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18

Sogleich nach dem Frühstück, das ihnen wie alle ihre Mahlzeiten von der Logiswirtin aufgetragen wurde, pflegten sie zum Strand hinunterzugehen. Sie hatten ihren Platz ein wenig abseits, doch so, daß sie das Treiben der Badegäste noch unterschieden, in einer kleinen Einbuchtung, zu der die Buchenwaldung näher herantrat. Sie entkleideten sich in der zweigeteilten Hütte, schlossen ab und gingen dann, redend, lachend, verweilend, über den warmen Sand zu ihren Körben, die noch etwas entfernter aufgestellt waren.

Gerne blieb Frau Gontard einige Schritte zurück, um die Augen auf Matthias zu heften. Er trug einen weißen Bademantel umgeschlagen, ein hübsches Ding mit breiten grauen Aufschlägen an den Ärmeln und einem breiten grauen Fallkragen, dem leicht gebogen – denn Matthias hielt stets das Haupt etwas geneigt – der gebräunte Hals entstieg.

Sie badeten, und wenn Lena des Watens und Schwimmens müde war, sah sie, im Sande ruhend, ihren klugen Kopf auf einen der festen Arme gestützt, oder auch bequem im Korb mit zärtlichem Behagen dem jungen Freunde zu. Mitunter auch schien es Matthias, als habe die Sonne nicht Kraft genug, um rasch ganzes Werk zu tun; dann ließ er Lena nicht allein ans Land steigen, er folgte, hüllte sie in das große, rauhe Tuch, umfaßte sie mit dem linken Arm und rieb sie mit der Rechten aus allen Kräften warm und trocken. Es konnte gewiß nicht unerfreulich heißen, diesen Frauenleib umschlungen zu halten; er war schlank, ein wenig muskulös, dennoch weiblich, aber es kam nicht vor, daß die Berührung Matthias zu einem Kusse hingerissen hätte. Er begehrte diese Frau nicht, er war nur glücklich, ihr zu dienen.

Mit frohem Gesicht saß er ihr dann beim Mittagbrot gegenüber, er legte ihr vor, er regulierte die Schirmgardinen der Veranda, damit ja Lenas Augen nicht von der Sonne getroffen würden. Lesend hielt er sich dann in völligem Schweigen, während sie nach der Mahlzeit ein wenig schlief. Um die vierte Stunde begann sie mit ihrer Arbeit, und er spürte es wohl, ob ihr an einem Tage seine Fragen und Einwände erwünscht waren oder nicht. Er lebte in ihrem Atem. Und wenn sie dann beide, gegen den Abend hin, ihren Gang taten – am Meer entlang oder durch die Buchenwälder hinauf, so hielt er Lena leicht umschlungen, daß sie im Ufersande nicht einsank, über die Baumwurzeln nicht stolpern konnte.

Aber später kam die Stunde, in der sie ihre ernsthaften Gespräche führten, in der Matthias sich mitunter jenem Ansturm leidenschaftlichen Gefühls ergab. Denn am Abend pflegte Frau Gontard ihre Briefe zu empfangen, und einer dieser Briefe, den sie ihm hinreichte oder den sie vor ihm besprach, war es zumeist, der ihm den Anlaß gab.

Oft hielt er sich zurück, dumpf fürchtend, daß er sich wie ein Knabe gebärde. Oder er unterbrach sich, blieb tiefatmend in der geöffneten Balkontür stehen und kühlte sich das Gesicht an der Nacht. Dann erhob sie sich wohl, trat hinter Matthias, umfaßte ihn, und ihre Finger spürten an seiner Brust, an seiner Schulter, das Pochen einer ziellosen, doch schönen Empörung. Arm in Arm blieben sie auf der Schwelle stehen oder traten auf die Terrasse … Früh begaben sie sich zur Ruhe, und ihre Nächte pflegten ohne Leidenschaft zu sein. Hätte ein vertrauter Freund Lena Gontard gefragt, ob sie hier am Meere mit diesem schönen, jungen Menschen Liebeswochen verbringe, sie hätte kaum zu antworten gewußt.

Gewiß war, daß ihr Matthias sehr innig zu eigen gehörte. So innig, so unbedingt, daß es ihm unmöglich gewesen wäre, sich ein Schicksal über diese Wochen hinaus zu erdenken. Er diente, so war es genug. Wohl diente er, ohne im vollen Maße zu lieben, aber vielleicht sah so das Glück für ihn aus …

Es gab Momente strengeren Bewußtseins. Einmal, als sie in der Dämmerung heimkamen und Lena die eingelaufene Post zur Hand nahm, einen ganzen kleinen Stapel von Schriftsachen, sagte Matthias mit einem Lächeln:

»Wie viele Leute an dich denken, Lena! Du bist gar nicht bloß hier bei mir, überall bist du …«

»Man hat so viele Beziehungen,« antwortete sie beschäftigt, »das ergibt sich im Lauf der Jahre, im Beruf …!«

Matthias lachte. »Nun,« sagte er, »ich habe gar keine Beziehungen. Es ist gerade, als ob ich nicht existierte. Ich bin einzig nur bei dir, nur bei dir.« Er ergriff ihre freie Hand und suchte ihre Augen mit einem eigentümlichen Blick, so als besänne er sich.

 


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