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VII

Fräulein Basia drang indessen fortwährend in Wolodyjowski, er möge ihr Fechtstunde erteilen, und er wies ihre Bitte nicht ab, obwohl er sich nicht gerade beeilte, sein Amt als Lehrmeister anzutreten. Im großen und ganzen gab er zwar Krzysia den Vorzug, allein er mochte trotzdem Basia gut leiden, da es in der That ein Ding der Unmöglichkeit war, den Wildfang nicht zu lieben.

Eines schönen Morgens fand denn auch die erste Lektion statt, nachdem Basia unendlich geprahlt und sich gerühmt hatte, sie fechte durchaus nicht schlecht, ja, gegen sie komme der erste beste nicht so leicht auf.

»Ein alter Soldat unterrichtete mich,« erklärte sie, »mangelt es doch bei uns nicht an Kriegern und an Fechtmeistern, die von keinem übertroffen werden. Fürwahr, es ist noch sehr die Frage, ob nicht auch Ihr, liebwerte Herren, ebenbürtige Gegner finden würdet.«

»Was redet da das kleine Fräulein!« rief nun Zagloba. »In der ganzen Welt finden wir nicht unseresgleichen.«

»Ich wünschte, ich könnte den Beweis liefern, daß ich Euch in nichts nachstehe. Freilich darf ich ja nicht darauf zählen, allein ich wünschte es von Herzen.«

»Wenn es sich ums Schießen handelte, würde ich es auch mit Euch aufnehmen,« warf hier Frau Makowiecki lachend ein.

»Bei dem lebendigen Gotte, in dem Gebiete um Latyczow müssen ja eine Unzahl von Amazonen wohnen!« meinte Zagloba. »Und welche Waffe führen denn das allergnädigste Fräulein am besten?« fügte er hinzu, sich zu Krzysia wendend.

»Keine!« entgegnete die Gefragte.

»Ach, ach, keine!« rief nun Basia und begann, Krzysias Stimme nachahmend, sofort zu singen:

Ach Ritter glaube mir
Nichts nützt der Panzer Dir
Noch Schild; in rascher Eile
Durch Stahl, durch Eisen ein
Dringen in's Herz hinein
Cupidos scharfe Pfeile!

»Solche Waffen gebraucht sie, nehmt Euch in acht!« erklärte sie hierauf zu Herrn Michal und zu Herrn Zagloba gewendet. »Diese Fechtkunst versteht sie meisterhaft.«

»Macht Euch bereit, mein kleines Fräulein!« ließ sich jetzt Michal hören, sichtlich bemüht, seine Verlegenheit zu verbergen.

»Gebe Gott, daß sich das bewahrheitet, was ich erhoffe!« sagte Basia freudestrahlend.

Sofort nahm sie die richtige Stellung ein. Den leichten polnischen Säbel in der Rechten haltend, legte sie die linke Hand auf den Rücken zurück, und wie sie so dastand, die Brust vorgestreckt, das Köpfchen zurückgeworfen, die Nasenflügel fest eingezogen, sah sie dermaßen reizend und rosig aus, daß Zagloba der Frau Truchsessin zuflüsterte:

»Selbst die bauchigste, mit hundertjährigem Tokayer gefüllte Weinflasche könnte mich nicht in solches Entzücken versetzen, wie dieser Anblick.«

»Vergessen das gnädige Fräulein nicht,« sagte nun Wolodyjowski, »daß ich mich nur verteidigen, daß ich daher keinen Ausfall machen werde. Das gnädige Fräulein aber dürfen mich ganz nach Belieben angreifen.«

»Gut. Ihr dürft mir ja nur ein Wort sagen, wohledler Herr, sobald Ihr wollt, daß ich inne halten soll.«

»Euern Angriffen könnte ich auch, wenn ich nur wollte, steuern, ohne ein Wort darüber zu verlieren.«

»Auf welche Weise denn?«

»Einer solchen Fechtkünstlerin wie Euch kann ich ja den Säbel leicht aus der Hand schlagen.«

»Das wollen wir sehen!«

»Wir werden es nicht sehen, weil ich es aus Höflichkeit unterlassen werde.«

»Höflichkeit ist hier gar nicht am Platze. Versucht es nur, liebwerter Herr. Wohl weiß ich, wie sehr ich in der Fechtkunst hinter Euch zurückstehe, Eure Absicht werde ich aber doch vereiteln.«

»Also Fräulein erlauben es?«

»Ich erlaube es.«

»O, erlaubt es nicht, mein süßer Wildfang, er hat die tüchtigsten Fechtmeister schon entwaffnet.«

»Wir werden sehen!« widerholte Basia.

»Fangen wir an,« sagte Wolodyjowski, etwas verdrießlich über die Ruhmredigkeit des Mädchens.

Und das Gefecht begann.

Basia hieb schrecklich darauf los, indem sie wie ein junges Zicklein umhersprang. Wolodyjowski rührte sich nicht von der Stelle und schlug nach seiner gewohnten Art kurze Paraden, ohne dabei den Angriffen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

»Ihr wehrt mich ab wie eine lästige Fliege,« rief Basia in gereiztem Tone.

»Es ist das kein Probefechten, sondern ein Unterricht für Euch, mein Fräulein«, antwortete der kleine Ritter. »Gut so! Für einen Lockenkopf gar nicht schlecht! – Ruhiger mit der Hand!«

»Für einen Lockenkopf? Da habt Ihr's für den Lockenkopf! Da! Da!«

Allein Herr Michal hatte gar nichts wegbekommen, obwohl Basia ihre geschicktesten Hiebe führte. Er begann sogar, um seine völlige Sorglosigkeit den Angriffen Basias gegenüber zu zeigen, ein Gespräch mit Zagloba.

»Rücke doch ein wenig vom Fenster weg, Du bist dem Fräulein im Licht, und wiewohl ein Säbel größer ist als eine Nadel, weiß sie ihn doch weniger gut zu führen.«

Basias Nasenflügel bewegten sich stärker und ihr Stirngelock fiel über ihre glänzenden Augen. »Ihr möchtet mich geringschätzig behandeln?« frug sie, nach Atem ringend.

»Nicht Eure Person, Gott bewahre mich davor.«

»Ich kann den Herrn Michal nicht leiden.«

»Ihr lerntet bei einem Schulmeister fechten.« Wieder wandte er sich zu Zagloba: »Ich glaube, es wird Schnee fallen.«

»Hier fällt Schnee, Schnee für Euch,« wiederholte Basia, Hieb auf Hieb gebend.

»Basia, jetzt ist es genug, Du kannst ja kaum mehr atmen,« sagte die Frau Truchsessin.

»Jetzt haltet Euren Säbel fest, Fräulein, denn ich werde ihn Euch aus der Hand schlagen.«

»Das wollen wir sehen!«

»Hier?« Und der kleine Säbel hüpfte gleich einem Vogel aus Basias Hand und fiel mit Gerassel neben den Ofen nieder.

»Ich habe ihn selbst zufällig fallen lassen. Ihr habt das nicht zu stande gebracht!« ries das junge Mädchen mit thränenerfüllter Stimme; und blitzschnell den Säbel ergreifend, hieb sie wieder darauf los.

»Versucht es jetzt!«

»Hier!« sagte Herr Michal, und wieder lag das Säbelchen neben dem Ofen.

Herr Michal aber sagte: »Genug für heute!«

.

Die Frau Truchsessin brach in lautes Lachen aus, Basia aber stand verwirrt und atemlos in der Mitte der Stube.

Die Frau Truchsessin brach in lautes Lachen aus und sprach noch lauter als gewöhnlich; Basia aber stand verwirrt, betäubt, atemlos in der Mitte der Stube, biß sich auf die Lippen und hielt nur mit Mühe die Thränen zurück, die sich ihr wider Willen in die Augen drängten. Sie wußte, daß alle noch mehr lachen würden, wenn sie in Weinen ausbräche, und das wollte sie um keinen Preis; aber als sie merkte, daß sie sich nicht mehr zurückhalten könne, stürzte sie plötzlich aus der Stube.

»Um Gottes willen!« rief die Frau Truchsessin, »gewiß ist sie nach dem Stall gelaufen, und sie ist so erhitzt und wird sich erkälten! Man muß nach ihr sehen. Gehe Du nicht, Krzysia.«

So sprechend, ging sie hinaus, nahm eine warme Jacke aus dem Vorzimmer mit und eilte nach dem Stalle. Herr Zagloba aber, beunruhigt wegen seines Wildfangs, eilte ihr nach. Krzysia wollte gleichfalls gehen, allein der kleine Ritter hielt sie bei der Hand fest: »Habt Ihr das Verbot nicht gehört? Ich werde diese Hand nicht loslassen, bis die andern wiederkehren.«

Und in der That, er ließ sie nicht los. Es war eine Hand, weich wie Atlas. Herrn Michal war es zu Mut, als ob sich ein warmer Strom aus diesen feinen Fingern in sein Inneres ergieße und eine selige Empfindung in ihm erwecke; darum hielt er sie noch fester als zuvor.

Eine leichte Röte flog über Krzysias bräunliches Gesicht. »Ich merke, daß ich eine Gefangene bin.«

»Wer eine solche Gefangene gewinnt, braucht nicht den Sultan zu beneiden, denn der Sultan würde gern die Hälfte seines Reiches für sie geben.«

»Aber Ihr würdet mich doch nicht an die Heiden verkaufen wollen?«

»Ebensowenig wie ich dem Teufel meine Seele verkaufen möchte.« Herrn Michal war es, als ob er sich vom Augenblick zu sehr habe hinreißen lassen und er suchte seine Worte zu verbessern: »Ebensowenig wie ich meine Schwester verkaufen würde.«

»Das ist das richtige Wort,« sagte Krzysia in ernsthaftem Tone. »Ich hege schwesterliche Gefühle für Eure Schwester und will auch Euch eine Schwester sein.«

»Ich danke Euch von Herzen,« sagte Herr Michal, »denn ich bedarf gar sehr des Trostes.«

»Ich weiß es, ich weiß es,« sagte das junge Mädchen; »auch ich bin verwaist.« Dabei rollte eine Thräne aus ihrem Auge und blieb in dem Flaum über ihren Lippen hängen.

Wolodyjowski schaute auf dies Thränlein über dem leicht beschatteten Mund und sagte: »Fräulein sind von einer Herzensgüte wie ein Engel. Mir ist schon besser zu Mute.«

Krzysias Mund umspielte ein holdes Lächeln: »Möge Gott Euch beistehen.«

»So wahr mir Gott lieb ist.«

Der kleine Ritter fühlte mittlerweile, daß es ihn unfehlbar noch mehr trösten würde, wenn er ihre Hand ein zweites Mal küsse – allein in diesem Augenblick kehrte seine Schwester zurück. »Basia nahm wohl die Jacke, ist aber so beschämt, daß sie um keinen Preis hereinkommen will. Herr Zagloba jagt ihr im ganzen Stalle nach.«

In der That hatte Zagloba, der es an Zureden und Trostesworten nicht fehlen ließ, Basia nicht nur im Stall verfolgt, sondern sie auch glücklich in den Hof hinaus manövriert, in der Hoffnung, sie ins warme Zimmer zurückzubringen. Das junge Mädchen aber, vor ihm davonlaufend, wiederholte beständig die Worte: »Nun komme ich erst recht nicht! Und wenn ich mich auch erkälte! Ich komme nicht, grad nicht.« Als sie an dem Hause an einem Pfeiler eine Leiter stehen sah, lief sie wie ein Eichhörnchen daran hinauf, bis sie an dem Rand des Daches angelangt war. Da setzte sie sich nieder und rief halb lachend Zagloba zu: »Gut, ich komme, wenn Sie mich hier herunter holen.«

»Bin ich denn eine Katze, mein lieber Wildfang, daß ich Dir auf die Dächer nachklettern soll? Ist das der Lohn für meine Liebe?«

»Ich liebe Euch auch, aber nur vom Dache aus!«

»Das heißt doch tauben Ohren predigen. Gleich komme herunter.«

»Ich will nicht.«

»Es ist lächerlich, so wahr mir Gott helfe, eine Niederlage sich so zu Herzen zu nehmen. Nicht Dir allein, zorniges Wiesel, ist dies widerfahren, sondern auch einem Kmicic, welcher als ein Meister aller Meister galt, geschah das Nämliche und nicht etwa im Scherz, sondern im ernsthaften Zweikampf mit Michal. Die berühmtesten Fechtmeister – Italiener, Deutsche, Schweden – vermochten ihm nicht länger als ein Vaterunser stand zu halten, und solch ein Mückchen will sich die Sache zu Herzen nehmen. Pfui! Schäme Dich. Komm herunter! Komm herunter! Du hast ja eben erst zu lernen angefangen!«

»Aber ich kann den Herrn Michal nicht ausstehen!«

»Merkwürdig! Darum wohl, weil er in dem, was Du selbst lernen willst, exquisitissimus ist? Gerade deswegen müßtest Du ihn um so lieber haben.«

Und Zagloba hatte damit die Wahrheit getroffen. Die Bewunderung Basias für den kleinen Ritter wuchs nach der erlittenen Niederlage; gleichwohl gab sie zur Antwort: »Mag ihn doch Krzysia lieb haben!«

»Herunter, herunter!«

»Ich will nicht!«

»Also gut; bleibe droben; aber Eins will ich Dir sagen: es ist ganz unschicklich für ein Mädchen, oben auf einer Leiter am Dachrand zu sitzen, denn für die Welt ist das ein sehr komischer Anblick. Nur verliebte Katzen pflegen sich dort herumzutreiben.«

»Ach, das ist ja gar nicht wahr,« sagte Basia und rückte verlegen auf ihrem luftigen Sitze hin und her.

»Nun warte nur, ich werde die andern Leute herbeirufen, sie sollen ihre Freude an dem Anblick haben, besonders wenn ich Dich als verliebte Katze ausrufe.«

»Ich steige herunter,« rief jetzt Basia.

Zagloba wandte sich um und schaute nach der Seitenwand des Hauses. »Bei Gott, es kommt jemand,« sagte er, und in der That, der junge Herr Nowowiejski bog eben um die Ecke. Er war zu Pferde gekommen, hatte dies am Seitenthor festgebunden und ging nun auf den Haupteingang des Hauses zu. Als Basia seiner ansichtig wurde, war sie in zwei Sätzen unten, aber es war zu spät. Herr Nowowiejski sah sie von der Leiter herabspringen und blieb verwirrt und voll Erstaunen stehen, indem er wie ein junges Mädchen über und über errötete. Basia stand in ähnlicher Verfassung vor ihm, bis sie endlich rief: »Eine zweite Beschämung.« Herr Zagloba, den dies köstlich unterhielt, zwinkerte seit einiger Zeit mit seinem gesunden Auge, dann sagte er: »Herr Nowowiejski, ein Freund und Untergebener unseres Michal, und das ist Fräulein Drabinowski Leiter-Meier ... pfui! wollte sagen Icziokowski.« Nowowiejski faßte sich rasch wieder und da er, obgleich noch jung, ein Soldat von schlagfertigem Verstand war, verbeugte er sich, schaute die wunderbare Erscheinung an und sagte: »Bei Gott! In Ketlings Garten blühen die Rosen im Schnee!« Basia aber murmelte für sich, indem sie sich verbeugte: »Für eine andere Nase als die Deine!« Dann sagte sie in sehr anmutiger Weise: »Bitte, wollen Sie eintreten.« Und eilig schritt sie voran und in das Gemach stürzend, in welchem Herr Michal mit der übrigen Gesellschaft saß, rief sie mit Anspielung auf das rote Obergewand des Herrn Nowowiejski: »Ein Gimpel kam geflogen!« Dann setzte sie sich auf einen Stuhl, legte die Hände übereinander und spitzte das Mündchen, wie es einem bescheidenen und wohlerzogenen Fräulein ziemt.

Herr Michal stellte seinen jungen Freund der Schwester und Fräulein Krzysia vor, und dieser errötete zum zweitenmal, als er noch ein anderes junges Mädchen erblickte, das eben so schön, aber in anderer Art schön war, wie Basia. Allein er wußte seine Verlegenheit unter einer Verbeugung zu verbergen, und, um sich ein gewisses Ansehen zu geben, fuhr er mit der Hand nach dem Schnurrbart, der jedoch noch im Schoß der Zukunft lag. Gleichwohl machte er mit dem Finger über der Oberlippe die Bewegung des Drehens und wandte sich dann an Wolodyjowski, um diesem den Zweck seines Kommens mitzuteilen: der Großhetman wünsche dringlich den kleinen Ritter zu sprechen. Nach Herrn Nowowiejskis Mutmaßung handle es sich um irgend einen militärischen Vorgang, denn der Hetman habe vor kurzem schriftliche Mitteilungen von den Herren Wilczkowski, Silnicki, von dem Obersten Pivo und von andern in der Ukraine und Podolien stationierten Befehlshabern erhalten, welche über Vorfälle in der Krim berichteten, die nichts Günstiges verhießen.

»Der Khan selbst, und Sultan Galga, die mit uns den Vertrag von Podhajce schlossen,« erzählte Herr Nowowiejski, »wünschen ihn auch zu halten, allein in Budziak, da summt und surrt es wie in einem Bienenstock vor dem Ausschwärmen. Die Bialogroder Horde ist gleichfalls in Aufruhr, die wollen weder dem Khan noch dem Sultan gehorchen.«

»Darüber hat mir Herr Sobieski bereits vertrauliche Mitteilungen gemacht und sich Rats erholt,« sagte Herr Zagloba. »Was erwartet man dort vom nächsten Frühjahr?«

»Man glaubt, daß, sobald die Wiesen zu grünen beginnen, sich dies Gewürm in Bewegung setzen wird und daß man es abermals niedertreten muß,« erwiderte Herr Nowowiejski. Und er machte ein schrecklich martialisches Gesicht dabei und begann den Schnurrbart so gewaltig zu drehen, daß sich seine Oberlippe rötete.

Basias raschem Blick war dies nicht entgangen; sie rückte ein wenig zurück, so daß Herr Nowowiejski sie nicht sehen konnte und that dann gleichfalls, den jungen Kavalier nachahmend, als ob sie ihren Schnurrbart drehe.

Die Frau Truchsessin sandte dem jungen Mädchen strafende Blicke zu, aber ihre eigenen Lippen begannen zu zucken und sie konnte nur mit Mühe einen Lachausbruch zurückhalten. Wolodyjowski biß sich die Lippen wund und Krzysia schlug derart die Augen nieder, daß sich der Schatten ihrer langen Wimpern auf ihren Wangen abzeichnete.

»Ihr seid noch ein junger Mann, aber ein erfahrener Krieger,« bemerkte Zagloba.

»Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt und diene bereits sieben Jahre dem Vaterlande, denn ich bin als Fünfzehnjähriger von der Schulbank ins Feld entwichen,« antwortete der junge Mann.

»Und er ist mit der Steppe vertraut und versteht durch die Grasflächen zu schleichen und die Horden zu überfallen wie der Hühnergeier das Schneehuhn,« fügte Herr Wolodyjowski hinzu. »Ein Führer von Streifzügen wie wenige! Dem entgeht der Tatar in der Steppe nicht.«

Herr Nowowiejski errötete vor Freude über das Lob aus solchem Mund in Gegenwart der Frauen. Er war, abgesehen von seinen kriegerischen Eigenschaften, auch ein hübscher, brünetter und wettergebräunter Junge. Eine Narbe, von einem Säbelhieb herrührend, die sich vom Ohr bis zur Nase zog, ließ die eine Hälfte seines Gesichtes schmäler erscheinen, als die andere. Seine Augen waren scharf, gewohnt in die Ferne zu schauen und von starken schwarzen Brauen überwölbt, die über der Nase zusammenwuchsen und einem tatarischen Bogen glichen. Ueber der Stirn flatterte unbändiges, dichtes Gelock, während die Haare zu beiden Seiten des Kopfes abrasiert waren. Seine Haltung und seine Redeweise gefielen Basia; dennoch hörte sie nicht auf, ihn nachzuäffen.

»Bei meinem Leben,« sagte Zagloba, »es ist erfreulich für uns Alte, wahrzunehmen, daß eine neue Generation aufwächst, die unserer wert ist.«

»Noch nicht ganz,« sagte Nowowiejski.

»Auch diese Bescheidenheit lob' ich. Binnen kurzem wird man Euch ein selbständiges Kommando anvertrauen.«

»Das ist bereits geschehen!« rief Herr Michal. »Er war ja schon Kommandant und hat auf eigene Faust Siege erfochten.«

Nun drehte Herr Nowowiejski derart an seinem Schnurrbart, daß er sich beinahe die Lippe wegriß. Und Basia, die kein Auge von ihm verwandte, hob gleichfalls beide Hände an den Mund und ahmte alles nach. Aber der kluge Soldat merkte bald, daß die Blicke der ganzen Gesellschaft sich der Seite zuwandten, wo etwas hinter ihm das junge Fräulein saß, das er auf der Leiter gesehen, und er erriet sogleich, daß sie etwas gegen ihn im Schilde führte. Er sprach aber weiter, als ob er darauf nicht achte und drehte wie früher an seinem Schnurrbart. Dann einen geeigneten Moment wahrnehmend, wandte er sich plötzlich so rasch um, daß Basia weder Zeit fand, die Augen von ihm abzuwenden, noch die Hände vom Gesicht zu entfernen.

Sie wurde dunkelrot, und da sie nicht wußte, was nun thun, erhob sie sich vom Stuhle. Alle waren in Verlegenheit und ein allgemeines Stillschweigen folgte.

Plötzlich schlug Basia mit den Händen auf ihr Kleidchen. »Die dritte Beschämung,« rief sie mit ihrer silberhellen Stimme.

»Mein sehr verehrtes Fräulein,« sagte Herr Nowowiejski in lebhaftem Tone, »ich sah sofort, daß hinter meinem Rücken irgend etwas vorgeht. Ich gestehe aufrichtig, daß ich gern einen Schnurrbart hätte, wenn ich aber nicht dazu gelange, so ist's nur darum, weil ich vorher fürs Vaterland gefallen bin und ich hoffe, daß Ihr, mein verehrtes Fräulein, mich dann eher beweinen als verlachen werdet.«

Basia stand mit niedergeschlagenen Augen da und fühlte sich durch die aufrichtigen Worte des Kavaliers nur noch mehr beschämt.

»Ihr müßt ihr vergeben,« sagte Zagloba. »Sie ist mutwillig, weil sie jung ist, aber sie hat ein goldenes Herz.«

Und Basia, als ob sie Zaglobas Worte bestätigen wolle, sagte sofort in leisem Tone: »Mein Herr, ich bitte von ganzem Herzen um Verzeihung.«

Herr Nowowiejski aber faßte ihre Hände und drückte Küsse darauf: »Um's Himmels willen, nehmen Fräulein sich die Sache nicht so zu Herzen! Ich bin wahrlich kein Barbar und es ziemt mir, um Vergebung zu bitten, daß ich Euer Vergnügen gestört habe. Wir Soldaten lieben ja selbst den Scherz. Mea culpa. Ich will diese Händchen abermals küssen und so lange, bis mir das Fräulein verziehen haben, dann – bei meinem Erlöser – will ich gern auf Verzeihung bis zum Abend warten!«

»Ah, er ist ein höflicher Kavalier, siehst Du, Basia,« sprach Frau Makowiecki.

»Ich sehe es,« antwortete Basia.

»Es ist schon alles gut,« rief Herr Nowowiejski. Bei diesen Worten richtete er sich auf und in bester Laune fuhr er gewohnheitsmäßig nach dem Schnurrbart, ertappte sich jedoch dabei und brach in ein herzliches Lachen aus.

Basia und die andern folgten seinem Beispiel. Eine fröhliche Stimmung erfaßte alle. Auf Zaglobas Geheiß wanderte bald eine Flasche nach der andern aus Ketlings Keller herauf und man ließ sich's wohl sein. Herr Nowowiejski, die Sporen an einander schlagend, fuhr sich mit der Hand durch das Stirnhaar, das er kühn emporrichtete und sandte Basia immer feurigere Blicke zu. Sie gefiel ihm ungemein gut. Er wurde ungeheuer beredt, und da er unter dem Hetman gedient, hatte er in der großen Welt gelebt und es mangelte ihm nicht an Stoff zur Unterhaltung. Er erzählte von der Einberufung des Reichstags, von dessen Schluß und wie im Senatorensaal zur allgemeinen Heiterkeit unter der Last der Zuhörer der Ofen eingestürzt war. Des Nachmittags reiste er ab, Auge und Herz ganz erfüllt von Basia.


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