sich zu vernebeln und hinter dem Schutz der Nebelwand ihren Vorteil darin zu suchen, daß man sie zwar rascheln hörte, aber nicht fand. Ebensogut verstand sie es, im geeigneten Augenblick aus dem Nebel wieder hervorzutreten und ihrer Umgebung gerade die Meinung über sich einzuflößen, die ihr im Augenblick die erwünschteste war und dennoch für die Zukunft nicht allzu unbequem, weil diese Meinung, dank ihrer Elastizität, sich später beliebig umbiegen ließ.

Dieses Spiel trieb Rosa noch immer. Aber ihre Tätigkeit war doch zu planvoll angelegt und auf ein Ziel gerichtet, als daß Valär auf die Dauer mit der Auffassung hätte auskommen können, ihr ganzes Tun sei leeres Geflatter. Sie war meistens widerlich gegen ihn, voller Bosheit und Launen. Mit der Herrichtung des Musterguts und dem Versuch, aus dem vernachlässigten oder ausgemolkenen Boden wieder »eine Quelle der Kraft« zu machen, hatte sie sich jedoch – das gab er gern zu – an die Spitze einer guten Sache gestellt, an der manches auch den kleinen Mann zur Nachahmung reizen mochte. Natürlich hatte sie selbst dieses bestechende Wort erfunden und unter den Leuten in Umlauf gebracht. Aber das war nicht schlimm, und wenn sie es genoß, daß sie mit ihrem Wagemut Erstaunen erregte und von neuem in den Ruf eines Märchens kam, so konnte Valär das verstehen, und er gönnte ihr das Vergnügen, das sie an sich selber empfand. Denn das Neuland war wirklich die Verkörperung von etwas Gutem, das in ihr selbst lebte.

Aber Rosa hatte auch Sorgen. Der Rechtsanwalt Heß, der als juristischer Berater ebenfalls mit im Verwaltungsrat der Bubikoferschen Spinnereien und Garnfärbereien saß, packte davon gelegentlich etwas aus, und diese Sorgen gönnte Valär ihr gleichfalls. 453

Die eine betraf ihren Mann.

Seit der Kündigung seines Werkvertrags hatte sich Dr. Streiff nicht mehr im Lande blicken lassen, auch nicht bei dem Rechtsanwalt Heß. Er hatte noch eine Besprechung mit seinem Sohn gehabt und hatte diesem ein Buchmanuskript hinterlassen – eine Art Anthologie neuer und neuester französischer Literatur, Lesestücke, ausgewählt, übersetzt und kurz eingeleitet von ihm, geistreiche Sachen, stimmungsvoll, farbig, pikant. Wenn Freddy seinen Verlag, den zu gründen er gerade im Begriffe stand, unter Dach habe, könne er dieses Buch, so meinte der Vater, ja als Opus 1 bringen: es gäbe eine Ouvertüre mit Paukenschlag. Der Sohn war verzweifelt; ihm schwebte eine völlig andere Verlagsrichtung vor – außerdem reichte sein mütterliches Vermögen, obgleich zum größten Teil noch vorhanden, für die Gründung eines Geschäftes nicht aus, so daß er sich seiner Stiefmutter Rosa hatte anvertrauen müssen. Rosa hatte ihm ihren Beistand nicht abgeschlagen. Aber ein Buch seines Vaters in einem Verlag, den sie finanzieren half? Freddy war ja an allerhand überraschende Einfälle und Gedankenkombinationen Rosas gewöhnt, desgleichen an solche seines Vaters. Allein selbst wenn dieses Buch ein Bestseller gewesen wäre und nicht ein so handgreiflicher Krebs, so hätte er ihr nicht zumuten dürfen, eine Ehre darin zu sehen, daß sie, zusammen mit ihm, die Druckkosten dafür bezahlen durfte. Sie hätte in seinen Augen das Recht gehabt, sich im höchsten Grad über ihn zu erbosen, wenn er ihre Hilfsbereitschaft in dieser grotesken Weise vergolten hätte. Die Ouvertüre mit Paukenschlag war daher zu ihrem Urheber an die französische Mittelmeerküste zurückgereist, nicht ohne daß der Absender betrübt gewesen wäre über diesen durch die Sorglosigkeit seines Vaters notwendig gewordenen pietätlosen Schritt.

Unmittelbar danach reichte Rosa die Scheidungsklage gegen ihren Mann ein. Ob es ihr ernst damit war, konnte sie allein wissen. Immerhin hatte Heß soviel herausgebracht, daß sie wünschte, mit Streiff wieder ins Gespräch zu kommen, und daß sie hoffte, dieser Schuß jage ihn aus dem Busch. Denn bis zum 1. Oktober war nicht mehr viel Zeit zu verlieren, und sie wußte nicht, was sie mit dem Sanatorium und seiner Belegschaft anfangen sollte, wenn Dr. 454 de Kälbermatten sie an diesem Tag wegen Ablauf des Vertrages verließ.

Gerade, als sie erwog, wie sie auch ohne Kälbermatten das Sanatorium in der bisherigen Art würde fortführen können, wenigstens solange es noch eine Goldgrube war, erschien Sir Olaf Dapkin in ihrem Haus oben am Berg, setzte sich auf einen Stuhl und sagte:

»Was verlangen Sie für das Sanatorium? Ich will es kaufen.

 

Rosa hatte mit Sir Olaf schon manche fesselnde Unterhaltung gepflogen, seit er Insasse des Hauses der Lebensfreude geworden war. Gleich bei seiner Ankunft hatte er ihr eröffnet, er komme auf Empfehlung ihres Herrn Gemahls, den er im Süden kennen gelernt hatte. Er komme, um sich über die Dynamische Medizin unterrichten zu lassen und die Methode an sich selbst zu erproben. Er hatte ihr auch erzählt, daß Dr. Streiff da unten mit einer andern Dame zusammenlebe, und Nachforschungen hatten ergeben, daß er die Wahrheit gesagt. Ebenso wußte Rosa, daß Sir Olaf während seines bisherigen Aufenthaltes im Sanatorium alles ausgeschnüffelt hatte, was auf diesem Weg überhaupt zu erfahren war. Vorübergehend war er zwar abgereist, angeblich zu einem Kirchenkongreß, aber auch das war durchaus glaubhaft erschienen. Denn am Anfang seiner Laufbahn war er in Indien Missionar gewesen. Nach kurzer Zeit hatte er sich jedoch eines andern besonnen, war in die Heimat zurückgekehrt und hatte sein großes Werbe- und Seelenfängertalent für die Einführung aller möglichen Heilmittel eingesetzt. Seine Erfolge auf diesem Gebiet hatten ihm Mut gemacht, und zuletzt war er dazu übergegangen, gleich ganzen Heilverfahren den Weg in die Welt und die Zukunft zu öffnen.

Verschiedene Versuche lohnten sich nicht, aber dann kam mit dem Meerwassertrinken sein erster und bisher einziger wirklich großer Erfolg.

»Meerwassertrinken?« fragte Rosa und krauste die Stirn. »Ich glaube davon gehört zu haben.«

»Natürlich haben Sie davon gehört. Ueberall wurde ja davon 455 gesprochen, und in den Zeitungen aller Länder und Sprachen schrieb man davon.«

»Aber ist Meerwasser nicht eine sehr schmutzige unappetitliche Brühe, voll von Bazillen und anderem Dreck?«

»Gewiß! Besonders in der Nähe der Hafenstädte. Aber daneben enthält es die wertvollsten und seltensten mineralischen Stoffe in einer Kombination, wie sie nur einige hundert Millionen Jahre nach dem Willen des allgütigen und allmächtigen Schöpfers haben herstellen können.« Man brauche die Brühe deswegen nur durch ein sehr feines Filter zu jagen und die mitgelaufenen Bakterienkeime durch ultraviolette Strahlen abzutöten, so sei Meerwasser eine Gottesgabe wie reine Luft und gutes Brot oder was man sonst an Erhabenem wolle.

Rosa war starr vor Bewunderung und sie hatte auch allen Grund dazu, besonders wenn sie die Sache unter dem ihr geläufigen Goldgrubenstandpunkt erwog. Denn Sir Olaf hatte sich von einem Techniker einen Apparat bauen lassen, der das schmutzige Wasser filtrierte und das Filtrat außerdem mit ultravioletten Strahlen in kurzer Zeit vollständig entkeimte. Den Apparat hatte er sich patentieren lassen, und dann hatte er selbst in einer kleinen leerstehenden alten Fabrik mit seiner serienweisen Herstellung begonnen. Der Apparat war handlich, nicht größer als eine mittlere Thermosflasche, ging leicht in jede Reisetasche, konnte an jede Lichtleitung angesteckt werden, war nicht zu teuer und lieferte einen halben Deziliter klare trinkbare Flüssigkeit, das heißt nicht mehr, als einem Menschen innerhalb von 24 Stunden zu schlucken empfohlen war. Gleichzeitig gründete Sir Olaf eine vornehme kleine Zeitschrift, die in allen möglichen Sprachen für seine Lieblingsidee, die Einigung der christlichen Kirchen, warb und die nur ein einziges Inserat enthielt: es war das Inserat für seinen Meerwasser-Entkeimungsapparat, und daneben brachte es ein paar aufklärende Worte über alles, wofür eine Meerwasserkur gut war. Wurde das ein goldenes Geschäft in allen am Meer gelegenen Ländern der Erde! Genau so, wie jeder Badegast sein Hautschutzöl oder seine Sonnenbrandsalbe haben wollte, wollte er auch seine Meerwassertrinkkur machen, und da der Apparat relativ billig war, 456 konnte ein Ladenmädchen von Wronker and Step sich ihn beinahe ebensogut leisten wie ihr Chef oder Direktor. So verrückt waren die Leute, daß da und dort sogar ein Meerwasserversand ins Binnenland aufgezogen werden mußte, weil die Leute die Kur daheim fortsetzen wollten, oder dieser und jener, der davon hörte, aber nicht abkommen konnte, gleichfalls nach ihren Segnungen lechzte.

»Und was ist jetzt noch los mit dem Meerwassertrinken?« fragte Rosa und machte dazu ein Gesicht, als wäre sie die Statue der Vergänglichkeit und hätte bereits alles begriffen.

Aber Sir Olaf schien keine direkte Antwort auf diese Frage geben zu wollen. Er sagte nur, Geldmachen sei nicht die einzige Schönheit auf dieser Welt, die er bewundere und liebe. Damit reiste er ab, angeblich zu einem Kongreß, dessen Arbeit der Vorbereitung der nächsten Weltkirchenkonferenz gewidmet sein sollte.

 

Seit diesem Gespräch waren etliche Wochen vergangen, und mittlerweile war Sir Olaf nicht nur in das Haus der Lebensfreude, sondern offenbar auch zur Verehrung der Schönheit des Geldes zurückgekehrt. Denn jetzt saß er bei Rosa, mit seinem in der Mitte gescheitelten, noch dunklen Haar, und nachdem er sich mit diskreter Neugier an dem ihm unbekannten Ort umgeblickt hatte, sagte er:

»Was wollen Sie für das Sanatorium haben? Ich will es kaufen.«

Rosa schüttelte ihr Haar.

»Ich hörte, daß Sie vorhätten, abzureisen . . . Danzig – Polen – Englands Garantien an dieses Land – das französische Hilfsversprechen – die Unnachgiebigkeit Deutschlands in dieser Sache: – sagten Sie nicht, daß Sie fürchten, es gäbe bald einen ganz wüsten Krieg, und Sie möchten noch vorher zu Hause sein?«

Abermals schüttelte Rosa ihr Haar und nahm Sir Olaf ganz eng in die Augen. Sie mußte jetzt auf dem Posten sein.

»Meine Milz . . . In einer pessimistischen Anwandlung habe ich dergleichen verlauten lassen«, gab Sir Olaf zu. »Aber man darf nicht zu finster sehen. Man muß auch Gottvertrauen haben, Lady.«

»Das ist nett von Ihnen, Sir Olaf. Gebrauchen Sie nur fleißig 457 unsere Kur, dann wird das mit der Milz schon wieder vergehen.«

Sir Olaf rieb seine Finger und roch daran. Es war eine Bewegung, die man ihn oft ausführen sah. Rosa hätte gern gewußt, was er eigentlich roch. Denn sie machte es auch einmal, konnte aber nichts Besonderes entdecken.

»Die Allgemeinbehandlung ist wirklich gut«, sagte Sir Olaf. »Ich habe vor, dieser Art von Esserei auch später treu zu bleiben. Man muß leider nur immer wieder erfahren, daß sie sich auf Reisen schwer durchführen läßt.«

»Die Sonderbehandlung ist gleichfalls vorzüglich«, entgegnete Rosa. »Sie ist ebenso gut.«

Sir Olaf maß etwas an Rosa ab und dann begann er behaglich zu lachen:

»Soll ich Ihnen eine Warze anhexen?« fragte er, sich zu ihr hinüberbeugend, und tupfte mit einem Finger auf den Rücken ihrer linken, ihm zunächst liegenden Hand. »Da, an diese Hand? Sie können auch gleich eine ganze Volksgemeinschaft von Warzen auf diesem warmen fraulichen Handrücken haben. Ich hexe Ihnen die Warzen auch wieder weg . . . Aber Ihnen sind das ja keine Neuigkeiten. Machen wir uns deswegen über die Sonderbehandlung nichts vor!« – Abermals lachte er und schnupfte ein wenig dazu. Gleichzeitig ließ er seinen Oberkörper behaglich gegen die Stuhllehne fallen, streckte die Beine, warf einen kurzen Blick auf den herrlichen grauen Opal an seiner Hand, einen Stein, den Rosa wegen seines halberstickten hyazinthroten Feuers schon öfter bewundert hatte, und während er die Augen schloß, fügte er langsam hinzu:

»Also: was wollen Sie für das Sanatorium haben, so, wie es dasteht, die Einrichtung eingeschlossen . . . Die Methode habe ich schon gekauft. Jetzt will ich auch das Haus dazu haben.«

Aber noch viel sicherer, als er gesprochen hatte, entgegnete Rosa ungezaudert:

»Sie haben nicht gekauft!«

Sir Olafs linkes Auge ging ein wenig auf und musterte sie. Dann schloß es sich wieder. Und als ob sie ihn überhaupt nicht unterbrochen hätte, fuhr er fort: 458

»Hier wird das Stammhaus sein. Hier werden die nötigen Dynamischen Mediziner gemacht, die mystischen Widderköpfe, die Schwingungskreisler, die nötigen Kälbermatten. Doktor de Kälbermatten wird der Oberpriester sein. Er weiht die Zöglinge in die Mysterien ein. Dann werden sie hinausgesandt in die Welt. Und in vielen, vielen Tochterhäusern, die man ihnen zur Verfügung stellt und die alle dem gleichen Konzern gehören, werden sie die Segnungen der Dynamischen Medizin der Menschheit zugut kommen lassen . . . Wie heißt es in der Heiligen Schrift? Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker . . . Nun also, nach diesem Rezept . . . So werden wir's machen.«

»Eine großartige Idee! Aber die Methode haben Sie nicht gekauft«, sagte Rosa ebenso trocken und unerschütterlich fest wie zuvor. Nur in der Haut spürte sie ein leichtes Kribbeln, und ihr linkes Ohrläppchen wurde heiß. Bald würde es beißen.

So? Nicht gekauft? – Noch eine ganze Weile sprachen sie über diese Seite der Frage, wobei Rosa den weltgewandten Mann, der wie ein sehr gepflegter englischer Bischof ohne besondere Kennzeichen aussah, immer mehr in die Enge bugsierte. Als schließlich Sir Olaf auf keine Art mehr einer zufriedenstellenden Antwort ausweichen konnte, ließ er das Antworten bleiben. Er rieb wieder seine Finger aneinander, roch andächtig daran, und Rosa hörte ihn sagen:

»Herr Doktor Streiff verlangt für die Methode, das heißt für sich und die Dienste Doktor de Kälbermattens, eine Summe, die mir stark übersetzt erscheint. – Wie wäre es, wenn wir uns auf ein Höchstangebot einigen würden, über das keines von uns hinausgeht?«

»Indisch?« fragte Rosa, auf den Opal an seiner Hand weisend.

»Möglich. Man sagt es. Man sagt, es sei ein Kascholongopal. Ich bin in solchen Sachen nicht sehr unterrichtet. Es ist ein Geschenk.«

Rosa nickte und schien noch einen Augenblick lang abwesend zu sein. Aber im nächsten war sie wieder da. Sie fragte:

»Sie – und ich, meinen Sie also?«

»Eine erträgliche Summe – einmaliger fester Betrag – nichts mit einer Schleppe von Befristung, jährlichen Lizenzgebühren 459 und ähnlichen Dessous . . . Wir beide sind ja die einzigen Interessenten auf weiter Flur und könnten mit der Einigung auf ein Höchstangebot eine schöne gegenseitige Hilfeleistung vollbringen. Wer von uns beiden schließlich zurücktreten müßte, weil er unter dem Angebot des andern bleibt, erhielte von diesem ein kleines Schmerzensgeld, sagen wir zwei Prozent der Kaufsumme. Bei gleichem Angebot träte ich vor Ihren älteren Rechten zurück. Die zwei Prozent würden bleiben.«

Hätte Rosa eine Weste getragen wie ein Mann, so hätte sie diese jetzt an den beiden vorderen Flügelspitzen gefaßt und mit Vergnügen heruntergezogen. – Das wollte ein großer Geschäftsmann sein? Sie trug keine Weste, aber soviel glaubte sie doch gemerkt zu haben, daß sie diesem smarten Mann, der sie offenbar für dumm halten wollte, an Intelligenz überlegen war, und das freute sie gleichfalls . . . Da sprach er von Höchstangebot und gegenseitiger Hilfe und versuchte sie einzuseifen. In Wirklichkeit wollte er die Methode gar nicht kaufen, wenigstens jetzt nicht mehr, wo ein Krieg alle Suppen versalzen konnte. Er wollte nur, daß sie sich einließ auf einen Wettlauf mit ihm, und bei der ersten Gelegenheit, wo sie ihn überbot, ließ er sie auf ihren zwei Prozent sitzen. So ein Fuchs!

Aber er sollte ihre Gedanken nicht lesen. Brav legte sie deswegen die Arme unter der Brust übers Kreuz zusammen und schlug die Finger um die Ellenbogen herum. Dann erwiderte sie:

»Ihr Vorschlag, Sir Olaf, geht von der Voraussetzung aus, daß ich Lust hätte, den Werkvertrag mit Doktor Streiff zu erneuern. Vermutlich hat er Ihnen dergleichen vorgegaukelt. Das ist aber ein Irrtum: von Ihnen und ihm. Jede derartige Absicht liegt mir fern. Ich bin nicht Ihr Konkurrent in dieser Sache.«

»Aber Herr Doktor Streiff sagte doch – –«.

»Er sagte!« unterbrach ihn Rosa, »natürlich sagte er. Er sagt viel, wenn der Tag lang ist – wir andern, Sir Olaf, übrigens auch . . . Nein, Sie konnten wirklich nicht wissen, daß ich ganz aus diesem Spiel bin. Kaufen Sie also ruhig. Und je mehr Sie bezahlen, um so mehr wird es mich für ihn freuen – Sie dürfen ihm das gerne sagen.« – – Rosa erhob sich, und mit einem 460 verhaltenen liebenswürdigen Lächeln sagte sie: »Sir Olaf, sind wir zu Ende?«

»Leider, wie es scheint. O–o–o–oh!« – Er war ebenfalls aufgestanden. »Aber das Sanatorium, das Haus unten, meine ich? Was machen Sie mit dem?«

»Möchten Sie es für Ihre nächste Weltkirchenkonferenz mieten? Auch dazu müßte ich leider sagen, daß es nicht geht. Denn das Sanatorium wird selbstverständlich weiter betrieben.

»Sozusagen auf neuer Basis?«

»Erraten, Sir Olaf! Es gibt ja noch bessere Methoden als die Dynamische Medizin.«

Am nächsten Tag packte Sir Olaf die Koffer und sagte auf den übernächsten die Abreise an.

Schon eine Woche danach hatte der Rechtsanwalt Heß einen Brief Dr. Streiffs in der Hand, in dem dieser mitteilte, daß er bereit sei, gegen Zurückziehung der Ehescheidungsklage über eine Verlängerung des Werkvertrags auf weitere zehn Jahre zu verhandeln. Aber auf zehn Jahre ließ sich Rosa nicht ein. Sie gestand nur zwei Jahre zu und sie bezahlte auch nicht mehr die alten Gebühren. Streiff mußte mit einer wesentlich kleineren Summe zufrieden sein, und schließlich biß er auch in diesen harten holzigen Apfel.

Eine große Sorge war Rosa damit wieder los.

Und abermals sah Valär sie von fern stolz auf ihrem Neuland stehen. Sie stand dort wie ein Baum, der sich in seinem Element befindet, und grünt und wächst und rauscht, weil ihm Boden und Klima und gelegentliche rauhe Winde behagen.

 


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