Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XVII

Am folgenden Tage erschien der Großvezier selbst an der Spitze zahlreicher Kriegsscharen, gebildet aus Janitscharen, Spahis und aus dem asiatischen Heerbanne vor Kamieniec. Infolge dieser bedeutenden Streitkräfte war man daselbst der Ansicht, er wolle die Feste sofort stürmen, doch täuschte man sich darin – er hegte nur die Absicht, die Festungswerke einer näheren Besichtigung zu unterziehen. Zahlreiche Ingenieure, die ihm folgten, sollten die Fortifikationen und Erdschanzen in Augenschein nehmen. Herr Mysliszewski wurde mit seinem Fußvolke und einer Abteilung Reiterei gegen den Großvezier ausgeschickt. Abermals kam es zu einem Scharmützel, das zwar für die Belagerten sehr vorteilhaft, aber doch nicht mehr so glänzend wie am vorgehenden Tage verlief. Nun mit einemmal befahl der Großvezier den Janitscharen, zur Probe gegen die Feste vorzurücken, und gleich darauf erdröhnte auch von der Stadt aus lauter Kanonendonner. Bis dicht an die Verteidigungslinie des Herrn Podczaski vorrückend, feuerten die Janitscharen unter lautem Geschrei alle wie ein Mann, da ihnen aber Herr Podczaski mit wohlgezielten Schüssen antwortete, und weil überdies befürchtet werden mußte, die Reiterei könne den Janitscharen in die Flanken fallen, zogen sich diese auf der Zwaniecer Straße rasch zu ihrer Hauptmacht zurück.

Gegen Abend schlich sich ein Böhme in die Stadt, der, weil er als Bediensteter von Janczar-Aga die Bastionade erhalten hatte, geflohen war. Dieser berichtete, der Feind habe sich in Zwaniec festgesetzt und lagere auf dem weiten Gefilde bis nach Dluzka. Auf die Frage, welche Meinung bei den Türken über Kamieniec herrsche, entgegnete er, das ganze türkische Kriegsheer sei von einem guten Geiste beseelt, und es hätten sich gar günstige Anzeichen gezeigt. Vor etlichen Tagen sei plötzlich vor dem Zelte des Sultans der Erde eine Rauchsäule entstiegen, die nach unten hin dünn, sich nach obenhin zu einer Art von riesenhaftem Strauße entwickelt habe. Die Muftis aber hätten diese Erscheinung dahin gedeutet, der Ruhm des Padischahs werde bis zum Himmel wachsen, der Padischah werde die Feste zu Falle bringen, die bisher für unüberwindlich gegolten habe. Die Zuversicht der Türken sei dadurch unendlich gestiegen. »Wohl fürchten sie (so berichtete der Böhme weiter) den Hetman Sobieski und einen möglichen Entsatz, denn aus eigener Erfahrung wissen sie ja schon längst, wie gefährlich es für sie ist, im offenen Felde ihre Kräfte mit denen der Republik zu messen, und leichteren Herzens würden sie mit den Venetianern, mit den Ungarn oder mit irgend welchem andern Volke als mit den Polen zusammenstoßen. Da sie aber nun in Erfahrung gebracht haben, daß die Republik nur über geringe Streitkräfte verfügt, hegen sie auch die feste Hoffnung, trotz aller Schwierigkeiten Kamieniec zu erobern. Der Kaimakam Kara Mustapha hat zwar den Rat erteilt, die Feste ohne weiteres zu stürmen, der kluge Großvezier zieht es jedoch vor, die Feste regelrecht zu belagern und zu beschießen, und nach den jüngst stattgehabten Zusammenstößen neigt sich der Sultan der Ansicht des Großveziers zu, so daß wohl eine regelrechte Belagerung zu erwarten ist.«

Die Aussagen des Böhmen beunruhigten den Herrn Potocki, den Fürstbischof, den Unterkämmerer aus Podolien, den Herrn Wolodyjowski, wie überhaupt alle älteren Offiziere ungemein. Sie alle hatten auf die Erstürmung der Festung und in Anbetracht der Widerstandsfähigkeit des Platzes, auf die gänzliche Niederlage des Feindes gerechnet, sie alle hatten schon die Erfahrung gemacht, daß die Belagerer bei dem Berennen der festen Plätze gewöhnlich bedeutende Verluste erleiden und durch jeden zurückgewiesenen Angriff entmutigt werden, während die Belagerten durch jeden auch noch so kleinen Sieg frische Hoffnung schöpfen. Gleich wie die tapferen Verteidiger von Zbaraz schließlich mit einer gewissen Vorliebe die Ausfälle unternommen hatten, mit ebensolcher Hingebung konnten sich ja auch füglich die Besatzung und die Bürger von Kamieniec dem Verteidigungskampfe widmen, insbesondere, wenn jeder feindliche Anschlag mit einer Niederlage der Türken, mit einem Siege der Belagerten enden würde. Ganz andere Folgen mußte aber eine regelrechte Belagerung nach sich ziehen, bei der die Errichtung von Approschen, das Graben von Minen und das Auffahren der Geschütze alles bedeutete. Es konnte nicht verhindert werden, daß sich mit der Zeit eine gewisse Ermüdung der Belagerten bemächtigen, daß ihr Mut sinken und sie sich zu Unterhandlungen geneigt zeigen würden. Bei einer regelrechten Belagerung konnte man auch überdies keine allzu große Hoffnung auf die Ausfälle setzen, da man die Festungsmauern nicht von Soldaten entblößen, aber auch nicht darauf rechnen durfte, daß das bewaffnete Volk den Janitscharen Stand halten würde.

Was war daher natürlicher, als daß sich der älteren Offiziere schwere Sorgen bemächtigten, für die ohnedies ein günstiger Erfolg der Verteidigung wenig Wahrscheinlichkeit hatte. Doch das Zweifelhafte des Sieges lag nicht nur in der Uebermacht der Türken, sondern auch in jenen selbst. Wohl war Herr Wolodyjowski ein unvergleichlicher und hochberühmter Krieger, allein ihm fehlte die Macht der Persönlichkeit. Wer die Sonne in sich trägt, der hat auch die Fähigkeit, mit seinen Strahlen alles weithin zu erleuchten, wer hingegen nur einer Flamme, und sei's auch der stärksten, zu vergleichen ist, der vermag nur das ihm zunächst Liegende zu erwärmen. Und so verhielt es sich auch mit dem kleinen Ritter. Ihm fehlte die Fähigkeit, er verstand es nicht, seinen Geist andern einzuflößen, seine Fertigkeit im Einzelkampfe auf andere zu übertragen. Herr Potocki aber, der Kommandant von Kamieniec war weder ein Kriegsheld, noch besaß er Vertrauen zu sich selbst oder zu der Republik, während der Fürstbischof von Anfang an für Unterhandlungen gewesen war und dessen Bruder eine gar schwerfällige Hand und keinen großen Verstand besaß. An einen Entsatz der Feste konnte zudem kaum gedacht werden, da der Hetman, Herr Sobieski, trotz seiner unanfechtbaren Größe, fast gänzlich machtlos war. Machtlos war auch der König, machtlos war die ganze Republik.

Am 16. August kam der Khan mit seiner Horde, Doroszenko mit seinen Kosaken herangezogen. Beide schlugen ihr Lager auf dem weiten Gefilde bei Orynin auf. Noch an demselben Tage ließ Sufenkoz-Aga den Herrn Myslizewski zu einer Unterredung auffordern und riet zu der Kapitulation der Feste, indem er, falls diese Uebergabe ungesäumt erfolge, so günstige Bedingungen in Aussicht stellte, wie sie in der Geschichte der Belagerungen noch niemals verzeichnet worden waren. Der Fürstbischof zeigte sich nun gar nicht abgeneigt, das Nähere über diese Bedingungen zu hören, doch wurde er in dem Kriegsrate überstimmt, und daraufhin konnte natürlich von weiteren Unterhandlungen keine Rede mehr sein. Am 18. August rückten dann die Türken an, mit denen auch der Sultan kam.

Gleich den Wellen eines unermeßlichen Meeres wogten sie heran – das Podlachsche Fußvolk, die Janitscharen und die Spahis. Ein jeder Pascha führte die Kriegsschar seiner Provinz herbei, demnach zogen die Bewohner Europas, Afrikas und Asiens einher, gefolgt von einer ungeheuren Wagenburg, von schwerbeladenen, mit Büffeln und Mauleseln bespannten Fuhrwerken. Unübersehbar war diese Menschenschar mit ihren mannigfaltigen Waffen und ihren vielfarbigen Trachten. Vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein kamen sie angerückt, zerstreuten sich auf dem Gefilde, wechselten die Stellungen, schoben da und dort Kriegshaufen vor und schlugen so ungeheuer große Zeltlager auf, daß man selbst von den höchsten Punkten, von den höchsten Türmen in Kamieniec aus kein Stückchen Erde entdecken konnte, das nicht mit Zelten bedeckt war. Es hatte den Anschein, als ob weithin auf der ganzen Gegend frischgefallener Schnee liege. Das Aufschlagen des Lagers fand unter dem Geknatter der Janitscharenflinten statt, da eine, jene Tätigkeit verdeckende Abteilung von Janitscharen unaufhörlich auf die Festungsmauern feuerte, von wo aus diese Schüsse mit Kanonendonner erwidert wurden. Dumpf hallte das Echo von den Felsen wieder, während der Pulverdampf in dichten Wolken emporstieg und das blaue Himmelszelt nahezu verhüllte. Als sich der Tag seinem Ende zuneigte, war Kamieniec derart eingeschlossen, daß die Tauben allein die Feste hätten verlassen können. Aber erst als die Sterne am Firmamente erglänzten, verstummte das Geknatter der Flinten, das Dröhnen der Kanonen.

An den folgenden Tagen währte das Feuern von den Mauern aus und gegen dieselben zum unendlichen Schaden der Belagerer unaufhörlich fort. Sobald sich eine größere Schar von Janitscharen den Mauern auf Schußweite genähert hatte, da stiegen sofort weiße Rauchwolken empor und unzählige Geschosse schlugen in jene Schar ein, die dann gleich einem Schwarm von Sperlingen auseinanderstob, auf den aus einer Vogelflinte ein Schrotschuß abgefeuert wird. Sichtlich in Unkenntnis darüber, daß sowohl die beiden Schlösser, wie auch die Stadt mit weittragenden Geschützen ausgerüstet waren, schlugen die Türken ihre Zelte viel zu nahe bei Kamieniec auf. Auf den Rat des kleinen Ritters hin hatte man sie indessen ruhig gewähren lassen, und erst als während der Ruhestunden sich die Soldaten, um sich vor der Hitze zu schützen, in die Zelte zurückzogen, da erscholl von den Festungsmauern lauter Kanonendonner. Alles ward von panischem Schrecken erfaßt. Die Kugeln rissen die Leinwand und die Stangen der Zelte auseinander, verwundeten die Krieger und schleuderten scharfkantige Felstrümmer umher. Wilde Verzweiflungsrufe ausstoßend, flüchteten die Janitscharen in größter Unordnung und verbreiteten, auf ihrer rasenden Flucht eine Unzahl von Zelten niederreißend, allüberall bange Furcht. Diesen Augenblick der Verwirrung benützte Herr Wolodyjowski sofort, um mit seinen Dragonern einen Ausfall zu machen, bei dem er solange auf die Janitscharen einhieb, bis den Bedrängten eine starke Abteilung Reiterei zu Hilfe kam. Die Kanonade war vornehmlich durch Ketling geleitet worden, aber auch der Larker Vogt Cypryan richtete die größte Verheerung unter den Heiden an. Er selbst neigte sich über jede Kanone und legte eigenhändig die Lunte an, dann hielt er die Hand schützend vor die Augen, beobachtete die Wirkung des Schusses und freute sich aus vollem Herzen über seine erfolgreiche Thätigkeit.

Doch nun gruben die Türken Laufgräben, errichteten Schanzen und fuhren schwere Belagerungsgeschütze auf. Bevor indessen die Beschießung eröffnet wurde, kam ein türkischer Abgesandter an die Wälle herangeritten, steckte an seinen Wurfspieß ein kaiserliches Handschreiben und zeigte dies den Belagerten. Sofort wurde eine Schar von Dragonern ausgeschickt, welche den Boten der Türken auf das Schloß brachten. Der Kaiser, der in seinem Schreiben die Stadt zur Uebergabe aufforderte, pries in überschwenglichen Worten die eigene Macht und Größe. Er schrieb:

»Mein Kriegsheer gleicht an Zahl den Blättern der Bäume, dem Sand am Meere. Blickt auf zum Himmelszelt, und so Ihr die Sterne schaut, dann sprecht, während bange Furcht in Eure Herzen einzieht, also zu einander: »So gewaltig ist auch die Macht der Gläubigen.« Aber da ich der König der Könige bin, ein Fürst voller Gnaden, ein Enkel des wahrhaften Gottes, beginne ich auch alles mit Gott. Wisset denn, daß ich hoffärtige Menschen hasse, widerstrebt daher nicht meinem Willen, sondern übergebt Eure Stadt. Gedenkt Ihr aber Widerstand zu leisten, dann seid Ihr alle dem Schwerte verfallen, und kein Mensch wird sich erkühnen, gegen mich seine Stimme zu erheben.«

Lange Zeit beriet man darüber, welchen » respons« man auf dieses Schreiben erteilen solle, aber schließlich, nachdem auch der unausführbare Rat des Herrn Zagloba, man möge einem Hunde den Schweif abschneiden und das Tier dann den Türken übersenden, verworfen worden war, einigte man sich dahin, mit einem gar anstelligen, der türkischen Sprache mächtigen Mann, namens Juryca, dem Feinde einen Brief folgenden Inhaltes zu überschicken:

»Fern liegt es uns, dem Kaiser ein Aergernis bereiten zu wollen, allein wir dürfen es auch nicht für unsere Pflicht erachten, ihm gehorsam zu sein, denn nicht ihm, sondern unserm Herrn haben wir den Eid geleistet. Kamieniec übergeben wir nie und nimmer, haben wir doch geschworen, die Feste und die Kirchen bis zu unserem Tode zu verteidigen.«

Sofort nach Abfassung dieses Briefes begaben sich die Offiziere wieder auf die Basteien, und diesen Umstand benützten der Fürstbischof Lanckoronski und der General von Podolien dazu, an den Sultan einen zweiten Brief zu senden, worin sie um einen vierwöchentlichen Waffenstillstand baten. Kaum aber verbreitete sich die Kunde hiervon in der Feste, so entstand allenthalben großer Lärm und Säbelgerassel. »Wahrlich,« sprach der und jener, »vor Hitze verschmachten wir fast hier bei den Geschützen, hinter unserm Rücken aber werden briefliche Unterhandlungen gepflogen, und zwar ohne unser Wissen, die wir doch zum Kriegsrate gehören.« Und nach der Abend-Kyndia erschienen bei dem Herrn General alle Offiziere unter der Führung des kleinen Ritters und des Herrn Makowiecki, die beide über das Geschehene tief bekümmert waren.

»Was soll dies bedeuten?« rief der Truchseß aus Latyczow, »denkt Ihr wohl gar schon an die Uebergabe, weil Ihr einen neuen Boten entsendet habt? Aus welchem Grunde thatet Ihr dies ohne unser Wissen?«

»Fürwahr,« setzte der kleine Ritter hinzu, »da wir nun einmal zu dem Kriegsrate gehören, ist es durchaus unstatthaft, daß Ihr Euch ohne unsere Zustimmung in schriftliche Unterhandlungen einlaßt. Von einer Uebergabe kann nicht die Rede sein. Wer daher anderer Meinung ist, der möge von seinem Posten zurücktreten.«

Als Wolodyjowski diese Worte sprach, da zitterte sein Schnurrbärtchen sichtlich, fiel es ihm doch, als ein an strenge Zucht gewohnter Krieger, unendlich schwer, gegen seine Vorgesetzten aufzutreten. Da er aber geschworen hatte, für die Verteidigung der Feste sein Leben einzusetzen, blieb ihm nichts anderes übrig, als eine solche Sprache zu führen.

Der Herr General von Podolien aber geriet in große Verwirrung und erwiderte:

»Ich hegte die feste Ueberzeugung, daß unser Thun die Zustimmung aller finden werde.«

»Nicht ein einziger wird sich damit einverstanden erklären!« ließen sich nun etliche Stimmen hören, »bis zum letzten Mann wollen wir hier ausharren.«

»Einen solchen Ausspruch vernehme ich gar gern,« erklärte nun der Herr General von Podolien, »denn auch ich stelle die Ehre höher als das Leben, und Furcht kannte ich niemals, und kenne sie auch jetzt noch nicht. Ich bitte Euch, wohledle Herren, bei mir das Abendbrot zu nehmen, dabei können wir uns dann friedlich auseinandersetzen.«

Doch einmütig wiesen alle diese Aufforderung zurück.

»Auf den Wällen und an den Thoren, nicht aber an der Tafel ist unser Platz!« bemerkte der kleine Ritter.

Mittlerweile hatte sich aber auch der Fürstbischof eingestellt, und kaum hatte er in Erfahrung gebracht, was hier verhandelt wurde, so wandte er sich sofort an Herrn Makowiecki und an den kleinen Ritter.

»Liebwerte Herren,« sprach er, »einem jeden von uns liegt ja das Gleiche am Herzen, wie Euch – an eine Uebergabe ist mit keinem Worte gedacht worden. Ich, persönlich, habe nur um einen vierwöchentlichen Waffenstillstand gebeten und habe diese Bitte also begründet: Während dieser Zeit können wir unsern König um Entsatz ersuchen, während dieser Zeit können uns dessen Instruktionen zukommen. Alles weitere aber wollen wir Gott überlassen.«

Aufs neue zitterte das Schnurrbärtchen des kleinen Ritters, der einesteils von grimmigem Zorn, andernteils von fast unbezwinglicher Lachlust ergriffen ward, als er eine solche Auffassung von Kriegsangelegenheiten vernahm. Er, ein Soldat von frühester Jugend an, glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Gab es denn thatsächlich jemand, so fragte er sich, der dem Feinde deshalb einen Waffenstillstand anzubieten wagt, weil er Zeit für einen möglichen Entsatz zu gewinnen hofft?

Unwillkürlich tauschte er mit Herrn Makowiecki und den anderen Offizieren bedeutsame Blicke aus, und der oder jener rief laut: »Ist dies als ein Scherz anzusehen, oder nicht?«

»Eure Eminenz!« hub endlich Wolodyjowski wieder an, »ich habe die Kriege gegen die Tataren, gegen die Kosaken, gegen die Russen und gegen die Schweden mitgemacht, doch von einem ähnlichen Ansinnen habe ich noch nie gehört. Der Sultan kam doch nicht hierher, um uns einen Gefallen zu erweisen, sondern um einen Sieg zu erringen. Wie soll er denn einen Waffenstillstand bewilligen, wenn man ihm auch noch schreibt, man wolle nur einen Entsatz abwarten?«

»Nun, und wenn er ihn nicht bewilligt? Was haben wir dann verloren?« fragte der Fürstbischof.

»Wer um einen Waffenstillstand ersucht,« antwortete Wolodyjowski, »der offenbart in unzweideutiger Weise seine Furcht, seine Ohnmacht, und wer auf Entsatz rechnet, dem gebricht es an Vertrauen in die eigene Kraft. Dies alles hat nun der heidnische Hund aus jenem Briefe lesen können, woraus uns unberechenbarer Schaden erwachsen kann.«

Tief bekümmert schaute der Bischof darein, als er diese Worte hörte.

»Ich könnte mich ja gerade so gut an einem andern Orte aufhalten als hier,« sagte er endlich, »allein ich wollte in der Stunde der Gefahr bei meiner Herde ausharren und muß mir nun auch noch Vorwürfe gefallen lassen.«

Der kleine Ritter fühlte sofort Mitleid mit dem würdigen Prälaten. Er that daher einen ehrfurchtsvollen Fußfall und sagte, indem er die Hand des geistlichen Herrn küßte:

»Gott schütze mich davor, gegen Eure Eminenz irgend welche Vorwürfe erheben zu wollen, bei einer Beratung erachte ich mich aber berechtigt, meine Ansicht auszusprechen.«

»Was ist nun zu thun?« fragte jetzt der Fürstbischof. » Mea culpa, das ist kein Zweifel. Wie kann nun Hilfe geschaffen, wie kann der Fehler wieder gut gemacht werden?«

»Ja, wie kann der Fehler wieder gut gemacht werden!« wiederholte Wolodyjowski.

Sinnend schaute er vor sich nieder, um dann mit einem Male wieder fröhlich das Haupt zu erheben.

»Ich habe es, es ist möglich!« rief er. »Ich bitte Euch, wohledle Herren, mir zu folgen.«

Rasch eilte er ins Freie, die andern Offiziere folgten ihm.

Eine Viertelstunde später erbebte ganz Kamieniec von Kanonendonner. Herr Wolodyjowski aber machte mit seiner Mannschaft einen Ausfall auf die in den Laufgräben schlafenden Janitscharen und hieb so lange auf sie ein, bis er sie teils zersprengt, teils in ihr Feldlager zurückgedrängt hatte.

Hierauf begab er sich abermals zu dem Herrn General, bei dem er noch den Fürstbischof Lanckorowski antraf.

»Eure Eminenz!« sagte er in fröhlichem Tone zu diesem, »das ist das Mittel, mit dem alles wieder gut gemacht werden kann.«


 << zurück weiter >>