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Die Lehrersfrau duldete das alte Tier, aber mit Ärger, und Matthias, in unbestimmter Angst, zeigte es wenig. Er kaufte ihm Milch von den wenigen Pfennigen, die zu seiner Verfügung waren, und ließ es des Nachts neben seinem Bett auf dem Kopfkissen liegen, dessen Überzug er beim Schlafengehen abnahm. Er erreichte durch seine Pflege, daß dem Terrier die Rückenwunde noch einmal zuheilte.

Eines Abends war die Frau wieder einmal allein zu Hause, und Matthias, wie er es pflichtmäßig tat, ging hinunter um ihr Gesellschaft zu leisten. Mürrisch empfing sie ihn, und als er sanft nach dem Grund ihrer Laune fragte, erklärte sie ihm mit einem Wort von gemeinem Klang, sie fühle sich schwanger, und das Kind sei gewiß nicht von ihrem kranken Manne.

Matthias erschrak bis auf den Grund seiner Seele; aber dann, nach einem Schweigen, sprach er zu ihr aus heiliger Pflicht die liebreichsten und schönsten Worte. Sie antwortete mit erneuten Giftreden, sie steigerte sich in Wut und versetzte ihm zuletzt einen Schlag. Matthias neigte nur das Gesicht ein wenig. Da stieß sie mit den Füßen nach ihm und spie ihm alle Schmutznamen ins Gesicht, die in ihr aufgespeichert lagen.

Es kamen für Matthias fast unertragbar harte Wochen. Der Mann ahnte zwar nichts, aber die Aussicht auf diesen Zuwachs schien ihn verzweifelt zu machen, und Matthias bot sich jeder Laune als Ziel. Er wollte es so. In seiner tiefen Unberatenheit hatte er sich eine schwere Schuld zurechtgelegt, die abzubüßen sei. Alles in ihm drängte nach Buße – nach einer Buße, die lichtlos war, weil er sich keine Verheißung gegenwärtig zu halten wußte. Die Religion mit ihren Erleichterungen war ihm ja fremd geblieben.

Matthias schränkte jedes seiner Bedürfnisse auf das Strengste ein. Er trank keine Milch und keinen Milchkaffee ferner, sondern einzig ein wenig Wasser, er nahm von den mageren Schüsseln noch weniger, als er gewohnt war; er gönnte sich nicht mehr die dünne Matratze seines Bettes. Sein Kissen war ja längst dem Hunde abgetreten, der immer darauf wartete, als auf sein Recht; nun aber zog Matthias, wenn er seine Kammer verschlossen hatte, an jedem Abend auch seine Matratze fort und breitete die Leinwand auf das nackte Drahtgeflecht, dessen Vorsprünge und Buckeln unter ihr hervortraten wie Rippen unter einem Leichentuch.

Matthias' Jugend triumphierte, er schlief dennoch, obgleich sein Rücken schwielig wurde. Er machte es sich zur Aufgabe, in jeder Nacht dreimal aufzuwachen, um nach Wächter zu sehen, der ihn matt anblinzelte und ihm die Hände leckte. Er zog sie fort …

Eines Nachmittags im Februar, als er nach Hause kam, fand er das Tier sehr krank, es heulte leise und hohl und erbrach sich. Matthias hatte die Lehrerin im Verdacht, die nun im vierten Monat ihrer Schwangerschaft stand, und deren Launen, statt ins Sanfte und Entsagende zu gehen, sich mit jedem Tage verschlimmerten. Am anderen Morgen ganz früh starb der Hund in Krämpfen. Matthias zertrennte eines seiner weißen leinenen Hemden und band den Leichnam ein.

Und nachdem er sich im Keller ein Werkzeug genommen hatte, trug er die Last auf seinen Armen durch die grauen und leeren Straßen und begrub sie unter dem Schnee in der harten Erde eines Hügels vor der Stadt. Die Arbeit war nicht leicht, und er hatte sich, wie sie beendet war, für den Schulbeginn zu eilen. Die Frau sagte beim Mittagbrot: »Ich danke Gott, daß das Vieh weg ist, der Geruch war nicht mehr auszuhalten. Er war darmkrank.«

Matthias fühlte sich einsamer. Er war zu arm, als daß er hätte Freunde finden können und mögen. Von daheim kamen freilich einige Briefe. Selten ein ungelenker und leerer von der Schwester, seltener einer vom Vater, und diese waren am Wenigsten angetan, Matthias zu erwärmen oder zu erfreuen. Aus ihnen erkannte er, daß Susa im Rechte war, wenn sie einmal schrieb: der Vater wird ganz wunderlich. Des Vaters Briefe beschäftigten sich niemals mit Matthias' Ergehen, sie enthielten auch kaum ordentliche Nachrichten vom Gute, vielmehr waren sie erfüllt mit Klagen und geärgerten Redensarten über geringe Vorkommnisse, die nicht wert waren, einen Mann auf Gedankens Länge zu beschäftigen.

Da Matthias seine Bücher schwerer und schwerer verstand, mußte er die Abende zu Hilfe nehmen. Die schlechte, dunkel beschirmte Lampe, die man ihm widerwillig überlassen hatte, erleuchtete schwach nur einen Teil seines Tisches, und wenn Matthias die ermüdeten Augen in die Finsternis des Zimmers aufhob, so war ihm oft, als stünde oder schwebte er verlassen in einer ungeheuren Dunkelheit. Ja einmal, wachträumend, fühlte er sich in einer stürmischen und kalten Nacht an einem Kreuze hängen, wütenden, flammenden Schmerz in der Brust. Er erschrak aufs Äußerste über diese Vorstellung, die seinem Denken wenig geläufig war.

Es bedeutete eine Erlösung, als, auf einfache Art, alles um ihn zusammenstürzte.

 


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