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VII

Zum großen Staunen des Herrn und der Frau Obristin hatten sich inzwischen Gäste in Chreptiow eingestellt. Herr Bogusz war zu längerem Aufenthalte daselbst eingetroffen, sollte er doch durch Mellechowicz mit den tatarischen Rittmeistern Aleksandrowicz, Morawski, Tworawski, Kryczynski, sowie mit vielen andern – teils Lipkern, teils Czeremisen – verhandeln, die alle in türkische Dienste getreten waren. Doch Herr Bogusz war nicht allein gekommen. In dessen Gesellschaft befanden sich der alte Herr Nowowiejski mit seiner Tochter Ewa und Frau Boski, eine etwas matronenhafte Erscheinung, mit ihrer Tochter, dem ebenso jungen wie schönen Fräulein Zosia. Der Anblick der Frauen in der Wüstenei, in dem öden Chreptiow, erfüllte die Herzen der Krieger mit großer Freude, aber auch mit unendlichem Staunen. Nicht weniger überrascht waren jedoch die Ankommenden, als sie dem Herrn Kommandanten und dessen Gemahlin gegenüberstanden. Den ersteren hatten sie sich infolge seines weitverbreiteten Ruhmes und seines gefürchteten Namens als einen Riesen vorgestellt, vor dessen Blick allein schon die Menschen erbeben, die letztere als ein Riesenweib mit finsteren Brauen und dröhnender Baßstimme. Und nun stand ein kleiner, schmächtiger Krieger mit einem freundlichen, heiteren Gesichte, nun stand eine zierliche junge Frau vor ihnen, so rosig wie eine Kuckucksblume, die in ihren weiten Pumphosen und mit dem kleinen Säbel an der Seite weit eher einem über die Maßen schönen Knaben, als einer erwachsenen Person glich. Die Gäste wurden indessen sowohl von dem kleinen Ritter, wie von Basia mit offenen Armen empfangen. Basia küßte sofort die ältere Dame und die beiden jungen Fräulein aufs herzlichste, und kaum hatte sie deren Namen vernommen, kaum hatte sie gehört, woher sie gekommen waren, so erklärte sie:

»Wie gern würde ich Euch, liebwerte Gäste, den Himmel auf Erden schaffen! Ich bin furchtbar glücklich darüber, Euch hier zu sehen und bin nur froh, daß Ihr unterwegs keinen Unfall erlitten habt, was ja in unserer Wüstenei nicht zu den Seltenheiten gehört. Gerade eben vernichteten wir jedoch das Räubergesindel bis auf den letzten Mann. Auch ich habe den Kampf mitgemacht,« fuhr sie, an den Säbel schlagend, fort, als sie bemerkte, mit welch erstaunten Blicken Frau Boski sie betrachtete. »Ich habe tapfer gekämpft. Fürwahr, so geht es bei uns zu. Gebt mir nur aus wenige Minuten Urlaub, damit ich mich entferne und die meinem Geschlechte geziemenden Gewänder anlegen, meine Hände vom Blute reinigen kann, denn, bei Gott, wir kehren von einem entsetzlichen Gemetzel zurück. Seht Ihr, wohledle Gäste, wenn Azba heute nicht gefallen wäre, würdet Ihr vielleicht nicht so ungefährdet Chreptiow erreicht haben. In einem Augenblick bin ich wieder bei Euch. Mittlerweile wird Michal zu Euren Diensten stehen.«

Mit diesen Worten verschwand Basia durch die Thüre, worauf sich Wolodyjowski, welcher den Herrn Bogusz und den Herrn Nowowiejski begrüßt hatte, sich der Frau Boski näherte.

»Der Himmel beschenkte mich mit einem Weibe,« sprach er zu ihr, »das nicht nur im Hause eine liebe Gefährtin, sondern auch im Felde ein tapferer Kamerad zu sein versteht. Auf den Wunsch meiner Gattin hin stelle ich mich jetzt Euch zu Diensten, wohledle Frau.«

Darauf ließ sich Frau Boski also vernehmen:

»Möge Gott Eurem Weibe in allen andern Dingen ebenso seinen Segen spenden, wie er es mit Schönheit gesegnet hat. Ich bin Antonia Boski. Doch nicht deshalb bin ich hierhergekommen, um die Gesellschaft Eurer Liebden in Anspruch zu nehmen, sondern um Euer Herrlichkeit kniefällig um Hilfe in meinem Unglück um Rettung anzuflehen. Zosia, knie auch Du vor dem Ritter nieder, denn so er uns keine Hilfe angedeihen läßt, sind wir verloren.«

So sprechend, warf sich Frau Boski thatsächlich auf die Knie nieder, und die schöne Zosia folgte diesem Beispiele, worauf dann beide, in Thränen zerfließend, ausriefen:

»Rette uns, o Ritter, erbarme Dich der armen Verwaisten!«

Durch den Anblick der Knienden, vornehmlich aber von der Schönheit Zosias angelockt, näherte sich voll Neugierde ein ganzer Schwarm von Offizieren, der kleine Ritter aber hob, höchst verlegen, Frau Boski in die Höhe und geleitete sie zu einer Ruhebank.

»Bei Gott!« begann er, »was thun die gnädige Frau? Mir stünde es weit eher an, vor Euch, wohledle Frau, das Knie zu beugen. Sprecht, womit kann ich Euch dienen, und so wahr Gott im Himmel ist, ich will für Euch thun, was in meinen Kräften steht.«

»Er wird sein Versprechen getreulich erfüllen, und was von meiner Seite geschehen kann, das soll geschehen. Zagloba sum! Dies mag der gnädigen Frau genügen!« warf hier der alte Krieger ein, tief gerührt über die weinenden Frauen.

Auf einen Wink ihrer Mutter zog nun Zosia rasch ein Schreiben aus ihrem Busen und überreichte es dem kleinen Ritter.

Nach dem ersten Blick darauf rief dieser:

»Von dem Herrn Hetman!«

Dann erbrach er rasch das Siegel und las folgendes:

»Mein hochgeschätzter und vielgeliebter Wolodyjowski! Ich befinde mich unterwegs und entbiete Dir durch Herrn Bogusz meinen Gruß. Er wird Dir auch personaliter meine Instruktionen mitteilen. Kaum bin ich nach großen Strapazen in Jaworow angekommen, so entspinnt sich sofort wieder eine neue Affaire. Gar sehr liegt mir diese am Herzen, und zwar wegen des Wohlwollens, das ich für meine Soldaten hege, derer ich mich stets annehmen werde, wie sich auch Gott stets meiner annehmen möge. Herr Boski, ein hochachtbarer Kavalier und mein vielgeliebter Kriegsgefährte, geriet vor einigen Jahren bei Kamieniec in tatarische Gefangenschaft. Selbstverständlich gewährte ich dessen Gattin, dessen Tochter Zuflucht in Jaworow, doch beider Herzen verzehrten sich in Sehnsucht nach dem Gatten, nach dem Vater. Durch Piotrowicz übermittelte ich ein Schreiben an Herrn Zlotnicki, unsern Residenten in der Krim, worin ich bat, dort allerorts Nachstellungen nach Boski anstellen zu lassen. Allem Anschein nach hat man auch seine Spur gefunden, doch von dieser Zeit an hielten ihn die Tataren verborgen, weshalb er auch wohl nie mit andern Sklaven ausgeliefert worden ist. Möglicherweise führt er jetzt das Ruder auf irgend einer Galeere. Die verzweifelten Frauen gaben es in ihrer Hoffnungslosigkeit schließlich auf, mich mit ihrem Anliegen zu bedrängen, als ich aber nach meiner jüngst erfolgten Rückkehr ihr stilles Leid so recht gewahrte, da konnte ich nicht anders, ich mußte irgend einen Versuch zur Rettung unternehmen. Du kannst mir dabei dienlich sein, denn wie ich gehört habe, hast Du Brüderschaft mit etlichen Mursen geschlossen. Deshalb sende ich die Frauen zu Dir, laß ihnen Deine Hilfe angedeihen. Piotrowicz begiebt sich binnen kurzem nach der Krim, er kann Briefe von Dir an Deine Freunde überbringen, mit denen Du Brüderschaft geschlossen hast. Ich selbst vermag weder an den Großvezier, noch an irgend einen Khan zu schreiben, denn sie alle sind mir feindlich gesinnt. Allein schon aus dem Grunde dürfte ich es nicht thun, weil bei einer schriftlichen Vermittlung meinerseits der Persönlichkeit Boskis eine besondere Bedeutung beigelegt und demgemäß auch das Lösegeld bedeutend erhöht werden würde. Lege dem Piotrowicz die Angelegenheit warm ans Herz und beschwöre ihn, nicht ohne Boski zurückzukehren. Laß nichts unversucht, biete alle Deine Freunde auf, die, wenn sie auch Heiden sind, Dir die beschworene Treue umso mehr halten werden, als Du bei allen in hoher Achtung stehst. Handle demnach, wie es Dir gutdünkt, biete aber jedenfalls die Auswechslung von drei der namhaftesten Gefangenen an, nur setze die Rückkehr Boskis durch, so er noch am Leben ist. Kein anderer ist darin so erfahren wie Du, hast Du doch schon, wie mir gesagt ward, die Auslösung von Blutsverwandten zu stande gebracht. Gottes Segen wird Dir darob zu teil werden, meinem Herzen aber wirst Du noch teurer werden, wenn Du mich von dieser schweren Sorge befreist. Mir ist die Kunde geworden, Du habest die Ruhe in Chreptiow wieder hergestellt. Fürwahr, dies erwartete ich nicht anders. Habe nur ein wachsames Auge auf Azba. De publicis wird Dir Herr Bogusz alles mitteilen. Laß auch, bei Gott, nicht ab, nach der moldauischen Seite zu horchen, denn von dort droht uns eine gewaltige Invasion. Indem ich Frau Boski Deiner wohlwollenden Hilfe, warm empfehle, zeichne ich« u. s. w.

Frau Boski weinte unaufhörlich, während Wolodyjowski den Brief vorlas, wobei ihr Zosia, die blauen Augen gen Himmel gerichtet, getreulich sekundierte.

Noch bevor indessen Herr Michal zu Ende gelesen hatte, war Basia, nunmehr wieder in Frauengewänder gekleidet, eingetreten, und die Weinenden gewahrend, fragte sie sofort, was sich zugetragen habe. Nun las Herr Michal das Schreiben des Hetmans nochmals von Anfang an vor. Mit der größten Aufmerksamkeit lauschte Basia, um sich dann eifrig den Bitten des Hetmans und der Frau Boski anzuschließen.

»Ein goldenes Herz, das des Herrn Hetman!« rief sie, die Arme um den Hals ihres Gatten schlingend, »wir aber wollen auch nicht hinter ihm zurückstehen. Lieber, lieber Michal! Frau Boski bleibt bis zur Befreiung ihres Gemahls bei uns, und in höchstens drei Monaten bringst Du ihn aus der Krim zurück. Ja, in höchstens drei Monaten, oder sogar schon in zwei, nicht wahr, Michal?«

»Oder morgen, oder in einer Stunde!« meinte nun Herr Michal scherzend. »Wie die gnädige Frau sehen,« wandte er sich hierauf an Frau Boski, »ist meine Gattin sehr energisch in ihren Wünschen.«

»Mag sie Gott dafür segnen!« rief Frau Boski. Zosia küßte der Frau Kommandantin die Hände.

Davon wollte jedoch die Frau Kommandantin nichts wissen, sondern sie zog Zosia, die sie sofort ins Herz geschlossen und die ihr die größte Bewunderung entgegenbrachte, in ihre Arme.

»Haltet Rat, Ihr hochwohledle Herren!« bat sie hierauf. »Haltet Rat, rasch, rasch, beratet Euch miteinander.«

»Nur rasch, rasch, denn ihr Kopf steht schon in Flammen!« murmelte Herr Zagloba.

Doch Zosia zauderte nicht mit der Antwort.

»Nicht mein Kopf steht in Flammen,« erklärte sie, ihr blondes Gelock zurückwerfend, »nein, die Herzen dieser Herren flammen auf vor Leid und Mitgefühl.«

»Kein Mensch mißversteht Deine edlen Absichten,« versetzte Wolodyjowski. »Vor allem aber muß uns Frau Boski eine genaue Schilderung der Vorgänge geben.«

»Zosia, erzähle Du, wie sich alles zugetragen hat,« sagte nun Frau Boski, »ich kann es nicht vor Weinen.«

Tief errötend schlug Zosia die Augen nieder, wußte sie doch nicht, wie sie beginnen solle, und befand sie sich doch in der größten Verlegenheit darüber, daß sie vor einer solch zahlreichen Zuhörerschaft sprechen sollte.

Dies begreifend, kam ihr auch Frau Wolodyjowski sofort zu Hilfe.

»Zosia, sprich, wann geriet Herr Boski in Gefangenschaft?«

»Vor fünf Jahren, also im Jahre 1667,« erwiderte Zosia mit kaum hörbarer Stimme, ohne die Augen aufzuschlagen, worauf sie aber dann wie in einem Atem zu erzählen begann:

»Als die Schwadron meines guten Väterchens bei Paniowice stand, da dachte niemand an einen feindlichen Ueberfall. Mein Vater und Herr Bulajowski führten in aller Ruhe die Oberaufsicht über das Gesinde, welches das auf den Wiesen weidende Vieh hütete, da stürmten plötzlich die Tataren von der moldauischen Grenze herein und nahmen den Vater und Herrn Bulajowski gefangen. Doch schon vor zwei Jahren ist Herr Bulajowski wieder zurückgekehrt, aber mein armes Väterchen schmachtet immer noch in Gefangenschaft.«

Bei diesen Worten rollten zwei winzige Thränlein über Zosias Wangen, ein Anblick, der Herrn Zagloba dermaßen rührte, daß er sagte:

»Armes Kindchen! ... doch nur getrost, nur getrost, mein Kind, das Väterchen kehrt zurück und wird noch auf Deiner Hochzeit tanzen.«

»Der Hetman hat also durch Piotrowicz ein Schreiben an Herrn Zlotnicki gesandt?« fragte nun Wolodyjowski.

»Ja, der Herr Hetman schickte durch Herrn Piotrowicz ein Schreiben an den Posener Schwertträger,« ließ sich, stets in dem gleichen Tone, Zosia weiter vernehmen, »und der Herr Schwertträger und der Herr Piotrowicz haben den Vater bei dem Aga Murza-Bey aufgefunden.«

»Bei Gott, diesen Murza-Bey kenne ich!« rief Wolodyjowski. »Mit dessen Bruder habe ich Brüderschaft geschlossen. Nun, zeigte er sich denn nicht gewillt, Herrn Boski auszuliefern?«

»Der Khan hat ihm wohl den Befehl erteilt, das Väterchen auszuliefern, aber der böse, grausame Bey hielt meinen Vater verborgen und gab vor, er habe ihn schon längst nach Asien verkauft. Durch andere Kriegsgefangene erfuhr aber Herr Piotrowicz, daß dem nicht so sei, und daß der Murza sich nur noch länger an der Qual meines Vaters weiden wolle, denn er ist unter allen Tataren der grausamste gegen die Sklaven. Vielleicht ist auch das Väterchen gerade damals nicht in der Krim gewesen, da der Murza eigene Galeeren besitzt und daher Ruderknechte nötig hat, verkauft ist aber mein Vater sicherlich nicht, denn alle sagen, der Murza töte eher einen Sklaven, als daß er ihn verkaufe.«

»Das ist heilige Wahrheit!« ergriff hier Herr Muszalski das Wort. »Dieser Aga, dieser Murza-Bey ist in der ganzen Krim bekannt. Er ist ein sehr reicher Tatar, aber furchtbar aufgebracht gegen uns, weil vier seiner Brüder im Kampfe mit uns gefallen sind.«

»Hat er sich niemals mit einem der unsrigen verbrüdert?« fragte Wolodyjowski.

»Das ist fast ausgeschlossen!« ertönte von allen Seiten die Antwort.

»Erklärt doch einmal, was man eigentlich unter einer solchen Verbrüderung versteht?« bemerkte Basia.

»Siehst Du,« entgegnete Zagloba, »wenn nach Beendigung eines Feldzuges die Friedensverhandlungen beginnen, dann stehen sich die beiden Kriegsherren nicht mehr feindlich gegenüber, dann treten sogar deren Mannschaften in Verkehr miteinander. So kommt es denn auch nicht selten vor, daß der oder jener Offizier an dem oder jenem Murza, oder der oder jener Murza an dem oder jenem Offizier besonderen Gefallen findet, und daß sie sich demzufolge ewige Freundschaft schwören. Und das nennt man Brüderschaft schließen. Je berühmter freilich ein Krieger ist, wie zum Beispiel Michal, ich oder Herr Ruszczyc, der jetzige Befehlshaber in Raszkow, desto begehrter ist auch die Verbrüderung mit ihm, und es liegt klar auf der Hand, daß eine solche Berühmtheit sich nicht mit dem ersten besten verbrüdert, sondern seine Auswahl unter den Mursen trifft. Der Brauch dabei ist der, daß man Wasser über den Säbel gießt und sich gegenseitig ewige Freundschaft schwört. Ist es Dir nun verständlich?«

»Wenn es aber wieder zum Kriege kommt, wie ist es dann?«

»Im Kampfgewühle dürfen die Verbrüderten gegeneinander streiten, doch sobald sie einzeln aufeinander stoßen, sobald sie in den, einer Schlacht gewöhnlich vorangehenden Scharmützeln sich im Einzelkampfe gegenüber stehen, dann begrüßen sie sich und reiten wieder friedlich auseinander. Gerät aber gar einer in Sklaverei, so ist der andere verpflichtet, ihm nicht nur jede Art von Erleichterung zu verschaffen, sondern auch schließlich das Lösegeld für ihn zu entrichten. Ha! es hat schon solche gegeben, die ihr ganzes Hab und Gut mit dem andern geteilt haben. So es sich aber darum handelt, für Bekannte oder Freunde einzutreten, diese ausfindig zu machen oder ihnen Hilfe angedeihen zu lassen, dann stehen sich die Verbrüderten ebenfalls bei und justitia gebietet, es anzuerkennen, daß kein Volk getreuer juramenti hält, als die Tataren. Das verpfändete Wort ist ihnen heilig und auf einen solchen Freund kannst Du felsenfest bauen.«

»Und wie viele solcher Freunde hat Michal?«

»Ich bin mit drei mächtigen Mursen verbrüdert,« erklärte Wolodyjowski, »und die Freundschaft mit einem von ihnen rührt noch aus den Tagen in Lubny her. Diesen befreite ich einmal durch meine Fürsprache bei dem Fürsten Jeremi. Aga-Bey ist sein Name, und er wäre sicherlich bereit, wenn es darauf ankäme, mit seinem Kopfe für mich einzustehen. Auch auf die beiden andern kann ich sicher zählen.«

»Ha!« rief nun Basia, »am liebsten möchte ich mit dem Khan selbst Brüderschaft schließen, um alle Sklaven dadurch befreien zu können.«

»Dagegen hätte der Khan gewiß nichts einzuwenden,« bemerkte Zagloba, »es fragt sich nur, was für eine Belohnung er von Dir verlangen würde.«

»Mit Verlaub, wohledle Herren!« ergriff nun Wolodyjowski das Wort, »wir müssen vor allem in Betracht ziehen, was geschehen kann. Hört mich demnach an! Wie mir aus Kamieniec berichtet ward, wird voraussichtlich in zwei Wochen Piotrowicz mit einem ansehnlichen Gefolge hier eintreffen. Er begiebt sich in die Krim wegen des Loskaufes verschiedener armenischer Kaufleute aus Kamieniec, die bei dem Thronwechsel des Khans beraubt und in die Sklaverei geschleppt worden sind. Und, traun, das gleiche Schicksal ereilte ja auch den Seferowicz, den Bruder des Prätors. All dies sind wohlhabende Leute, die das Geld nicht sparen werden. Mit reichen Hilfsmitteln ausgerüstet, zieht also Piotrowicz aus. Fährlichkeiten wird er wohl kaum zu überwinden haben, denn erstens ist der Winter nahe, welcher ja gewöhnlich dem Umherziehen der Tatarenhorden ein Ziel zu setzen pflegt, und zweitens zieht er nicht nur gemeinsam mit Nawiragh, dem Delegaten des Azmiadzinskier Patriarchen, aus, sondern auch in Begleitung zweier Anardraten aus Kaffa, die mit Geleitsbriefen des jungen Khans versehen sind. Dem Piotrowicz nun will ich ein Schreiben an die Residenten der Republik und an die mir verbrüderten Mursen mitgeben. Außerdem besitzt Herr Ruszczyc, der Kommandant von Raszkow, unter der Tatarenhorde Blutsverwandte, die, schon als Kinder in Gefangenschaft geratend, Tataren geworden und zu hohen Würden gelangt sind. Alle diese werden nun Himmel und Erde in Bewegung setzen, Unterhandlungen einleiten, und im Falle der Halsstarrigkeit des Murzas entweder den Khan gegen ihn aufrufen, oder den Murza irgendwo in der Stille um einen Kopf kürzer machen. So hege ich denn die Hoffnung, daß Herr Boski, so er noch, was der Himmel gebe, am Leben ist, in wenigen Monden die Freiheit erlangt haben wird, was durchzusetzen mir ja sowohl der Herr Hetman, wie auch mein hier anwesender, unmittelbarer Vorgesetzter (hier neigte sich Wolodyjowski vor seiner Gattin) anbefohlen hat.«

Der unmittelbare Vorgesetzte hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als den kleinen Ritter neuerdings zu umarmen, Frau und Fräulein Boski aber falteten, weit zuversichtlicher in die Zukunft schauend, die Hände voll Dankbarkeit gegen Gott, der sie zu solch herzensguten Menschen geführt hatte.

»Wäre der alte Khan noch am Leben,« meinte Herr Nienaszyniec, »da ginge dies alles viel leichter, war er uns doch sehr gewogen, während man von dem jungen gerade das Gegenteil behauptet. Jene armenischen Kaufleute, derentwegen Herr Zacharias Piotrowicz die Reise unternehmen soll, sind auch erst unter der Regierung des jungen Khans in Bakczysaraj selbst und wahrscheinlich auf den Befehl Sr. Majestät des Khans gefangen genommen worden.«

»Mit dem jungen Khan wird die gleiche Veränderung vorgehen, wie dies bei dem alten der Fall gewesen ist,« erklärte Herr Zagloba. »Ist denn nicht auch der alte Khan der grimmigste Feind der Polen gewesen bis zum Zeitpunkt, in dem er sich von unserer Ehrenhaftigkeit überzeugen konnte? Ich weiß davon zu reden, habe ich doch sieben lange Jahre in der Sklaverei geschmachtet.«

Nach diesen Worten trat er zu Frau Boski, nahm neben ihr Platz und fuhr dann fort:

»Möge Euch, liebwerte Frau, mein Anblick frischen Mut einflößen. Sieben Jahre, das ist kein Spaß! Nichtsdestoweniger bin ich glücklich zurückgekehrt und habe eine solche Menge dieser Hundsseelen niedergemacht, daß für jeden Tag meiner Gefangenschaft wenigstens zwei von ihnen zur Hölle gefahren sind, an Sonn- und Feiertagen mögen es aber auch deren drei oder vier gewesen sein. Nun, was sagt Ihr jetzt?«

»Sieben Jahre!« wiederholte Frau Boski, tief aufseufzend.

»Der Tod komme über mich, wenn ich auch nur einen Tag zuviel gesagt habe! Sieben volle Jahre in dem Palaste des Khans selbst!« bekräftigte Herr Zagloba mit geheimnisvollem Augenblinzeln. »Und Ihr müßt wissen, daß dieser junge Khan auch noch mein ...«

Hier flüsterte er plötzlich der Frau Boski etwas ins Ohr, brach dann plötzlich in lautes Lachen aus, wobei er mit der flachen Hand zuerst sich und dann in seinem Feuereifer auch der Frau Boski auf die Knie schlug, um schließlich noch hinzu zu fügen:

»Das waren gute Zeiten! Was? In der Jugend, da nimmt man es nicht so genau, da macht man täglich einen neuen Streich! Ha, ha, ha!«

Frau Boski geriet in große Verwirrung und bemühte sich, so weit wie möglich von dem übermütigen Ritter fortzurücken, während die jungen Frauenzimmer, in dem instinktiven Gefühle, die Späße des Herrn Zagloba müßten etwas zweideutig sein, um so verlegener die Augen niederschlugen, als die Offiziere in ein schallendes Gelächter ausbrachen.

»Es wird wohl ratsam sein, unverweilt Herrn Ruszczyc von allem zu benachrichtigen,« bemerkte Basia schließlich, »damit in Raszkow die Briefe für Herrn Piotrowicz schon bereit liegen.«

»Die gnädigen Herrschaften sollten überhaupt aufs rascheste vorgehen,« ließ sich jetzt Herr Bogusz vernehmen. »Während des Winters ziehen keine Tatarenhorden umher, demzufolge sind die Straßen ungefährdeter, und dann, weiß Gott, was sich im Frühjahr alles ereignen kann.«

»Sind dem Herrn Hetman irgend welche Nachrichten aus Carogrod zugegangen?« fragte Wolodyjowski.

»Gewiß. Und eben darüber müssen wir vor allem sprechen. Die Angelegenheit mit den Rittmeistern muß rasch erledigt werden. Wann kann Mellechowicz zurück sein? Von ihm hängt sehr viel ab.«

»Es ist ihm nur die Aufgabe geworden, den Rest des Raubgesindels zu vertilgen und die Toten zu bestatten. Noch heute, sicherlich aber morgen wird er zurückkehren. Ich beauftragte ihn indessen, nur die auf unserer Seite Gefallenen zu beerdigen, nicht aber die, welche unter Azba stritten. Der Winter ist ja im Anzuge, Seuchen sind daher nicht zu befürchten. Die Wölfe werden übrigens schon gehörig aufräumen.«

»Der Herr Hetman läßt ersuchen,« ergriff jetzt Herr Bogusz aufs neue das Wort, »Mellechowicz durch nichts in seiner Thätigkeit zu hemmen. Sollte er es für geboten erachten, sich nach Raszkow zu begeben, so darf ihm kein Hindernis in den Weg gelegt werden. Ferner bittet der Herr Hetman, dem Genannten in jeder Hinsicht Vertrauen entgegen zu bringen, da er von dessen Hingebung an unsere Sache fest überzeugt ist. Mellechowicz ist ein tüchtiger Soldat und kann uns noch von großem Nutzen sein.«

»Mag er sich denn nach Raszkow begeben, oder wohin es ihm beliebt!« erklärte der kleine Ritter. »Da die Macht Azbas gebrochen ist, kann ich die Dienste von Mellechowicz leicht entbehren. Bevor es wieder grünt, werden wir es auch wohl kaum mit einer größeren Bande zu thun bekommen.«

»Die Bande Azbas ist also völlig vernichtet?« fragte Herr Nowowiejski.

»Derart vernichtet, daß kaum fünfundzwanzig Leute davon entkommen sein mögen, und die werden einzeln eingefangen werden, wenn dies nicht schon durch Mellechowicz geschehen ist.«

»Das ist mir sehr angenehm zu hören,« bemerkte Herr Nowowiejski, »denn zweifelsohne kann man jetzt ungefährdet nach Raszkow gelangen. Wir können auch die Briefe an Herrn Ruszczyc mitnehmen,« fügte er, zu Basia gewendet, hinzu, »deren die gnädige Frau Erwähnung gethan haben.«

»Ich danke bestens,« entgegnete Basia, »es fehlt uns nicht an Gelegenheit, werden doch fortwährend Boten abgesendet.«

»Die verschiedenen Militärposten müssen stets eine Verbindung zwischen sich unterhalten,« erklärte Herr Michal. »Doch, mit Verlaub, gedenken Euer Liebden in Gesellschaft dieses schönen jungen Fräuleins nach Raszkow zu reisen?«

»Ah, das ist ein ganz gewöhnlicher Affe und durchaus keine Schönheit, gnädigster Wohlthäter,« versetzte Herr Nowowiejski. »Nach Raszkow reisen wir aber deshalb, weil daselbst mein Sohn, dieser Taugenichts, unter Herrn Ruszczyc dient. Vor etwa zehn Jahren ist er aus dem Hause entlaufen, und nur durch Briefe hat er seitdem meine clementia als Vater angerufen.«

Wolodyjowski schlug überrascht die Hände zusammen.

»Es kam mir doch gleich in den Sinn, daß Euer Liebden der Vater des Herrn Nowowiejski sein müsse,« sagte er, »und ich würde längst danach gefragt haben, wenn mich nicht die betrübende Angelegenheit der Frau Boski so vollständig in Anspruch genommen hätte. Sofort, sofort kam mir der Gedanke, denn auch die Gesichtszüge ähneln sich. Mit Verlaub, so ist er denn wirklich der Sohn von Euer Liebden?«

»Seine verstorbene Mutter hat mich wenigstens dessen versichert, und da sie ein tugendsames Weib gewesen ist, habe ich keine Ursache, ihre Aussage zu bezweifeln.«

»Doppelt willkommen sind mir nun Euer Liebden als Gast. Doch, bei Gott, nennt Euern Sohn keinen Taugenichts, denn er ist ein trefflicher Soldat, ein ehrenwerter Kavalier, auf den Euer Gnaden sehr stolz sein können. Nach Herrn Ruszczyc gilt er als der beste Führer in der Schwadron, und vielleicht wissen Euer Liebden nicht einmal, daß er der ausgesprochene Liebling des Hetmans ist.«

Das Antlitz von Herrn Nowowiejski strahlte vor Zufriedenheit.

»Gnädigster Obrist,« begann er, »wie häufig tadelt ein Vater nur deshalb sein Kind, damit er von anderer Seite das Gegenteil hört, und so glaube ich, daß ein Vaterherz durch nichts so sehr erfreut werden kann, als wenn dem von ihm ausgesprochenen Tadel entgegen getreten wird. Schon sind Gerüchte über Adams lobenswerte Dienste an mein Ohr gedrungen, doch jetzt erst zieht wahrhafte Freude in mein Herz ein, jetzt, da ich jene Fama durch den Ausspruch eines so berühmten Kriegers bestätigt finde. Wie ich höre, soll er nicht nur ein tapferer Krieger, sondern auch ein ganz gesetzter Mensch sein, was mich unendlich wundert, weil er immer ein Sausewind gewesen ist. Kriegslustig war freilich der Spitzbube schon von frühster Jugend an, wofür er ja den besten Beweis dadurch geliefert hat, daß er schon als Knabe aus dem Vaterhause fortgelaufen ist. Offen gesagt, wenn ich ihn damals erwischt hätte, wäre er sicherlich nicht ohne ein gehöriges pro memoria davongekommen, doch jetzt muß ich mich bescheiden, sonst verschwindet er wieder auf zehn Jahre hin. Mich Alten plagt aber doch die Sehnsucht nach ihm.«

»Weshalb hat er sich denn diese lange Zeit hindurch nicht in der Heimat blicken lassen?«

»Weil ich es ihm verbot. Nun aber habe ich die Geschichte satt, und so reise ich denn zu ihm, weil er durch seine Dienstpflichten nicht abkommen kann. Ich beabsichtigte die gnädigen Herrschaften um Gastfreundschaft für meine Tochter zu bitten und allein nach Raszkow zu reifen, da Ihr mir nun aber sagt, daß die Wege ganz sicher seien, will ich sie mit mir nehmen. Sie will die Welt sehen, die neugierige Elster, nun, dies sei ihr gewährt.«

»Und die Leute wollen sie sehen!« warf Zagloba ein.

»Da haben sie nicht viel zu sehen!« antwortete Ewa, deren herausfordernde schwarze Augen und deren wie zum Kusse geschaffener Mund übrigens schon eine ganz andere Sprache redeten.

»Ein ganz gewöhnlicher Affe ist sie, nichts weiter als ein Affe!« rief Herr Nowowiejski. »Traun, wenn ihr ein hübscher Offizier zu Gesicht kommt, dann ist sie außer Rand und Band. Deshalb habe ich sie auch lieber mit mir genommen, denn ein Mädchen allein zu Hause zu lassen, das ist stets eine gefährliche Sache. Sollte ich indessen schließlich doch noch ohne sie nach Raszkow gehen, dann müssen Euer Gnaden sie mit einem Stricke anbinden lassen, damit sie nicht allzu übermütig wird.«

»Ich selbst war auch nicht besser,« erklärte Basia.

»Sie hätte spinnen sollen,« warf hier Zagloba ein, »tanzte aber statt dessen in Ermangelung eines anderen Tänzers mit dem Spinnrocken. Doch Ihr, wohledler Herr Nowowiejski, seid ja ein gar lustiger Mensch! Basia, gern würde ich mit Herrn Nowowiejski anstoßen, denn auch ich liebe es zuweilen, ein wenig Kurzweil zu haben.«

Doch bevor noch das Abendbrot aufgetragen ward, öffnete sich die Thüre, und Mellechowicz trat ein. Herr Nowowiejski bemerkte ihn anfänglich nicht, da er sich angelegentlich mit Herrn Zagloba unterhielt, dagegen gewahrte ihn Ewa sofort und flammende Röte überzog ihr Antlitz, um gleich darauf tiefer Blässe zu weichen.

»Herr Obrist!« meldete Mellechowicz dem Herrn Wolodyjowski, »Euerm Befehle zufolge sind alle Flüchtlinge eingefangen.«

»Gut. Wo sind sie?«

»Laut des Befehles ließ ich sie hängen.«

»Gut. Und sind Deine Leute zurückgekehrt?«

»Einen Teil ließ ich behufs der Leichenbestattung zurück, die übrigen folgten mir hierher.«

In diesem Augenblicke schaute Herr Nowowiejski auf, und das größte Staunen spiegelte sich auf seinem Antlitz.

»Bei Gott! Was sehe ich!« rief er.

Dann sprang er empor, eilte auf Mellechowicz zu und schrie:

»Azya! Was thust Du hier, Halunke?«

Schon erhob er die Hand, um den Tataren am Kragen zu packen, da geriet dieser für einen Augenblick in eine solche Wut, als ob er mit Skorpionen gezüchtigt worden wäre. Dann umfaßte er, bleich wie der Tod werdend, mit eiserner Hand den Arm des Herrn Nowowiejski, und mit den Worten: »Ich kenne Euch nicht! Wer seid Ihr?« stieß er ihn so gewaltsam von sich, daß Herr Nowowiejski bis in die Mitte der Stube taumelte.

Geraume Zeit hindurch vermochte letzterer vor Erregung keinen Laut hervorzubringen, schließlich gewann er aber doch wieder die Herrschaft über sich und schrie:

»Wohledler Herr Kommandant! Ein Ausreißer ist er, ich habe über ihn zu gebieten! In meinem Hause ist er von kleinauf gewesen! ... Halunke, leugnest Du dies vielleicht? Ich habe über ihn zu gebieten! Ewa, sprich, wer ist das?«

»Azya!« erwiderte, am ganzen Leibe zitternd, Fräulein Ewa.

Mellechowicz würdigte sie keines Blickes. Unentwegt schaute er auf Herrn Nowowiejski, auf seinem Gesichte spiegelte sich grenzenloser Haß, seine Nasenflügel bebten vor Erregung, unter dem zitternden Schnurrbärtchen blinkten von Zeit zu Zeit, wie bei einem in Wut geratenen Tiere, die Spitzzähne hervor, und immer wieder fuhr die Hand nach dem Säbel.

Die Offiziere traten herzu und bildeten einen Kreis um die beiden, Basia aber sprang zwischen Mellechowicz und Nowowiejski.

»Was soll das bedeuten?« fragte sie, die Stirn runzelnd.

Ihr Anblick besänftigte die Gegner ein wenig.

»Herr Kommandant,« hub Nowowiejski von neuem an, »das bedeutet, daß ich über diesen Menschen zu gebieten habe, der Azya heißt und ein Ausreißer ist. Als ich in jungen Jahren in der Ukraine als Soldat stand, fand ich ihn halb tot in der Steppe und nahm ihn zu mir. Er ist ein Tatar. Zwanzig Jahre lang lebte er in meinem Hause und wurde mit meinem Sohne gemeinsam unterrichtet. Nach der Flucht meines Sohnes half mir jener bei der Bewirtschaftung meines Gutes, bis ihn plötzlich die Lust anwandelte, eine Liebelei mit der Ewa anzufangen, wofür ich ihn tüchtig durchpeitschen ließ. Daraufhin entfloh er. Wie wird er hier genannt?«

»Mellechowicz.«

»Ein angenommener Name ist dies. Azya heißt er – nicht anders. Er behauptet freilich, er kenne mich nicht, ich kenne aber ihn, und Ewa kennt ihn desgleichen.«

»Euer Sohn, Euer Liebden, hat ihn aber doch, bei Gott, oft genug gesehen,« ergriff nun Basia das Wort, »weshalb sollte er ihn nicht erkannt haben?«

»Mein Sohn konnte ihn unmöglich erkennen, denn als er davon lief, zählte ein jeder der beiden fünfzehn Jahre. Dieser hier blieb dann noch sechs Jahre bei mir. In dieser Zeit veränderte er sich natürlich ungemein, denn er wurde ungewöhnlich groß und bekam einen Schnurrbart. Meine Ewa hat ihn aber trotzdem sofort wieder erkannt. Meine wohledlen Herrschaften, Ihr werdet doch einem Heimatsgenossen eher Glauben schenken, als solch einem hergelaufenen Kerl aus der Krim?«

»Herr Mellechowicz steht als Offizier unter dem Herrn Hetman,« erklärte Basia, »in seine Angelegenheiten haben wir uns nicht zu mischen.«

»Mit Verlaub, ich werde ihn befragen,« warf der kleine Ritter ein. » Audiatur et altera pars

Doch Herr Nowowiejski geriet außer sich vor Zorn und schrie:

»Herr, Herr Mellechowicz! Ein schöner Herr das! Mein Bediensteter ist er, der einen fremden Namen angenommen hat. Wenn ich will, kann ich diesen Herrn morgen zu meinem Hundewärter machen, wenn ich will, kann ich diesen Herrn auspeitschen lassen, und selbst der Hetman kann mich nicht daran hindern. Ich bin ein Edelmann, ich kenne meine Rechte!«

Das Schnurrbärtchen des Herrn Michal zitterte sichtlich, als er in scharfem Tone sagte:

»Ich bin nicht nur ein Edelmann, sondern auch Obrist, und auch ich kenne meine Rechte. Auf gesetzlichem Wege könnt Ihr Eure Ansprüche geltend machen, Ihr könnt den Urteilsspruch des Hetmans anrufen, hier aber habe ich zu befehlen, kein anderer!«

Diese Worte verfehlten nicht, Eindruck auf Herrn Nowowiejski zu machen. Er sagte sich sofort, er habe es ja nicht nur mit dem Kommandanten, sondern auch mit dem Vorgesetzten seines Sohnes, und dabei mit dem berühmtesten Kriegshelden der Republik zu thun, und so sprach er in sanfterem Tone:

»Herr Obrist, ich will durchaus nichts gegen den Willen von Euer Liebden unternehmen, nur mein Recht will ich wahren, und dessenthalben bitte ich, Euer Liebden möge mir Glauben schenken.«

»Mellechowicz, was hast Du auf all dies zu erwidern?« fragte nun Wolodyjowski.

Die Augen niederschlagend, verharrte der Tatar in Schweigen.

»Wir wissen alle, daß Du Azya heißt!« fuhr Herr Michal fort.

»Was bedarf es da einer langen Beweisführung?« ließ sich Herr Nowowiejski vernehmen. »So er der ist, den ich in ihm sehe, hat er über jeder Brust einen Fisch tätowiert.«

Kaum vernahm Herr Nienaszyniec diese Worte, so verzerrten sich seine Gesichtszüge geradezu, und mit markerschütternder Stimme rief er:

»Azya, der Sohn von Tuhay-Bey!«

Aller Augen richteten sich nunmehr auf Herrn Nienaszyniec, der, am ganzen Leibe bebend und schmerzerfüllt von neuem ausrief:

»Das ist mein Sklave! Das ist der Sohn von Tuhay-Bey! Bei Gott, er ist es!«

Der junge Lipker erhob stolz sein Haupt, ließ seine Falkenaugen über die Versammlung schweifen, riß sein Unterkleid auf und sprach also:

»Seht her! Seht Ihr die tätowierten Fische? Ich bin der Sohn von Tuhay-Bey! ...«


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