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Gleichwohl gab es Besucherinnen, und nicht wenige, die in der Hauptstadt ihren Rang hatten, und deren Neigung wohl zählen konnte. Eine Schauspielerin war unter ihnen, die sich mit ihrer sehr besonderen, überaus intellektuellen Kunst so berühmt gemacht hatte, daß sich fast niemand mehr darüber klar wurde, wie sehr ihrem Spiel der Nerv des eigentlichen Lebens fehlte. Sie war eine schlanke, scharfzügige, höchst lebhafte Dame, der Camphaus äußerlich mehr Respekt erwies, als zu spenden in seiner Gewohnheit lag. So versäumte er niemals, sie bis zur Vorhalle hinauszubegleiten und zuzusehen, wie Matthias ihr den Mantel umlegte.
Auch in diesen Minuten noch pflegte sie ihren Freund mit ihrer tiefen, stets etwas klagenden, doch ungenierten Stimme zu unterhalten, und noch während sie den letzten Knopf ihrer Handschuhe schloß, waren es geistige, waren es problematische Gegenstände, mit denen sie sich monologisierend beschäftigte. Camphaus beschränkte sich im Allgemeinen darauf, höflich zu lächeln und den Kopf zu neigen, und man konnte den Eindruck gewinnen, als genüge ihr diese Art der Partnerschaft vollkommen. Unter dem Portal noch sprach sie ihr letztes kluges Wort, bezeichnte aber mit keinem den Abschied, winkte nur mit der Hand und bestieg das telephonisch herbeigerufene Automobil …
Matthias sah einige Male, wie Herr Camphaus nach solchen Abschieden mit einem gemäßigten Grinsen in sein Zimmer zurückging, und während er sonst die Einzelheiten seiner jetzigen Umgebung nicht allzu präzis wahrnahm, berührte ihn diese eine sehr peinlich. Er fühlte ein Unrecht in Herrn Camphaus' diskreter Heuchelei und Mitleid mit der so hintergangenen beredten Dame. Als sie wieder erschien, begann er sie, als erste nach so vielen, verstohlen anzublicken.
Und es war, als hätte die Schauspielerin nur auf irgendwelche noch so geringen Zeichen der Aufmerksamkeit bei dem jungen Diener gewartet. Denn ganz plötzlich verstummte sie nun, eines Nachmittags, mitten in einem ihrer gescheiten Sätze, hob das Lorgnon zum Auge, und ohne sich durch Herrn Camphaus' Gegenwart geniert zu zeigen, betrachtete sie den Kopf des Dieners über der braunen engen Livree, so als machte sie da eine ganz neue Entdeckung. Auch als sie das Glas hatte sinken lassen, sprach sie nicht mehr, winkte flüchtig von der Tür zurück und verschwand, vorbei an Matthias, der den Schlag öffnete, stumm im Wagen.
Aber das nächste Mal ging sie einen Schritt weiter. Nachdem ihr der Mantel angelegt und Matthias zurückgetreten war, schüttelte sie erst bewundernd den Kopf, und dann, als erklärte sie ein Gemälde, halb zu Herrn Camphaus gewendet, sagte sie: »Ein herrliches Menschengesicht!«
»Hübsch, ja, hübsch«, sagte Herr Camphaus, küßte ihr die Hand und ging etwas rascher als sonst in die Zimmer. Er war kein Spielverderber, und seine Neigung für die kluge Frau hielt sich in Grenzen.
» Schön sind Sie,« wiederholte sie zu Matthias, der mit errötetem Gesicht vor ihr stand, »wissen Sie, daß Sie schön sind, Mann?« Matthias antwortete natürlich nichts. Aber er versprach dann, flüsternd, zu kommen.