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X

Nach jenem Erlebnis mit Krzysia machte Wolodyjowski eine Nacht durch, gegen die alle früheren qualvollen Nächte nichts waren. Denn nun war er zum Verräter an dem geheiligten Andenken der Verstorbenen geworden; er hatte das Vertrauen der Lebenden getäuscht, die Freundschaft mißbraucht, hatte Verpflichtungen übernommen und wie ein gewissenloser Mensch gehandelt.

Ein anderer Soldat würde einen solchen Kuß nicht so ernst genommen haben und bei der Erinnerung daran höchstens befriedigt den Schnurrbart gedreht haben. Aber Herr Wolodyjowski war, besonders seit Anusias Tod, skrupulös geworden wie jeder, dessen Herz und Seele so unsäglich gelitten. Was blieb ihm nun zu thun übrig? Wie sollte er handeln?

Nur noch wenige Tage waren es bis zu seiner Abreise, und sie konnte allem ein Ziel setzen. Aber ziemte es sich, ohne ein Wort für Krzysia zu scheiden und sie zu verlassen, wie er irgend ein Kammermädchen verlassen hätte, dem er einen Kuß geraubt? Das tapfere Herz des kleinen Ritters erzitterte bei dem Gedanken. Selbst während dieser inneren Kämpfe erfüllte ihn der Gedanke an Krzysia mit einem Glücksgefühl und durchdrang ihn die Erinnerung an jenen Kuß mit einem Schauer des Entzückens. Wenn er noch so sehr gegen sich selbst wütete, konnte er dieses süße Gefühl nicht unterdrücken. Die ganze Last der Verantwortung aber nahm er auf seine eigenen Schultern.

»Ich war es, der Krzysia dazu brachte!« hielt er sich voll Schmerz und Bitterkeit vor. »Ich brachte sie dahin, darum wäre es unwürdig, abzureisen, ohne mit ihr gesprochen zu haben. Was also? Ihr einen Antrag machen und als ihr Verlobter scheiden?«

Und nun schaute er die weißgekleidete, wachsbleiche Gestalt Anusias vor sich, gerade so, wie er sie in den Sarg gebettet hatte. ›Das bist Du mir schuldig‹ sagte sie, ›daß Du mich betrauerst und Dich um mich grämst! Anfangs wolltest Du Mönch werden, mich Dein Leben lang zu beweinen; jetzt aber willst Du eine andere nehmen, noch bevor meine arme Seele das Himmelsthor erreichen konnte. Ach! warte noch, bis ich, in die himmlischen Gefilde eingehend, den Blick von der Erde abgewandt habe.‹«

Und es schien dem Ritter, als ob er ein Meineidiger dieser armen Seele gegenüber sei, deren Andenken er hätte ehren und heilig halten sollen. Kummer und tiefe Scham erfaßten ihn. Er verachtete sich selbst. Er wünschte sich den Tod.

»Anulka!« rief er, auf den Knieen liegend, »ich werde nie aufhören, Deinen Tod zu beweinen; aber was soll ich jetzt beginnen?«

Das bleiche Phantom gab hierauf keine Antwort; es zerfloß gleich einem leichten Nebel; an seiner Stelle aber zeigten sich der Phantasie des Ritters Krzysias Augen und ihr flaumbedeckter Mund, und er bemühte sich, die Versuchung von sich abzuschütteln, wie er tatarische Pfeile abschüttelte.

So schwankte sein Herz unentschieden hin und her, in Schmerzen und Qualen.

Für Augenblicke dachte er daran, zu gehen und alles Zagloba zu beichten und den Rat dieses Mannes anzunehmen, dessen Verstand alle Schwierigkeiten zu lösen vermochte. Er hatte ja alles vorausgesehen; er hatte ja vorausgesagt, was kommen könne, wenn man mit einer Frau »Freundschaft« anknüpfe ... Aber gerade diese Erinnerung war es, welche den kleinen Ritter zurückhielt. Er dachte daran, wie scharf er Herrn Zagloba zugerufen: »Tritt Fräulein Krzysia nicht zu nahe!« Und jetzt, wer war jetzt Krzysia zu nahe getreten? Wer hatte darüber nachgedacht, ob es nicht besser sei, sie wie eine Kammerzofe zu verlassen und abzureisen?

»Wäre es nicht um jener Teuren willen, die dort oben weilt, ich würde nicht einen Augenblick schwanken und mich auch nicht grämen,« dachte der Ritter. »Im Gegenteil, ich würde mich im Herzen freuen, ein so besonderes Glück erlebt zu haben.« Nach einer Weile murmelte er: »Und ich möchte es gern noch hundertmal erleben.« Er fühlte, daß wieder die Versuchung ihn übermannen wollte, wehrte sich zwar mit Macht dagegen, stellte aber doch folgende Betrachtungen an:

»Geschehen ist geschehen! Nachdem ich einmal gehandelt habe, wie einer, der nicht Freundschaft sucht, sondern von Cupido Erfüllung seiner Wünsche hofft, muß ich auf diesem Wege weiter gehen und Krzysia erklären, daß ich sie zum Weibe begehre –«

Hier überlegte er wieder eine Weile, dann sagte er sich weiter: »Eine Erklärung, die meine heutigen Vertraulichkeiten rechtfertigen und mir morgen wieder gestatten wird –«

Doch hier schlug er sich mit der Hand auf den Mund.

»Pfui,« sagte er, »sitzt mir denn eine ganze Schar von Teufeln im Nacken!«

Aber er gab den Gedanken, jene Erklärung zu machen, nicht auf, und philosophierte in seiner einfachen Weise folgendermaßen: »Wenn ich die teure Verstorbene kränke, so kann sie durch Seelenmessen und Gebet versöhnt werden; dadurch zeige ich ihr zugleich, daß ich immer ihr Andenken ehre und solches getreulich bewahren werde. Und sollten die Leute sich wundern und über mich lachen, weil ich vor zwei Wochen noch willens war, aus Kummer ein Klosterbruder zu werden und nun schon einer andern eine Liebeserklärung mache, dann fällt die Schande nur auf mich, nicht auch, wie es der Fall wäre, wenn ich mich nicht erkläre, auf die unschuldige Krzysia. Also morgen werde ich ihr meine Erklärung machen; es kann nicht anders sein,« sagte er schließlich.

Dieser Gedanke beruhigte ihn sehr; und nachdem er das Vaterunser wiederholt und noch für Anusia inbrünstig gebetet hatte, schlief er ein. Als er des Morgens erwachte, wiederholte er sich: »Heute werde ich mich erklären.«

Das war aber nicht so leicht, denn Herr Michal wollte die andern noch nicht von seinen Absichten unterrichten, sondern zuerst mit Krzysia sprechen und dem Inhalte des Gespräches gemäß handeln. Mittlerweile war am frühen Morgen Herr Nowowiejski als Gast angelangt, und an allen Ecken und Enden zu treffen.

Krzysia ging den ganzen Tag umher, als habe sie Gift getrunken; sie war bleich, müde, schlug die Augen nieder und errötete häufig so sehr, daß selbst ihr Hals in Purpur erglühte; zuweilen bebten ihre Lippen, als sei ihr das Weinen nah. Dann wieder schien sie matt und wie im Traum befangen.

Es war für den Ritter sehr schwer, sich ihr zu nähern, und noch viel schwerer, sie allein zu sprechen. Wohl hätte er sie zu einem Spaziergang auffordern können, denn das Wetter war herrlich, und noch vor kurzer Zeit würde er dies ohne Bedenken gethan haben. Aber jetzt wagte er es nicht, denn er glaubte, alle würden dann sofort seine Absicht erraten und an eine Erklärung denken.

Herr Nowowiejski kam ihm unwissentlich zu Hilfe. Er hatte ein langes Gespräch mit der Frau Truchsessin, dann kamen beide in das Zimmer zurück, in welchem der kleine Ritter mit den jungen Mädchen und Herrn Zagloba sich befand, und die Frau Truchsessin sagte:

»Ihr junges Volk könntet bei diesem glänzenden Schnee eine Ausfahrt in zwei Schlitten machen.«

Rasch neigte sich Herr Wolodyjowski zu Krzysias Ohr und sagte:

»Ich bitte Euch, Fräulein, fahrt mit mir. Ich habe Euch so vieles zu sagen.«

»Ja!« antwortete Krzysia.

Die beiden Herren eilten nach den Ställen, gefolgt von Basia, und im Zeitraum von wenigen Vaterunsern fuhren die beiden Schlitten am Haus vor. Wolodyjowski und Krzysia bestiegen den einen, Herr Nowowiejski mit dem Wildfang den andern Schlitten, und ohne Kutscher flogen sie von dannen.

Jetzt sagte die Frau Truchsessin zu Zagloba: »Herr Adam hat um Basias Hand geworben.«

»Wieso das?« frug Zagloba, beunruhigt.

»Seine Taufpatin, die Gemahlin des Lemberger Kämmerers, wird morgen hierher kommen, um mit mir zu sprechen, Herr Adam bat mich um eine Gelegenheit, mit Basia zu reden, wenn auch nur andeutungsweise, denn er begreift, daß alles andere nutzlos, wenn Basia ihm nicht gewogen ist.«

»Also darum haben Euer Gnaden die Schlittenpartie veranstaltet?«

»Darum. Mein Gatte ist sehr gewissenhaft. Mehr als einmal sagte er zu mir: »Ich will ihr Vermögen verwalten, aber in der Wahl ihrer Gatten soll jede freie Hand haben; ist er ehrenwert, werde ich keine Einwendung machen, auch nicht für den Fall einer Ungleichheit in den Vermögensverhältnissen. Ueberdies sind beide reif genug, für sich selbst entscheiden zu können.«

»Aber welche Antwort will Euer Gnaden der Frau Kämmererin geben?«

»Mein Gemahl kommt im Mai hierher, ihm will ich die Sache überlassen. Meine Meinung aber ist, sie wird nach Basias Wünschen entschieden.«

»Nowowiejski ist ein Grasaffe!«

»Aber Herr Michal selbst spricht von ihm als von einem vorzüglichen Soldaten, der durch seine Tapferkeit bereits rühmlichst bekannt sei. Er hat ein artiges Vermögen und seine Taufpatin hat mir über alle seine Verwandten Bericht erstattet. Sehen Euer Liebden, die Sache ist so: Sein Urgroßvater, dessen Mutter eine Tochter des Fürsten Sieniut, war primo voto verheiratet mit –«

»Ach, was kümmert mich seine Verwandtschaft!« unterbrach sie Zagloba, ohne einen Hehl aus seiner schlechten Laune zu machen; »er ist weder mein Bruder, noch mein Pate, und Euer Gnaden sei's gesagt, daß ich den Wildfang für Michal bestimmt habe; denn wenn man unter allen Mädchen, die auf ihren zwei Füßen in der Welt herumlaufen, ein besseres, ehrlicheres findet, dann will ich von diesem Augenblick an auf allen Vieren laufen, wie ein Bär!«

»Michal denkt vorderhand an nichts dergleichen, und wenn dies auch der Fall wäre, so hat Krzysia seine Aufmerksamkeit mehr auf sich gezogen ... Ja, das alles wird der Himmel entscheiden, dessen Ratschlüsse unerforschlich sind.«

»Wenn dieser Milchbart mit einer Wassermelone Anmerk. d. Uebersetzerinnen: Ein Zeichen der Ablehnung. abziehen muß, werde ich mich vor Freuden betrinken,« sagte Zagloba.

Mittlerweile bereitete sich in den beiden Schlitten die Entscheidung über das Los des Ritters vor. Herr Michal konnte lange Zeit keine Worte finden; endlich aber sprach er zu Krzysia: »Haltet mich, Fräulein, nicht für einen leichtfertigen Menschen oder eine Art von Gecken, denn danach sind meine Jahre nicht.«

Krzysia gab keine Antwort.

»Vergebt mir, Fräulein, was ich gestern that; es geschah aus einem unwiderstehlichen Herzensdrang, den ich nicht zurückzuhalten vermochte. Mein gnädiges Fräulein, meine teure Krzysia, denkt an meinen Stand und daß ich ein einfacher Soldat bin, der sein Leben im Kriege zugebracht. Ein anderer würde zuerst zu reden gewußt und dann erst sich Vertraulichkeiten erlaubt haben; ich habe mit Vertraulichkeiten angefangen. Bedenkt auch, daß, wenn selbst ein Roß, auch wenn es zugeritten ist, manchmal auf die Stange beißt und mit dem Reiter durchgeht, wie sollte nicht die Liebe, deren Gewalt noch größer ist, in solcher Weise mit uns durchgehen. Die Liebe riß mich hin, einfach darum, weil Ihr mir teuer seid. Meine geliebte Krzysia! Ihr seid eines Kastellans oder Senators würdig, so Ihr jedoch einen Soldaten nicht zu gering achtet, welcher, wenn auch in einfachem Stand, dem Vaterland nicht ohne Ruhm gedient hat, dann will ich vor Euch niederfallen, Eure Füße küssen und Euch fragen: Wollt Ihr meine Werbung annehmen? Könnt Ihr ohne Abscheu an mich denken?«

»Herr Michal!« antwortete Krzysia. Und ihre Hand entglitt dem Pelze und barg sich in der Hand des Ritters.

»Ihr willigt ein?« frug Wolodyjowski.

»Ja!« erwiderte Krzysia, »und ich weiß, daß ich in ganz Polen keinen würdigeren Mann finden könnte.«

»Gott lohne es Euch, Gott lohne es Euch, Krzysia,« sagte der Ritter, ihre Hand mit Küssen bedeckend. »Eine größere Glückseligkeit konnte mir nicht zu teil werden. Nur sagt mir noch, daß Ihr mir um der gestrigen Vertraulichkeit willen nicht zürnt, so daß mein Gewissen erleichtert werde.«

Krzysia senkte die Augenlider. »Ich zürne Euch nicht!« versetzte sie.

»O, könnte ich Eure Füße küssen!« rief Herr Michal.

Dann glitten sie schweigend weiter, nur die Kufen des Schlittens knirschten auf dem Schnee und unter den Hufen der Pferde flogen die Schneeballen.

Dann sprach Herr Michal: »Ich wundere mich, daß Ihr mir gewogen seid.«

»Es ist noch wunderbarer,« sprach Krzysia, »daß Euer Liebden mich so rasch lieb gewonnen.«

Herrn Michals Antlitz wurde sehr ernst bei diesen Worten, und er sagte: »Es mag Euch nicht gut erscheinen, daß ich, ehe noch meine Trauer um die eine geschwunden war, schon eine andere in mein Herz schloß. Auch will ich Euch, als ob ich zur Beichte säße, das Geständnis ablegen, daß ich seinerzeit flatterhaft gewesen bin. Aber jetzt ist das ganz anders geworden. Nicht vergessen habe ich die selig Verstorbene und werde sie niemals vergessen; noch liebe ich sie, und wenn Ihr wüßtet, wie sehr ich sie beweine, dann würdet Ihr über mich weinen!«

Hier versagte dem kleinen Ritter die Stimme vor tiefer Rührung, und darum vielleicht nahm er nicht wahr, daß seine Worte auf Krzysia keinen sonderlich großen Eindruck zu machen schienen.

Abermals trat Schweigen ein, welches diesmal durch Krzysia unterbrochen wurde. »Ich will versuchen, Euer Liebden so viel, als ich vermag, zu trösten.«

»Darum eben,« sagte der kleine Ritter, »gewannet Ihr so rasch mein Herz, weil Ihr vom ersten Tage an Balsam in meine Wunden gosset. Was war ich Euch? Nichts! Nur aus Mitleid für einen Unglücklichen thatet Ihr Samariterdienste. Ach, wie viel habe ich Euch zu verdanken! Wer das nicht weiß, wird es mir vielleicht verübeln, daß ich im November Mönch werden wollte, und im Dezember an eine Heirat denke. In erster Reihe wird Herr Zagloba darüber spötteln, denn er spottet gern, wenn sich dazu die Gelegenheit bietet; aber mag doch spotten, wer Lust hat! Ich kümmere mich wenig darum, besonders auch darum, weil nicht Euch, sondern nur mich ein Tadel treffen kann.«

Krzysia schaute gedankenvoll zum Himmel empor und sprach dann:

»Müssen wir denn unbedingt den Leuten von unserem Bündnis sagen?«

»Wie meint Ihr das?«

»Ihr geht doch, wie es scheint, in einigen Tagen fort?«

»Ich muß gehen, auch wenn es mein Wille nicht wäre.«

»Ich trage noch Trauer für meinen Vater. Warum wollen wir uns dem Gerede der Leute aussetzen? Laßt uns unser Bündnis geheim halten, bis zur Zeit Eurer Rückkehr von Rus! Ist Euch das genehm?«

»Also soll ich auch meiner Schwester nichts darüber mitteilen?«

»Ich will ihr selbst alles sagen, aber erst wenn Ihr fort seid.«

»Und dem Herrn Zagloba?«

»Herr Zagloba würde mich zur Zielscheibe seines Witzes machen. Ei, besser thut Ihr, nichts zu sagen! Auch Basia würde mich necken, und sie ist ohnedies in letzter Zeit so wunderlich und von so wechselnder Laune, wie nie bevor! Besser thut Ihr, nichts zu sagen.« Und wieder hob Krzysia ihre dunkelblauen Augen zum Himmel auf: »Gott im Himmel ist unser Zeuge; mögen die Menschen in Unkenntnis bleiben.«

»Ich sehe, Fräulein, daß Eure Klugheit Eurer Schönheit gleichkommt. Ich bin einverstanden mit allem. So sei denn Gott allein unser Zeuge! Amen! Lehnt doch Eure Schulter an mich; seit unser Bund geschlossen ist, verstößt das nicht mehr gegen die Sitte. Fürchtet Euch nicht. Wenn ich auch wiederholen wollte, was ich gestern that, ich kann es nicht, weil ich auf die Pferde achthaben muß.«

Krzysia erfüllte seinen Wunsch und er sagte:

»So oft wir allein sind, nennt mich bei meinem Namen nur.«

»Es will sich nicht recht machen,« sagte sie mit einem Lächeln. »Ich habe nicht den Mut dazu.«

»Ich selbst habe ihn doch gehabt!«

»Der Herr Michal sind ein Ritter, Herr Michal sind tapfer, sind ein Soldat!«

»Krzysia, Du meine Teure! ...«

»Mich –« Allein Krzysia fand nicht den Mut, den Namen ganz auszusprechen und versteckte ihr Gesicht unter dem Pelz.

Einige Zeit darauf lenkte Herr Michal die Pferde heimwärts; sie sprachen unterwegs nicht mehr viel mit einander, aber am Thor angelangt, frug der kleine Ritter nochmals: »Und nach dem gestrigen Vorfall ... Du verstehst ... warst Du sehr traurig?«

»Ich schämte mich und war traurig ... aber ich hatte eine wunderbare Empfindung,« fügte sie leiser hinzu.

Gleich darauf nahmen beide gleichgültige Mienen an, damit niemand merke, was zwischen ihnen vorgefallen. Eine unnötige Vorsicht, da niemand ihrer acht hatte. Wohl eilten Zagloba und die Frau Truchsessin heraus, um die beiden Paare zu begrüßen, aber ihre Blicke waren nur auf Basia und Herrn Nowowiejski gerichtet.

Basias Gesicht war gerötet, entweder durch die Kälte oder durch innere Erregung, Nowowiejski aber sah aus, als ob er Gift getrunken. Er verabschiedete sich auch sofort von der Frau Truchsessin. Vergeblich bemühte sie sich, ihn zurückzuhalten, vergeblich versuchte selbst Herr Michal, der in trefflicher Laune war, ihn zum Abendessen festzuhalten; er entschuldigte sich mit Dienstangelegenheiten und ging.

Die Frau Truchsessin küßte, ohne ein Wort zu reden, Basia auf die Stirn und diese eilte auf ihr Zimmer und kam bis zum Nachtessen nicht wieder.

Am folgenden Tag erst fragte Zagloba, als er sie allein traf: »Nicht wahr, kleiner Wildfang, der Nowowiejski war wie vom Blitz getroffen?«

»Aha!« antwortete sie und bejahte durch Kopfnicken, indem sie mit den Augen zwinkerte.

»Sage mir, was Du ihm zur Antwort gabst.«

»Kurz war die Frage, denn er ist ein resoluter Mensch, aber kurz war auch die Antwort, denn auch ich bin resolut! Oder ist's nicht so?«

»Das ist köstlich! Laß Dich umarmen! Ließ er sich leicht abfertigen?«

»Er frug, ob er nicht mit der Zeit hoffen dürfe. Er that mir leid, aber nein, nein, da kann nichts daraus werden!«

Dabei erweiterten sich Basias Nasenflügel, sie schüttelte mit verdüsterter Miene ihre Haare zurück und schien nachzusinnen.

»Sage mir Deine Gründe,« sprach Zagloba.

»Auch er wollte sie wissen, aber es nützte ihm nichts. Ich sagte sie ihm nicht und sage sie niemandem.«

»Aber vielleicht,« sagte Zagloba, indem er ihr scharf in die Augen blickte, »liegt Dir eine geheime Liebe im Sinn?«

»Ja, Feigen hab ich im Kopf, aber keine Liebe!« rief Basia. Und hurtig vom Sitze aufspringend wiederholte sie rasch, als gelte es, ihre Verlegenheit zu verbergen: »Ich mag Herrn Nowowiejski nicht! Ich mag Herrn Nowowiejski nicht, ich mag niemanden! Warum quält Ihr mich alle?« Und plötzlich brach sie in Thränen aus.

Herr Zagloba that alles, um sie zu trösten, aber sie blieb während des ganzen Tages verstimmt und reizbar. –

»Michal,« sagte Herr Zagloba während der Mittagsmahlzeit, »Du gehst, und Ketling wird bald kommen, und das ist ein Schönthuer wie kein zweiter! Wie sich die Fräuleins verteidigen wollen, das weiß ich nicht, aber ich glaub eines, daß Du sie nach Deiner Rückkehr beide sterblich verliebt finden wirst.«

»Vortrefflich!« sagte Wolodyjowski. »Da wollen wir gleich für ihn um Fräulein Barbaras Hand werben.«

Basia schaute ihn mit wahren Luchsaugen an und erwiderte: »Warum sind denn Euer Liebden um Krzysia minder besorgt?«

Der kleine Ritter war über die Maßen verlegen bei diesen Worten und sagte: »Ihr kennt noch nicht die Macht, die Ketling auszuüben versteht, aber Ihr werdet sie empfinden.«

»Aber warum soll sie denn Krzysia nicht empfinden? Bin ich es doch nicht, die singt:

Wohin soll vor den Pfeilen
Das Weib so schwach und hehr
Ohn' Waffen, ohne Wehr
Sich bergend, schützend, eilen?«

Jetzt war die Reihe, in Verwirrung zu geraten, an Krzysia und die kleine Schlange fuhr fort: »Im Notfall kann ich ja Herrn Nowowiejski bitten, mir seinen Schild zu leihen; aber wenn Ihr fortgeht, weiß ich nicht, womit Krzysia sich verteidigen will, wenn ihr Gefahr droht!«

Herr Michal hatte jetzt seine Fassung wiedergewonnen und entgegnete in etwas strengem Tone: »Vielleicht trifft sie es doch, wie man sich verteidigen muß, und übertrifft Euch, mein Fräulein, darin.«

»Und wieso denn?«

»Weil sie nicht so unbesonnen ist und mehr Ernst und Ueberlegung zeigt!«

Herr Zagloba und die Frau Truchsessin dachten, der kecke Wildfang werde sofort den Kampf aufnehmen, zu ihrer großen Verwunderung jedoch senkte sie das Köpfchen auf den Teller und sagte nach einiger Zeit mit leiser Stimme:

»Sollten Euer Liebden mir zürnen, so bitte ich Euch und Krzysia um Vergebung!«


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